Gerhard Trabert ist Arzt, Sozialmediziner und Professor für Sozialethik, bekannt aber ist er vor allem als „Der Straßen-Doc“: Vor 25 Jahren gründete Trabert als erster in Deutschland eine rollende Ambulanz für Obdachlose. Sein Arztmobil, ein umgebauter Transporter, wurde zum Vorbild für rollende Ambulanzen bundesweit, aus den Anfängen wurde für Trabert ein weltweites Engagement für alle Menschen am Rande der Gesellschaft: Wohnungslose, Behinderte, Flüchtlinge. Trabert reist in Krisengebiete und Flüchtlingscamps, er half auf Lesbos unmittelbar nach dem Brand von Moria, er fährt mit der Sea Watch regelmäßig zum Einsatz im Mittelmeer. Seit 2009 ist er Professor für Sozialmedizin und Sozialethik in Wiesbaden. Für die Linke tritt er nun überraschend bei der Bundestagswahl als Direktkandidat an – Mitglied der Linken ist Trabert aber nicht. Hier seine Antworten auf unsere „12 Fragen an…“.

Arzt der Armen: Prof. Gerhard Trabert behandelt seit 20 Jahren arme und wohnungslose Menschen in Mainz. Herr Dusa dankt. - Foto: Andreas Reeg
Arzt der Armen: Prof. Gerhard Trabert behandelt seit 20 Jahren arme und wohnungslose Menschen in Mainz. Herr Dusa dankt. – Foto: Andreas Reeg

Name: Gerhard Trabert

Partei: parteilos

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Alter: 65

(Erlernter) Beruf: Sozialarbeiter und Arzt

Bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor, und zwar in Stichworten: Was charakterisiert Sie am besten, welche Merkmale sollten Wähler von Ihnen im Kopf haben?

Trabert: Seit Jahren als Arzt engagiert für Menschen am Rande unserer Gesellschaft, insbesondere wohnungslose Menschen, nicht krankenversicherte und geflüchtete Menschen. Initiator und Gründer des Mainzer Modells zur Gesundheitsversorgung von wohnungslosen Menschen, Gründer der Ambulanz ohne Grenzen und Gründer des Vereins Flüsterpost, ein Verein zur Unterstützung von Kindern an Krebs erkrankter Eltern. Als Arzt oft im Einsatz in Krisenregionen. Ich würde mich selbst als Menschenrechtsaktivist bezeichnen wollen.

Frage 1: Warum kandidieren Sie persönlich für den Deutschen Bundestag? Was motiviert Sie dazu?

Trabert: Ich bin enttäuscht von der Politik in Berlin. Unser Gesundheits- und Sozialsystem wurde und wird immer ungerechter, dies wurde gerade in Zeiten der Covid-19 Pandemie ganz deutlich. Immer mehr Menschen fallen durch unser viel zu grobmaschig gewordenes Sozialsystem. Ich habe intensiv auf der praktischen Ebene versucht hier etwas entgegenzusetzen, jetzt versuche ich diesen Widerstand und das Vorstellen von Konzepten und Lösungen die nah bei den Menschen, insbesondere sozial benachteiligten Menschen angesiedelt sind, auf einer gesellschafts-strukturellen Ebene zu tun.

Frage 2: Was möchten Sie für Mainz im Deutschen Bundestag erreichen?

Gerhard Trabert in seinem Arztmobil. - Foto: gik
Gerhard Trabert in seinem Arztmobil. – Foto: gik

Trabert: Dass Mainz sozialer und sozial gerechter wird. U.a. ist der soziale Wohnungsbau ein Muss, die Mobilität muss ebenfalls gefördert werden, ein Sozialticket muss es kostenlos geben, die Teilnahme an Kultur muss auch für einkommensschwache Menschen möglich sein, Foodsharing und Fairtailer, Stadtgärtenbebauung im Sinne einer „Essbaren Stadt“ muss umfassend umgesetzt werden…..

Frage 3: Welches sind die drei wichtigsten Ziele, für die Sie im Deutschen Bundestag streiten wollen? Was wollen Sie unbedingt erreichen?

Trabert:

  • Dass soziale Gerechtigkeit wieder im Fokus des politischen Handels steht u.a. durch die Einführung einer Grundsicherung auch für Kinder.
  • Dass das duale Gesundheitssystem abgeschafft wird. Wir brauchen keine gesetzliche und private Krankenversicherung, wir benötigen eine Bürgerversicherung. Die Eigenbeteiligungen im Gesundheitssystem müssen gestrichen werden. Brillen muss es, als ein Beispiel wieder umsonst, von der Krankenkasse finanziert, geben und die Fahrt zum Kinderarzt mit dem ÖPNV muss kostenfrei sein.
  • Geflüchtete Menschen sind mit Respekt zu behandeln, ihnen muss frühzeitig auch erlaubt werden zu arbeiten. Es muss ein Rettungskonzept für Menschen auf der Flucht, insbesondere im Mittelmeer geben.

Frage 4: Wie wollen Sie es schaffen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen?

Trabert im Kurdengebiet im Norden Syriens, dort unterstützt er die autonome Region Rojava. - Foto; Trabert
Trabert im Kurdengebiet im Norden Syriens, dort unterstützt er die autonome Region Rojava. – Foto; Trabert

Trabert: Klimaschutz muss eine Staatsaufgabe sein. Eine erste Maßnahme muss sein, Kommunen, Wirtschaft und Gesellschaft bis 2035 klimaneutral zu gestalten. Der Kohleausstieg muss bis 2030 umgesetzt werden. Der ÖPNV muss in 5 Jahren überall in Deutschland umsonst sein. Deutschland muss ein 1,5°C-konformes CO2-Budget einhalten

Frage 5: Die Mieten in Mainz steigen und steigen – seit Jahren, Mainz gehört inzwischen zu den zehn teuersten Städten der Republik. Was tun Sie dagegen in Berlin? Wie stehen Sie zu einem Mietendeckel?

Trabert: Ich bin absolut für einen Mietendeckel. Sozialer Wohnungsbau muss Pflicht sein bei dem Bau neuer Immobilien. Hier muss eine Quote von mindestens 30% eingehalten werden.

Frage 6: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein gutes Gesundheitssystem ist – wie wollen Sie die Finanzierung von Krankenhäusern sicher stellen? Setzen Sie sich für eine Abschaffung der Fallpauschalen ab? Und wie kann die Medizin wieder mehr für die Menschen da sein und eine individuelle Behandlung mit Zeit für den Patienten sicher stellen?

Trabert bei der Behandlung des behinderten Abdulkarims im Flüchtlingslager auf Lesbos. - Foto: Trabert
Trabert bei der Behandlung des behinderten Abdulkarims im Flüchtlingslager auf Lesbos. – Foto: Trabert

Trabert: Die Fallpauschalen (DRG) sind abzuschaffen. Die stationäre Gesundheitsversorgung ist eine Dienstleistung und darf nicht einer Ökonomisierung und Profitorientierung untergeordnet werden. Hier muss, steuerfinanziert, die Versorgungsstruktur stabilisiert und ausgebaut werden. Keine weitere Schließung von Krankenhäusern insbesondere im ländlichen Bereich (Negativbeispiel: Ingelheim). Die Bezahlung ärztlicher Leistungen muss strukturell verändert werden. Die sogenannte sprechende (narrative) Medizin muss besser bezahlt werden, hier ist die Gebührenordnung der praktizierenden Ärzte zu revidieren. Die Pflege muss besser bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden.

Frage 7: Sind Sie für eine einheitliche Bürgerversicherung? Und wenn Nein, warum nicht?

Trabert: Ein klares Ja! Es ist das gerechtere Versicherungsprinzip. Das Solidarprinzip wird durch die Unterscheidung gesetzlicher und privater Krankenkassen unterwandert. Mit der Bürgerversicherung würde auch mehr Geld für alle zu versorgenden Menschen in unserer Gesellschaft einfließen. Der Chefarzt sollte die besonders komplizierten Erkrankungsfälle behandeln und nicht die privat Versicherten.

Frage 8: Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft aus, und wie setzen Sie sich dafür im Deutschen Bundestag ein? Wie stehen Sie zur Forderung eines kostenlosen ÖPNV?

Trabert nach seiner Rückkehr vom ersten Einsatz auf der Sea Watch im Mittelmeer. - Foto: gik
Trabert nach seiner Rückkehr vom ersten Einsatz auf der Sea Watch im Mittelmeer. – Foto: gik

Trabert: Wie oben schon beschrieben ist dies, der kostenlose ÖPNV, eine zentrale Forderung von mir.

Frage 9: Wie machen Sie Ihren Bundestagskollegen in Berlin die Bedeutung der Ahrtal-Katastrophe klar?

Trabert: Ich war mehrmals im Ahrtal als Arzt vor Ort und habe Menschen in dieser Notsituation behandelt. Ich war und werde regelmäßig weiterhin mit den betroffenen Menschen im Dialog stehen und dann genau dies, was die Menschen mir aufgrund ihrer Erfahrung berichten, den Bundestagskollegen mitteilen. Ich werde die Menschen nicht vergessen, und ich werde immer wieder von meinen persönlichen Begegnungen berichten. Und ich werde mich für Klimaanpassungsmaßnahmen sowie Katastrophenschutzprojekte einsetzen.

Frage 10: Wie werben Sie für rheinhessischen Wein in Berlin?

Trabert: Das wird eine Schwachstelle meines Engagements darstellen.

Wahlplakat Gerhard Trabert im Bundestagswahlkampf. - Foto: Trabert
Wahlplakat Gerhard Trabert im Bundestagswahlkampf. – Foto: Trabert

Frage 11: Wo liegt Ihre Partei am Abend des 26.9. in Prozentzahlen – und wie traurig sind Sie, wenn es nicht zu Ihrem persönlichen Einzug in den Deutschen Bundestag reicht?

Trabert: Ich bin parteilos!

Ich habe während des Wahlkampfs viel gelernt. Ich habe ein tolles Unterstützungsteam! Und ich habe von vielen, sehr vielen Menschen positive, sehr positive Rückmeldungen zu meiner Kandidatur erhalten. Das ist alles schon ein Gewinn. Dennoch würde ich mich sehr freuen, in den Bundestag von den Menschen direkt gewählt zu werden.

Frage 12: In welchem Fall würden Sie Ihr Mandat niederlegen?

Trabert: Da ich parteilos bin, kann ich mir einen solchen „Fall“ nicht vorstellen. Ich würde immer weiter für Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte im deutschen Bundestag und gegen jegliche Form des Rassismus kämpfen.

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Mehr zu Gerhard Trabert, seinem Engagement auf den verschiedenen Ebenen und seiner Kandidatur für den Bundestag lest ihr hier bei Mainz&, ein Porträt des „Straßen-Docs“ könnt Ihr hier bei Mainz& lesen. Die offizielle Wahlkampf-Seite von Gerhard Trabert findet Ihr hier im Netz. Eine kleine Analyse zum Ausgangspunkt der Bundestagswahl in Mainz sowie den bisherigen Kandidaten und ihren Chancen lest Ihr hier bei Mainz&. Dort findet Ihr auch eine Liste, welchen Direktkandidaten zur Bundestagswahl in Mainz wir den Mainz&-Fragebogen geschickt haben, und welche davon schon erschienen sind, und welche noch kommen.

 

 

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