Paukenschlag in der Mainzer Schullandschaft: Das Bistum Mainz will vier seiner Schulen in Mainz abgeben oder auflösen, das kündigte das Bistum völlig überraschend am Mittwoch an. Bischof Peter Kohlgraf sprach von „schmerzhaften Einschnitten“ und begründete die Entscheidung mit „sinkenden finanziellen Möglichkeiten“ des Bistums. Das Bistum müsse bis 2030 pro Jahr mehr als 50 Millionen Euro einsparen, 15 Millionen davon soll der Bildungsbereich erbringen. Gegen die Schließung der Martinus-Grundschule in Gonsenheim formiert sich bereits Widerstand.
Das Bistum kündigte deshalb an, von seinen insgesamt 18 Schulen in katholischer Trägerschaft fünf abgeben zu wollen, in Mainz sind das die Martinus-Grundschule in Mainz-Gonsenheim sowie das Ketteler-Kolleg und -Abendgymnasium. Für das Theresianum in Mainz soll eine eigene Trägerkonstruktion geschaffen werden analog wie bei der Maria Ward-Schule. Bei der Grund- und Realschule plus in der Weißliliengasse will das Bistum den Realschulzweig ausbauen, die Grundschule aber schließen – der Grundschulzweig soll bereits ab dem Schuljahr 2022/23 keine neuen Schüler mehr aufnehmen.
Man werde nun nach bereits erfolgten ersten Gesprächen in Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen über die Übernahme der Trägerschaften der Schulen eintreten, kündigte Kohlgraf an – damit kämen auf die Stadt Mainz zumindest mal zwei der vier Schulen zu. „Es sind schmerzhafte Einschnitte, die wir auf verschiedenen Ebenen des Bistums vornehmen müssen“, betonte Kohlgraf: „Dieser Abschied von bisher Gewohntem und Selbstverständlichem wird schwer werden.“ Die Neustrukturierung sei aber unvermeidlich, „gerade mit Blick auf die mittel- und langfristige Entwicklung
ist dies ein verantwortungsvoller Weg“, sagte der Bischof weiter: „Wir gestalten den Wandel unserer Kirche.“
Die katholische Kirche kämpft bereits seit Jahren mit Kirchenaustritten und sinkenden Kirchensteuereinnahmen, gerade auch jüngste Missbrauchsskandale, eine rigide Haltung des Vatikans in Lockerungsfragen wie dem Zölibat sowie die hartnäckige Verweigerung gegenüber Reformbewegungen wie Maria 2.0 brachten viele Katholiken dazu, der Institution Kirche den Rücken zu kehren. Rund 718.000 Katholiken zählte das Bistum Mainz Ende 2018 laut dem Internetlexikon Wikipedia in seinen Reihen – 2016 waren es noch rund 740.000.
2016 schloss das Bistum Mainz auch bereits mit einem satten Minus von 18,5 Millionen Euro ab, für Schulen und Kitas gab das Bistum im gleichen Jahr rund 43,4 Millionen Euro aus, das ging aus dem damals zum ersten Mal vorgelegten Finanzbericht hervor. Im aktuellen Haushaltsjahr 2020 rechne das Bistum nun mit einem negativen Ergebnis von rund 32 Millionen Euro bei einem Gesamtvolumen von 357 Millionen Euro, sagte Weihbischof Udo Bentz am Mittwoch, der auch Ökonom des Bistums ist. Hinzu kämen die Risiken der Corona-Krise, die den ersten Berechnungen zufolge die Einnahmesituation noch einmal um zehn bis 15 Prozent verschlechtern würden. Und wegen der durch die Coronapandemie ausgelöste Rezession werde man die Kirchensteuerprognosen für die kommenden Jahre noch weiter nach unten korrigieren müssen.
„Um dauerhaft eine solide und verantwortungsvolle Haushaltsplanung vorlegen
zu können, muss das Bistum schrittweise 20 bis 25 Prozent seiner Ausgaben einsparen“, betonte Bentz weiter. Bis zum Jahr 2030 müsse das Bistum deshalb mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr einsparen, der Schulbereich gehöre aber zu den größten Posten im Bistumshaushalt: „Von den erwarteten Kirchensteuereinnahmen in Höhe von 232,6 Millionen Euro gehen im laufenden Wirtschaftsplan für das Jahr 2020 insgesamt 68,2 Millionen Euro in den Bereich Schulen, Hochschulen und Religionsunterricht“, informierte Bentz.
Das Bistum Mainz steht zu pluraler Bildung, und es stehe zu hochwertiger Bildung, unterstrich der Weihbischof weiter, das Bistum könne dies aber langfristig nicht mehr in demselben Umfang wie bisher ermöglichen. „Die angestrebten Trägerveränderungen bei den Schulen bedeuten keinen Abschied von Kindern und Jugendlichen“, betonte auch Bischof Kohlgraf. Mit der Neustrukturierung schaffe man „eine gute und tragfähige
Zukunft für die verbleibenden Schulen.“
Dazu will das Bistum drei Tagungshäuser in Heppenheim, Ilbenstadt und das Kardinal-Volk-Haus auf dem Rochusberg in Bingen schließen. In den Tagungshäusern stelle man bei gleichzeitig guten Belegungszahlen ein verändertes Nutzungsverhalten fest, begründete das Bistum die Entscheidung: Mehr als 25 Prozent der Nutzer seien Tagesgäste ohne Übernachtung, die Tendenz sei dabei steigend. Dadurch werde aber die wirtschaftliche Führung der Häuser massiv erschwert, hinzu kämen hohe Aufwendungen für den Gebäudeerhalt sowie ein enormer Investitionsbedarf für eine zeitgemäße Nutzung und angepasste Qualitätsstandards. Insgesamt sollen die Schließungen im Bildungs- und Tagungsbereich rund 15 Millionen Euro pro Jahr einsparen.
Die Neustrukturierungen sind aber auch eine Folge des 2019 gestarteten sogenannten „Pastoralen Wegs“, einem Reform- und Restrukturierungsprozess im Bistum. „Der Wandel, den wir im Rahmen des Pastoralen Weges gestalten, betrifft alle Bereiche“, betonte Kohlgraf, und verwies als Beispiel auf die Zusammenführung der 134 Pastoralen Einheiten auf 50 Pfarreien sowie auf bereits beschlossene Einsparungen bei der Caritas oder bei Pfarreien sowie den Wegfall der Verbeamtungen im Bistum Mainz. „Die Institution Kirche
wird kleiner – an Mitgliedern, an finanziellen Mitteln und auch an Menschen, die sich für ein
christliches Profil engagieren wollen“, sagte Kohlgraf: „Es ist jetzt unsere Aufgabe, der Kirche im Rahmen des Pastoralen Weges ein Gesicht zu geben, das in diese veränderte Zeit passt.“
Die Ankündigung löste vor allem im Mainzer Stadtteil Gonsenheim einen Schock aus, die hier ansässige Martinus-Grundschule gilt als äußerst beliebt. Auf Faceboook formierte sich am Donnerstag spontan eine Gruppe mit dem Titel „Rettet die Martinusschule Gonsenheim“, die Initiatoren kritisieren, die Abgabe der Schule sei „bei allem Verständnis für den Sparzwang der katholischen Kirche, ein fatales Signal.“ Die Kinder seien „die Zukunft der Kirche und nun lässt man sie hängen.“
Auch ehemalige Schüler sowie Eltern und Großeltern von Martinus-Schülern äußerten sich enttäuscht: Die Schule zeichne sich durch eine hohe Bildungsqualität sowie einen sehr familiären Charakter und hohes Engagement der Schulgemeinschaft aus, das sehe man nun aufs Spiel gesetzt. „Ich für meinen Teil, kann diese Entscheidung auch nicht nachvollziehen“, sagte die Gonsenheimer Ortsvorsteherin und Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel in der Gruppe: „Wo, wenn nicht in christlichen Kitas und Schulen, kann der Glaube und die Wertorientierung einen jungen Menschen für sein Leben lang prägen?“
Die Bekanntmachung habe „hohe Wellen verursacht, die Nachricht hat viele Menschen in Mainz und Rheinhessen kalt erwischt“, reagierte auch FDP-Chef David Dietz. Nun müsse schnellstmöglich Planungssicherheit für die betroffenen Schüler, Eltern und Lehrer hergestellt werden, forderte Dietz gemeinsam mit FDP-Schulexpertin Cornelia Willius-Senzer. „Die Sorge in den Schulgemeinschaften ist verständlicherweise groß. Jetzt gilt es, diese abzubauen und mit Umsicht zu agieren“, betonten die beiden.
Info& auf Mainz&: Noch ausführlichere Informationen und Fakten zu den Schließungsplänen des Bistums Mainz könnt Ihr hier im Internet nachlesen. Unseren Artikel über den Finanzbericht des Bistums von 2016 findet Ihr hier bei Mainz&.