Jetzt ist es offiziell: Die Landeshauptstadt Mainz geht bei der Vergabe der Direktmandate für den neuen Deutschen Bundestag leer aus. Zwar gewann die CDU-Direktkandidatin für den Wahlkreis Mainz, Ursula Groden-Kranich, den Wahlkreis mit 27,3 Prozent vor dem bisherigen Amtsinhaber Daniel Baldy, der auf 23,7 Prozent kam – in den Bundestag zieht die CDU-Siegerin trotzdem nicht ein. Damit ist Groden-Kranich eine von bundesweit 23 Wahlkreisgewinnern, denen der Sitz im Bundestag verwehrt wird. Scharfe Kritik daran kommt von der CDU: Hier werde der Wählerwillen „mit Füßen getreten“. Wahlsieger Friedrich Merz (CDU) kündigte an, die Wahlrechtsreform korrigieren zu wollen.

Im Jahr 2023 hatte die Ampel-Regierung nach langem Ringen eine Wahlrechtsreform vorgelegt, deren oberstes Ziel es war, den Bundestag zu verkleinern. Nun ist die Zahl der Sitze auf 630 begrenzt, das Problem dabei: Die Reform trifft vor allem den politischen Gegner CDU und CSU, denn die holen traditionell deutlich mehr Wahlkreise mit der Erststimme als alle anderen Parteien zusammen. Bislang bekamen deshalb die anderen Parteien Ausgleichs- und Überhangmandate, der Bundestag war so nach der Wahl 2021 auf 736 Abgeordnete angewachsen.
Entscheidend für die Sitzvergabe im Deutschen Bundestag ist jetzt allein die Zweitstimme, holt eine Partei mehr Wahlkreise mit der Erststimme, als ihr nach Zweitstimmenquote zustehen, haben die Direktkandidaten das Nachsehen, die ihren Wahlkreis nur mit knapper Mehrheit gewonnen haben. Das benachteiligt vor allem stark umkämpfte Wahlkreise – und damit die Kandidaten, die besonders viel Engagement in ihren Wahlkampf gelegt haben. Zudem war im Vorfeld der Bundestagswahl befürchtet worden, dass ganze Wahlkreise ohne Vertretung im Bundestag bleiben – das bewahrheitete sich nun.
Mainz einer von 23 Wahlkreisen, in denen Sieger leer ausgeht
Wie das ZDF am Montag berichtete, ergab die Auswertung der Wahlkreise durch die Bundeswahlleiterin nun: 23 Gewinner eines Wahlkreises in Deutschland ziehen nicht in den Deutschen Bundestag ein, aus vier Wahlkreisen wird es nicht einen einzigen Abgeordneten geben. Das ist deshalb ein Problem, weil Abgeordnete die Anliegen ihrer Heimat mit besonderem Interesse vertreten: Sie setzen sich für Fördergelder ein und halten die Themen und Interessen ihrer Region besonders stark hoch. Direkt gewählte Abgeordnete fühlen sich dazu ihren Wählern besonders stark verpflichtet – und zwar allen Wählern, egal welcher Partei.

Mainz wird nun künftig durch den SPD-Kandidaten Daniel Baldy vertreten, der am Sonntagabend den Wiedereinzug in den Bundestag über die Landesliste der SPD schaffte. Die Siegerin des Wahlkreises aber, Ursula Groden-Kranich von der CDU, hat das Nachsehen: Mainz gehört zu den drei Wahlkreisen in Rheinland-Pfalz, deren CDU-Sieger keinen Platz im Bundestag erhalten, die beiden anderen kommen aus Ludwigshafen-Frankenthal und aus Trier.
Rheinland-Pfalz sei damit „von den Folgen des von den Ampelparteien beschlossenen neuen Wahlrechts überproportional betroffen“, klagte CDU-Generalsekretär Jo Steiniger. Damit seien „die Erststimmen von 150.000 Wählerinnen und Wähler in Mainz, Trier und dem Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal demnach wertlos“, kritisierte er: „Das führt die Demokratie vor Ort ad absurdum und führt zurecht zu Unverständnis und schadet der Akzeptanz der Wahl.“
Scharfe Kritik der CDU: „Das tritt den Wählerwillen mit Füßen“
„Unsere Kandidaten haben mit unfassbar viel Herzblut und Aufwand wochenlang gekämpft, sie haben die Menschen überzeugt und sich am Ende gegen amtierende Bundestagsabgeordnete durchgesetzt – bleiben aber trotzdem draußen“, kritisierte Steiniger weiter: „Das ist ein Unding.“ Groden-Kranich hatte bereits am Sonntagabend kritisiert: „Ich halte das neue Wahlrecht für falsch, weil der Wählerwille ignoriert wird“, sagte sie auf der Wahlparty der Mainzer CDU. Als direkt gewählte Abgeordnete habe man eine viel größere Verantwortung, „diese Kappung tritt den Wählerwillen mit Füßen“, betonte Groden-Kranich.

Tatsächlich ist nicht nur Rheinland-Pfalz von der Neuregelung stark betroffen, sondern der gesamte Ballungsraum Rhein-Mainz und Rhein-Neckar samt Rheinschiene: Denn auch im Wahlkreis Groß-Geraus und in Darmstadt, in gleich zwei Wahlkreisen in Frankfurt, in Heidelberg, Mannheim, Tübingen und im Rhein-Neckar-Kreis müssen die Wahlkreissieger zu Hause bleiben – sie alle waren CDU-Kandidaten. Damit liegen allein zehn der „verwaisten“ Wahlkreise im mittleren Westen der Republik auf kleinem geographischen Raum – eine klare Benachteiligung der Region.
Wahlsieger Friderich Merz kündigte deshalb am Montag auch an, die Wahlrechtsreform wieder korrigieren zu wollen. Die von der Ampelkoalition beschlossene Reform sei „ein einseitig gegen die Union gerichtetes Wahlrecht“, sagte der CDU-Vorsitzende laut Spiegel Online bei der Analyse der Bundestagswahl – das müsse korrigiert werden. Er wolle deshalb nun mit der SPD über eine erneute Änderung sprechen.
18 der nicht berücksichtigten Wahlsieger kämen von CDU oder CSU, vier städtische Wahlkreise seien komplett verwaist, hätten also überhaupt keinen Abgeordneten. „Das ist inakzeptabel“, betonte Merz: „Ein solches Wahlrecht beschädigt unsere Demokratie.“ Die wahrscheinlichste Möglichkeit, den Wählerwillen zu berücksichtigen, aber die Zahl der Abgeordneten dennoch zu begrenzen, ist eine Vergrößerung der Wahlkreise.
Info& auf Mainz&: Eine ausführliche Auswertung der Bundestagswahlergebnisse mit Zahlen und Fakten für jeden einzelnen Wahlkreis findet Ihr hier bei ZDF Heute online. Die Ergebnisse für die Stadt und den Wahlkreis Mainz gibt’s hier im Internet.