Sind Flugzeuge über unseren Köpfen nicht nur für Lärm, sondern auch für den Ausstoß ultrafeiner Staubpartikel verantwortlich? Die Initiative gegen Fluglärm in Mainz hat Messungen vorgelegt, bei denen die Menge ultrafeiner Partikel bei Überflug eines Flugzeuges um die vierfache Menge anstieg – und mehr. Alarmierende Messwerte, findet die BI. Bei der Fraport heißt es, man nehme das Thema ernst, doch noch seien die Messwerte nicht eindeutig dem Flugverkehr zuzuordnen. Doch auch das Umweltbundesamt misst inzwischen ultrafeine Partikel rund um den Flughafen – mit ähnlichen Ergebnisse. Ein neues Forschungsvorhaben soll dem jetzt nachgehen.
„Wir haben den Flieger über uns gesehen, und zweieinhalb Minuten später ging der Ausschlag vom Messgerät nach oben“, berichtet Joachim Alt. Wochenlang ist der gelernte Nachrichtentechniker von der Mainzer BI gegen Fluglärm mit einem Messgerät durchs Rhein-Main-Gebiet gezogen, auf der Spur von ultrafeinen Partikeln. Das sind Schadstoffpartikel in der Luft, verursacht werden sie durch Verbrennungsprozesse in Motoren.
Was Alt dann auf den Messgeräten ablas, erschreckte ihn nicht wenig: Die Messwerte stiegen durch den Flugbetrieb um das Vierfache – mindestens. Noch 19 Kilometer vom Flughafen entfernt, im Mainzer Stadtteil Hechtsheim, stieg die Konzentration der Partikel in einem Kubikzentimeter von rund 4.000 auf 16.000 an. In Flörsheim maß Alt gar eine Konzentration von rund 40.000 Partikeln pro Kubikzentimeter, in Raunheim und Kelsterbach waren es sogar bis zu 80.000. „Die Abgasfahnen der Flugzeuge“, sagt Alt, „kommen in den Wohngebieten an.“
Alt maß Ultrafeine Partikel, Rußpartikel mit einer Größe von weniger als 100 Nanometern. Im Gegensatz zum herkömmlichen Feinstaub sind diese Partikel etwa 500-mal kleiner, kommen jedoch in enorm hoher Konzentration in der Luft vor. Der klassische Feinstaub gilt schon lange als gefährlich für den Organismus des Menschen, er kann unter anderem Atemwegserkrankungen auslösen, es gibt Messstationen an belebten Straßen, Grenzwerte, Luftreinhaltungspläne.
Doch der klassische Feinstaub „spielt heute praktisch keine Rolle mehr“, sagt Wolfgang Schwämmlein, Alts Messpartner von der Mainzer BI: Bei der Verbrennung von Kerosin entstehe eine „exorbitant hohe Anzahl“ ultrafeiner Partikel. Die aber könnten in der Lunge nicht mehr zurückgehalten werden, gelangten direkt in die Blutbahn und von dort in praktisch alle Organe. Wie schädlich sie sind, das allerdings ist unter Medizinern noch umstritten – bislang gibt es kaum Studien zu Ultrafeinen Partikeln.
Deren Brisanz hat inzwischen auch Flughafen-Betreiber Fraport erkannt: Anfang November stellte die Fraport ein Papier zu dem Thema auf ihre Homepage. Flugzeugtriebwerke, heißt es darin, emittierten in der Tat auch Ultrafeine Partikel, eine Zuordnung der Ultrafeinstaubkonzentration in der Luft zum Flugverkehr sei aber sehr schwierig, da vor allem der Einfluss des Straßenverkehrs kaum abzugrenzen sei.
„Wir konnten den Fußabdruck des Flugbetriebs in den Schadstoffen klar nachweisen“, sagt nun Alt, „zum ersten Mal.“ Die Fluglärmaktivisten legten über ihre Messkurven die tatsächlichen Flugbewegungen des jeweiligen Tages. „Wann und wie geflogen wurde, schlägt sich in den Ausschlägen der Messwerte genau nieder“, sagt Alt. Bei Überflug und Vorbeiflug habe der Flugverkehr „zweifelsfrei einen Anteil von 75 Prozent“ ausgemacht.
So maß Alt etwa in Mainz-Hechtsheim unter der Einflugschneise der Flieger ohne Flugverkehr einen Anteil von rund 4.000 Partikeln pro Kubikzentimeter – Heizungen und regulärer Verkehr inklusive. Mit einsetzendem Flugbetrieb stieg die Konzentration bei gleichbleibenden äußeren Bedingungen auf 13.000 bis 17.000 Partikel pro Kubikzentimeter.
Die Ergebnisse stellte die BI im November auch im Hessischen Umweltministerium vor, dort habe man die Ergebnisse mit großem Interesse registriert, sagen die BI-Vertreter. Im Ministerium heißt es, man erarbeite gerade gemeinsam mit dem Umweltbundesamt ein Messkonzept. Ja, hieß es wiederum im Umweltbundesamt auf Anfrage von Mainz&, bereits seit September würden in Raunheim Ultrafeine Partikel gemessen.
„Ja, wir haben erhöhte Zahlen gefunden“, bestätigte Klaus Wirtz vom Fachgebiet Luftgüte des Umweltbundesamt Mainz&. Aus Richtung des Flughafens seien um den Faktor zwei bis drei erhöhte Partikelkonzentrationen festgestellt worden, gerade wenn Flugzeuge landeten. „Unter Umständen werden hier der Flughafen und der Verkehr durchaus sichtbar“, sagte Wirtz. Allerdings könnten zu der Partikelemmission auch der Fahrzeugverkehr auf dem Flughafengelände selbst beitragen.
Wirtz warnt zugleich auch davor, Ängste zu schüren: „Ultrafeine Partikel können krank machen“, bestätigte Wirtz, doch die Wirkung der Partikel sei bisher nicht belegt. Die Gleichung „es sind erschreckend viele Partikel, deshalb ist die Wirkung auch erschreckend hoch“ sei zu kurz gedacht, betont der Experte.
Wie relevant die Erhöhung der Partikel durch ein Flugzeug ist, das soll nun ab 2016 durch ein Forschungsprojekt ermittelt werden. In dem auf zweieinhalb Jahre angelegten Vorhaben will das Umweltbundesamt die großräumige Verteilung von Ultrafeinstäuben im Umfeld des Flughafens untersuchen lassen. „Wir messen in Raunheim die Partikelanzahlkonzentration und versuchen das, mit dem Flugverkehr zu korrelieren“, sagt Wirtz.
Beim Flughafen-Betreiber Fraport heißt es: „Wir nehmen das Thema ernst und verfolgen es mit Interesse“, sagte Mainz& Flughafensprecher Dieter-Sebastian Hulick. Der Flughafen messe Luftwerte bereits sei 2002, allerdings nur Stoffe, für die es einen gesetzlichen Grenzwert gibt. „Für Ultrafeinstaub gibt es noch keine messtechnischen Standards, keine Grenzwerte“, sagte Hulick. Die Fraport verfolge aber mit Interesse die derzeitigen Ansätze, Standards zu entwickeln.
„Wir sind bestürzt, dass sich die Umweltämter der Länder bisher nicht darum kümmern“, sagt Alt, das Problem der Ultrafeinstäube sei unterschätzt worden. Die BI fordert nun flächendeckende kontinuierliche Messungen und die Untersuchung medizinischer Auswirkungen. „Insbesondere für chronisch Kranke und Menschen mit Lungenproblemen halte ich die Konzentrationen für bedenklich“, betont Alt. Es brauche eine Ultrafeinstaub-Verordnung und vielleicht sogar einmal, ähnlich wie beim Ozon, Warnmeldungen. „Man muss jetzt die Dimension ermitteln“, fordert Alt, „und insbesondere die Belastung der Menschen in den überflogenen Wohngebieten feststellen.“
Info& auf Mainz&: Die Homepage der Initiative gegen Fluglärm in Mainz findet Ihr hier, das Papier der Fraprot zu Ultrafeinen Partikeln hier.