Das Baustellenchaos in Mainz schlägt immer höhere Wellen – und der Druck auf die Stadtspitze wächst. Vergangene Woche schaltete sich Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) persönlich ein und versprach ein besseres Management, jetzt wirft ihm die CDU Unglaubwürdigkeit vor: Ebling hätte längst handeln und per Eilentscheidung eine Beratungsfirma engagieren können. Mehr noch: Jetzt schlägt die CDU sogar vor, Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) die Zuständigkeit fürs Verkehrsressort zu entziehen. Ebling habe „monatelang das Verkehrschaos, die damit verbundenen betriebs- und volkswirtschaftlichen Schäden und den Frust der Bürger hingenommen, ohne wirklich zu handeln“, kritisiert die CDU.
„Baustellen sind kein politisches Thema“, hatte Eder noch im April 2016 bei einem Pressetermin gesagt, nun aber sind sie genau das geworden: Die Mainzer haben die Nase vom Baustellenchaos gestrichen voll. In den sozialen Netzwerken geht es hoch her, da ist von Inkompetenz, Dilettantismus und Chaosverein die Rede. „Ich könnte schreien vor Wut“, schreibt ein Facebook-User: „Schluss mit der R(Eder)ei, lasst endlich Fachleute ans Werk!!“ Es ist beileibe nicht der einzige Mainzer, der seinem Frust Luft macht. „Egal, wo du in Mainz fährst, überall Baustellen oder aus zwei mach eins bei den Fahrspuren, jeden Tag eine neue Überraschung“, schreibt ein anderer. Und nicht nur einer fordert Konsequenzen bei der Verkehrsdezernentin zu ziehen.
Dabei hatte Eder schon im vorigen Jahr zum „1. Mainzer Baustellengipfel“ geladen und mit Stadtwerken und Straßenverkehrsbehörde beraten, wie die Baustellen künftig besser koordiniert werden könnten. Dabei zeigte sich auch ein grundlegendes Problem der Nachkriegszeit: Marode Leitungen. Viele der Stromkabel im Boden sind inzwischen 40 bis 45 Jahre alt, die Gasleitungen gar 60 bis 70 Jahre. Pro Jahr müssten deshalb unbedingt rund 30 Kilometer Stromleitungen, 11 Kilometer Gasleitungen und 8 Kilometer Wasserleitungen erneuert werden, rechnete Carl Mohn, Abteilungsleiter Straßenbetrieb, vor einem Jahr vor – sonst gerate man zu sehr ins Hintertreffen. Und ja: In fünf Jahren hätten die Baustellen so um gut 20 Prozent zugenommen.
Seither haben sich die Baustellen in Mainz aber noch einmal multipliziert – der aktuellen Umbaumaßnahmen wegen. Besonders die Bahnhofstraße sorgt für komplettes Chaos in der Innenstadt rund um den Hauptbahnhof. Man versuche, große Baustellen in die Ferienzeiten zu legen, hieß es damals – genau das aber geht in diesem Jahr gründlich schief. Der Grund: Bis zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober soll die Innenstadt eigentlich Baustellen frei fertig sein. Doch immer wieder stoßen die Bauarbeiter in Baugruben auf Überraschungen: Kabel liegen an anderer Stelle oder sind in den Plänen gar nicht verzeichnet, viele verschiedene Maßnahmen müssen gleichzeitig koordiniert werden.
„Wir sperren nicht mir nichts, dir nichts eine Straße“, hatte Eder nach dem Baustellengipfel versucht zu erklären und versprochen, die Stadt wolle besser werden: Mehr Kommunikation, bessere Koordination, weniger Belastungen für die Bürger und die Stadt. „Besser abstimmen, länger planen“, sagte Eder damals. Das Problem: Die Mainzer erleben auf ihren Straßen gerade das genaue Gegenteil einer Verbesserung. Selbst Ebling räumte nun ein, die Lage bei den Wegen in die Innenstadt sei „so angespannt wie nie“, das sei „nicht in Ordnung und nur schwer erträglich.“
In demselben Artikel in der Allgemeinen Zeitung kündigte Ebling Verbesserungen an, das aber brachte nun die CDU-Opposition so richtig auf die Palme: „Der OB vergießt bei diesem wichtigen Thema ein weiteres Mal Krokodilstränen“, schimpfte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. Monatelang habe er das Verkehrschaos und die damit verbundenen Schäden „hingenommen, ohne wirklich zu handeln“, nun müssten endlich Taten folgen: „Ebling hätte schon längst Veränderungen herbeiführen und aktiv eingreifen können“, betont Schönig.
So hätte der OB etwa bei der Frage, welche externe Firma die Verwaltung beim Thema Baustellenkoordination beraten solle, eine Eilentscheidung treffen können, „dadurch hätte man sich eine monatelange Ausschreibung gespart“, sagt der Oppositionschef im Rathaus. Auf diese Möglichkeit sei der OB „aber anscheinend gar nicht gekommen.“ Die Stadt hätte längst weiter sein können, „wenn man denn gewollt hätte“, schließlich habe man oft genug auf die Probleme hingewiesen.
„Seit Monaten ist offensichtlich, dass bei der Koordinierung der vielen Baustellen in Mainz etwas schief läuft, und die eigentlich zuständige Verkehrsdezernentin Katrin Eder diese Thematik äußerst schlecht managt“, kritisiert Schönig weiter. Das sehe offenbar inzwischen auch Ebling so – schließlich greife er neuerdings das Thema immer öfter selbst auf. „Zufriedenheit mit der eigenen Dezernentin sieht jedenfalls anders aus“, sagte Schönig: „Vielleicht sollte Herr Ebling deshalb darüber nachdenken, den Bereich Baustellen oder besser noch das gesamte Verkehrsressort nicht mehr bei Frau Eder anzusiedeln.“
Die SPD-Fraktion begrüßte unterdessen, dass Ebling nun die Baustellen künftig besser koordinieren wolle: „Wir erwarten uns hiervon einen deutlich verbesserten Verkehrsfluss und natürlich auch eine höhere Toleranz für die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen an unserem Verkehrsnetz“, sagte Fraktionsvize Alexander Quis. Derzeit nämlich „wirkt es oft so, als seien die Baustellen nicht aufeinander abgestimmt und als würden die Einschränkungen im Verkehr noch verstärkt.“ Eine bessere Koordinierung sei da eine wichtige Maßnahme, fügte er hinzu.
Und während man in der Nachbarstadt Wiesbaden Verkehrsanalysen erstellt und Verkehrskonzepte entwickelt, spricht die Linke in Mainz von einer „Bankrotterklärung“ der Stadt: „Die Stadtverwaltung habe schon bei der Ankündigung, ein externes Büro einschalten zu wollen, „gezeigt, dass sie nicht mehr Herrin der Lage ist“, sagte der Mainzer Parteichef Tupac Orellana. Ein Verkehrsgesamtkonzept lehne man hingegen ab, weil nicht genug Personal vorhanden sei. „Wenn die Stadt kein ausreichendes Personal und die politische Durchsetzungskraft hat, das Baustellenchaos in den Griff zu kriegen, hilft auch eine Kompetenzverschiebung von Dezernentin Eder zu Oberbürgermeister Ebling nicht“, fügte Orellana hinzu.
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