Es hat schon etwas von High Noon für die Pendler: Am Sonntag um Punkt 12.00 Uhr wird die Theodor-Heuss-Brücke vier Wochen lang für den Individualverkehr komplett gesperrt. Man werde am Sonntagfrüh mit der Einrichtung der Sperrung beginnen, wirksam werde sie dann um 12.00 Uhr, teilte die Stadt Mainz am Dienstag mit. Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) bekräftigte zugleich: Ausnahmegenehmigungen etwa für Pflegekräfte oder Handwerker wird es nicht geben. Dafür kommt ein „Brückenticket“ für den ÖPNV – und die „Helau-Spur“ für ausgewählte Fastnachtsredner sowie für das Mainzer Prinzenpaar. Alle anderen Autofahrer müssen sich ihren Weg über die zwei verbleibenden Brücken suchen – die Wirtschaft aus Wiesbaden und Rheinhessen forderte prompt, es müssten jetzt endlich mehr Brücken gebaut werden.
Die wichtige Rheinquerung zwischen Mainz und Wiesbaden wird wegen Sanierungsarbeiten gesperrt, die Traversenlager an den Pfeilern müssen ausgetauscht werden – Mainz& hat bereits ausführlich darüber berichtet. Eder verteidigte am Dienstag erneut die Vollsperrung der Brücke für den Individualverkehr: „Das ist keine Entscheidung, die wir uns leicht gemacht haben“, betonte die Dezernentin, „wir wissen, dass das eine ganz besondere Belastung wird für die Menschen in der Region.“ Aber die Arbeiten aufzuschieben, wäre ein Risiko gewesen, denn die Schäden seien sehr gravierend. Wegen der Materialien müsse die Sanierung aber in der kalten Jahreszeit erfolgen – immerhin sei die letzte Sanierung vor 25 Jahren 1995 erfolgt.
„Eine Sperrung für den Privatverkehr bedeutet eben auch, dass wir schneller arbeiten können“, argumentierte Eder, fügte aber auch erneut hinzu, dass ein Argument für die Vollsperrung eben auch die hohe Konzentration der Stickoxide in der Rheinallee ist: „Wir haben 49 Mikrogramm auf der Rheinachse auf der Rheinallee, jetzt schon“, sagte Eder, „wir können nichts akzeptieren, was die Luftschadstoffe dort in die Höhe treibt.“ Mainz reißt in der Rheinallee damit derzeit den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft deutlich, die Deutsche Umwelthilfe dringt deshalb weiter auf ein Dieselfahrverbot in Mainz.
Radfahrer und Fußgänger dürfen derweil weiter über die gesperrte Theodor-Heuss-Brücke, ebenso alle Zweiräder wie etwa Mofas, die langsamer als 60 kmh fahren. Auch Taxen dürfen über die Brücke, Busse ohnehin. Für Pendler soll derweil ein „Brückenticket“ den Umstieg auf den ÖPNV versüßen: Wer zwischen dem 8. und 18. Januar eine Monatskarte der Mainzer Mobilität kauft, kann die dann sechs Wochen lang nutzen – also nur vier Wochen zahlen und sechs Wochen fahren. Das Brückenticket kostet wie die reguläre Monatskarte 84,50 Euro, die Fahrgäste können damit ab Kaufdatum alle Busse, Straßenbahnen, S-Bahnen Regionalzüge innerhalb der RMV-Preisstufe 13 (Wiesbaden/Mainz) nutzen. Das Ticket ist ebenso wie die Monatskarte übertragbar, auch die erweiterte Mitnahmeregelung gilt.
„Wir hoffen, dass wir damit den einen oder anderen Pendler an uns binden können, weil er feststellt, das geht ja doch gut“, sagte der Geschäftsführer der Mainzer Mobilität, Jochen Erlhof am Dienstag. Das bedeute aber nicht, dass man jetzt die Brückensperrung positiv sehe, betonte er zugleich. Die Mainzer Mobilität werde – wie schon im Dezember angekündigt – die Fahrten der Buslinie 56 verstärken, so dass diese im 15-Minuten-Takt fährt. Das bedeute 15 Prozent mehr Fahrten und 30 Prozent mehr Kapazität auf dieser Linie, sagte Erlhof, die 56 werde so ab dem Gustavsburger Kreisel verstärkt vor den regulären Linienbusfahrten zum Mainzer Hauptbahnhof pendeln.
Verstärkt werden sollen auch die Stationen des Fahrradmietsystems, MVGmeinRad bietet zudem eine spezielle Gutschrift für die Zeit der Brückensperrung an: Über die Homepage der Mainzer Mobilität könne man sich den Gutscheincode „BRUECKE2020“ besorgen und damit 15,- Euro bekommen, sagte Erlhof. Damit seien zehn Fahrten mit den Mieträdern kostenfrei, wer in einem niedrigeren Tarif zählt, wie Studierende, bekommt sogar noch mehr Fahrten kostenlos.
Insgesamt werde die Mainzer Mobilität gemeinsam mit den Wiesbadener Verkehrsbetrieben ESWE so rund 750 Busbewegungen pro Tag über die Theodor-Heuss-Brücke organisieren. Trotzdem werde man nicht alle der Autopendler aufnehmen können, räumte Erlhof ein: Pro Tag passieren rund 44.000 Pkws die Brücke, 40 bis 50 Prozent davon kommen aus dem Umland, zumeist aus Rheinhessen. Damit korrigierte die Stadt Mainz nun auch die von der Stadt Wiesbaden zwischenzeitlich genannten 64.000 Pkw pro Tag – tatsächlich zeigten die Zählungen eben „nur“ die besagten 44.000 Autos im Individualverkehr. Schranken an den Brückenzufahrten sollen dafür sorgen, dass wirklich kein Unbefugter die Brücke überqueren kann.
Pendler werden sich ab dem Sonntag nun also ihre Wege über die beiden verbleibenden Autobahnbrücken der A643 und der A60 suchen müssen – beide Rheinquerungen ächzen schon jetzt im Berufsverkehr unter erheblichen Staus. Die Industrie- und Handelskammern von Rheinhessen und Wiesbaden sowie die Handwerkskammern von beiden Rheinseiten übten denn auch am Dienstag scharfe Kritik: es bestehe ein „dringende Notwendigkeit“ für den Bau weiterer Rheinbrücken, das zeige die jetzt anstehende Brückensperrung wieder einmal, betonten die Wirtschaftsvertreter: „Für die eng vernetzte Wirtschaft der beiden Landeshauptstädte sind schnelle Verbindungen über den Rhein essentiell.“
Die Sperrung der Brückenquerung zeige nun „einmal mehr, wie schnell die jetzige Infrastruktur an ihre Grenzen stößt“, kritisieren die Wirtschaftsvertreter zudem. Dem enorm gestiegenen Verkehrsaufkommen müsse endlich durch eine zeitgemäße Infrastruktur entsprochen werden. „Mit Brückenbauten aus den 1960er Jahren lässt sich das Verkehrsaufkommen von heute nicht bewältigen“, rügen sie, eine weitere Rheinquerung zwischen den beiden Landeshauptstädten sowie zwischen Rüdesheim und Bingen sei „standort- und wirtschaftspolitisch absolut notwendig.“ Neue Brücken könnten erheblich zur Belebung der Wirtschaftstätigkeit auf beiden Rheinseiten beitragen, gleichzeitig würde die Mobilität der Mitarbeiter gefördert und unnötige Umfahrungen vermieden, das komme schließlich auch der Umwelt zugute.
Für mehr Rheinbrücken hatte im Mainzer OB-Wahlkampf auch der von der CDU unterstützte, unabhängige Kandidat Nino Haase geworben, die SPD äußerte sich nur verhalten, die Grünen lehnten eine neue Brücke vehement ab. Die Stadt Wiesbaden treibt zwar Planungen für eine zusätzliche Rheinbrücke voran, doch die sind erst im Status der Vorplanung, konkret wurde es bisher nicht. In Mainz betont man, man sei gemeinsam mit Wiesbaden in Voruntersuchungen, das Thema sei mehrfach im Städteausschuss thematisiert worden. Ebling selbst hatte im Mainz&-Interview im OB-Wahlkampf gesagt, die Diskussion über eine neue Rheinbrücke sei „richtig und wichtig“, einer Autobrücke erteilte er aber eine Absage: „Daraus würden wir keinen Vorteil ziehen“, sagte Ebling im Mainz&-Interview.
Angesichts der „gravierenden negativen Auswirkungen“ einer wochenlangen Komplettsperrung dieser eminent wichtigen Verkehrsader“ müsse es für Betriebe unbürokratisch und schnell Ausnahmegenehmigungen geben, forderte die Wirtschaft weiter – doch die soll es nicht geben: Es werde keine Ausnahmen für Pflegedienste oder Handwerker geben, betonte Eder am Dienstag: „Gleichbehandlung ist hier wirklich ein sehr hohes Gut.“ Rettungsdienste und Hausnotruf-Mitarbeiter dürften natürlich die Brücke passieren, alle anderen aber müssen die Umwege in Kauf nehmen.
Eine Ausnahme gibt es indes dann doch: die „Helau-Spur“ kommt, allerdings nur in eingeschränkter Form. Die Sperrung fällt genau in die Fastnachtskampagne, für manchen Redner, der vier, fünf Auftritte am Abend rechts und links des Rheins hat, ist die Brückensperrung deshalb eine Katastrophe. Diese Redner bekämen Einzelausnahmen, speziell ausgestellt für jeden Auftrittsabend, sagte Eder: „Wir sind da keine Unmenschen, die das Brauchtum infrage stellen.“ Möglich werde das auch deswegen, weil die Auftritte ja vorwiegend am Abend und an den Wochenenden sich ballten, die Redner, die das betreffe, würden informiert, ihre Namen an den Schranken hinterlegt.
Die Ausnahme gilt indes auch für die höchsten närrischen Regenten: das Mainzer Prinzenpaar. Dem hatte am Samstag bei seiner Inthronisierung Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) persönlich zugesagt, „freie Fahrt auf allen Wegen“ zu haben, Eder bestätigte nun: „Das Prinzenpaar muss wirklich auf jeder Sitzung sein, die zählen sicher zu den Ausnahmegenehmigungen.“ Es werde aber nicht für jede Tanzgruppe eine solche Ausnahme gemacht, bekräftigte die Dezernentin, auch wenn die Belastungen massiv seien. „Jeder, der betroffen ist, wird beschissene vier Wochen haben“, räumte Eder ein, und rief dazu auf: „Wir müssen jetzt alle zusammen Augen zu und durch.“
Info& auf Mainz&: Die Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke beginnt am Sonntag, den 12. Januar 2020 um 12.00 Uhr und soll vier Wochen dauern – eine Verlängerung bei der Verzögerung der Bauarbeiten an der Brücke ist nicht ausgeschlossen. Mehr zu den Gründen und der Debatte darüber gibt es hier bei Mainz&, alle Informationen und Angebote der Mainzer Mobilität wie Brückenticket oder Fahrrad-Gutschein sowie die verstärkten Buslinien findet Ihr hier im Internet.