Am Montag startete die Terminvergabe für die Corona-Impfungen für die Prioritätengruppe 1 in Rheinland-Pfalz – es wurde ein einziges Chaos: Zum Start am Montagmorgen brach die Internetseite zur Terminvergabe bei vielen Nutzern erst einmal zusammen, bestimmte Postleitzahlen wurden einfach nicht akzeptiert – in Mainz konnte man sich etwa nur mit der Postleitzahl 55116 registrieren, berichteten Leser. Auch die Telefonhotline war offenbar völlig überlastet. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) sprach von „kleinen technischen Fehlern“ zum Start, die aber ausgeräumt seien. Es habe „einen großen Ansturm“ gegeben, „darüber freuen wir uns sehr“, sagte die Ministerin.

Die Impfungen gegen das Coronavirus laufen in Deutschland nur schleppend an. - Foto: Biontech
Die Impfungen gegen das Coronavirus laufen in Deutschland nur schleppend an. – Foto: Biontech

Der Beginn des Impfstarts für die erste Gruppe mit Priorität 1 war mit großer Spannung erwartet worden, die Impfung ist bislang das einzige Mittel gegen das Coronavirus und könnte Millionen Leben retten. Doch während in anderen Ländern wie den USA, Großbritannien oder Israel bereits hunderttausende Menschen gegen das Coronavirus geimpft wurden, hinkt Deutschland mit seinem Impfstart deutlich hinterher. Derweil verharrt die Zahl der Neuinfektionen weiter auf einem hohen Niveau: Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am ersten Montag des neuen Jahres zwar nur 9.847 Neuinfektionen mit dem Coronavirus, wirklich belastbar ist diese Zahl aber nicht: Wegen der Feiertage und des Wochenendes wurde deutlich weniger getestet, zudem melden viele Gesundheitsämter an den Wochenende ihre Zahlen nur zeitverzögert weiter. In Rheinland-Pfalz wurden am Montag 546 Neuinfektionen gemeldet – aber auch 55 neue Todesfälle.

Insgesamt wurden in Rheinland-Pfalz bis einschließlich Sonntag nach Angaben des Mainzer Gesundheitsministeriums 8.282 Menschen mit dem neuen Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech geimpft, Rheinland-Pfalz steht damit mit einer Impfquote von 1,8 Impfungen pro 1000 Einwohnern auf dem fünftletzten Platz der Bundesländer. Weniger geimpft wurde nur in Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. An der Spitze stehen hingegen laut dem Impfmonitor des RKI Mecklenburg-Vorpommern (7,1 Impfungen pro 1000 Einwohner), Sachsen-Anhalt (6,1 Impfungen), Hessen (5,3 Impfungen) und Bayern (5,0 Impfungen).

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Vergleich der Impfquoten zwischen den Bundesländern beim RKI-Impfmonitor. - Grafik: RKI
Vergleich der Impfquoten zwischen den Bundesländern beim RKI-Impfmonitor. – Grafik: RKI

Bislang wurden vor allem ältere Menschen über 80 Jahren in Pflege- und Altenheimen geimpft, am 7. Januar sollen nun aber auch die 31 Impfzentren in Rheinland-Pfalz ihren Betrieb aufnehmen. Geimpft werden sollen als erstes Ältere über 80 Jahre sowie Mitarbeiter in Pflege und Krankenhäusern – dafür startete am Montag die Terminvergabe in Rheinland-Pfalz. Prompt kam es zu einem massiven Ansturm auf die Terminvergabe, die dafür vorgesehene Internetseite impftermin.rlp.de habe zeitweise bis zu 500.000 Zugriffe in kürzester Zeit verzeichnet, sagte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am Montag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz: „Wir hatten allein am Montag 8,1 Millionen Zugriffe auf die Seite.“

Tatsächlich brach die Internetseite am Morgen unter dem Ansturm völlig zusammen: Die Terminanmeldung sei völlig unmöglich, spätestens beim zweiten Anmeldeschritt breche die Seite komplett weg, berichteten zahlreiche Nutzer am Montagvormittag. Zeitweise sei die Seit gar nicht mehr erreichbar gewesen, in anderen Fällen wurde die jeweilige Postleitzahl des Anmelders schlicht nicht akzeptiert. In Mainz habe man sich etwa nur mit der 55116 anmelden können, andere Postleitzahlen seien nicht akzeptiert worden. Gleichzeitig sei bei der Telefonhotline 115 116 kein Durchkommen gewesen. „Wenn man einen einheitlichen Anmeldetermin festlegt, sollte man auch dafür sorgen, dass die Kapazitäten frei sind“, schimpfte CDU-Stadtrat Thomas Gerster auf Facebook.

Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) bei ihrer Pressekonferenz am Montag in Mainz. - Foto: gik
Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) bei ihrer Pressekonferenz am Montag in Mainz. – Foto: gik

„Es gibt einen großen Ansturm, darüber freuen wir uns sehr“, sagte Bätzing-Lichtenthäler am Montagnachmittag. Bis 14.00 Uhr habe es insgesamt via Telefon oder Internet rund 28.000 Terminregistrierungen gegeben, „das ist eine beeindruckende Zahl“, betonte die Ministerin. Dazu seien rund 15.000 noch offene Terminvergaben per Email verschickt worden. Damit sei absehbar, dass die bis jetzt zur Verfügung stehenden Impfdosen an die Gruppe mit der Priorität 1 auch verimpft werden könnten. Ziel sei es, bis Mitte Februar in den Impfzentren 120.000 Erst-Impfungen durchzuführen, sagte die Ministerin weiter.

Bätzing-Lichtenthäler räumte zudem ein, es habe „anfängliche Stabilitätsprobleme“ bei der Internetseite gegeben, die seien aber „sehr kurzfristig“ und noch vor 10.00 Uhr behoben worden. Es habe zudem „einen technischen Fehler bei der Überprüfung der Postleitzahlen“ gegeben, auch der sei „sehr schnell“ behoben worden. „Seit 12.00 Uhr heute Mittag sind alle Server aktualisiert und die Formularbearbeitung funktioniert“, betonte die Ministerin. Wer sich online für einen Termin registriert habe, erhalte in den kommenden Tagen seine beiden Impftermine „per Email bzw. per Post“ zugeschickt. Das Land appelliere an die Impfwilligen, bei der Telefonhotline eher die Randzeiten zu nutzen, und ansonsten eher den Internetzugang zu nutzen als das Telefon.

Die Internetseite zur Terminvergabe für die Corona-Impfungen in Rheinland-Pfalz war über Stunden am Montag nicht erreichbar. - Foto: gik
Die Internetseite zur Terminvergabe für die Corona-Impfungen in Rheinland-Pfalz war über Stunden am Montag nicht erreichbar. – Foto: gik

Allerdings gehören zur ersten Impfgruppe vor allem über 80-Jährige, die oft entweder gar kein Internet haben oder Schwierigkeiten mit dem Sehen oder dem Verständnis der Seite haben – während des Anmeldeprozesses würden durchaus komplizierte Fragen gestellt, berichteten Nutzer. Über die Telefonhotline seien bis 14.00 Uhr insgesamt 1.445 Telefongespräche geführt und Termine vergeben worden, sagte Bätzing-Lichtenthäler weiter – damit konnte die Telefonhotline offenbar nur einen Bruchteil der Terminvergaben übernehmen. Das Land hatte vergangene Woche noch betont, man werde 70 Mitarbeiter an der Hotline einsetzen, man sehe sich gut vorbereitet.

Allerdings besteht offenbar weiter bei Mitarbeitern in Alten- und Pflegeheimen offenbar eine große Impfzurückhaltung, Bätzing-Lichtenthäler kündigte an, das Land wolle nun eine Impfkampagne für die Pflegereinrichtungen und Krankenhäuser starten, um Fragen zu dem Impfstoff zu beantworten. Bislang habe es aber keine schweren Nebenwirkungen bei den Impfungen im Land gegeben, der Impfstoff sei geeignet und sicher.

Auf die Frage, wie gerade die vielen älteren Menschen zu den Impfungen hinkommen sollten, sagte Bätzing-Lichtenthäler: „In Rheinland-Pfalz gibt es ein großes bürgerschaftliches Engagement, eine große Solidarität untereinander.“ Sofern man selbst oder die Kinder keine Möglichkeit zum Fahren habe, könnten ja auch „die Nachbarschaften oder die Vereine vor Ort eingreifen und unterstützen“, sagte sie weiter. Auch die rheinland-pfälzischen Bürgerbusse könnten zum Tragen kommen, die Menschen ansonsten „mal ihre Krankenkasse anfragen“, ob ein Krankentransport organisiert werden könne. „Es sollte gewährleistet sein, dass jeder zu einem Impfzentrum kommt“, sagte Bätzing-Lichtenthäler.

Kritisierte den verpatzten Auftakt zur Impf-Terminvergabe: CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf. - Foto: CDU RLP
Kritisierte den verpatzten Auftakt zur Impf-Terminvergabe: CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf. – Foto: CDU RLP

Die CDU-Opposition kritisierte, Rheinland-Pfalz brauche sofort eine umfassende Informations- und Aufklärungskampagne zum Impfen. „Mit der Aufklärung am Tag der Impfung zu beginnen, ist zu spät“, kritisierte CDU-Fraktionschef und Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Christian Baldauf. Zudem seien viele Senioren auf die Telefon-Anmeldung angewiesen, kritisierte er: „Wenn Gesundheitsministerin Bätzling-Lichtenthäler darauf verweist, dass die Menschen die Online-Terminvergabe im Internet nutzen mögen, lässt dies gerade Seniorinnen und Senioren im Land rat- und hilflos zurück“, betonte Baldauf. Viele von ihnen hätten gar keinen Internetzugang oder keine Angehörigen, die kurzfristig bei der digitalen Anmeldung behilflich sein können.

„Die vom Land installierte Hotline muss deshalb personell stärker ausgestattet werden, damit Warteschleifen nicht zur Tortur für ältere Menschen werden“, forderte Baldauf. Eine schnelle und problemlose Terminvergabe sei offenbar am Montag nicht möglich gewesen, das sei ein Unding: „Ich erwarte, dass die Möglichkeiten der Terminvergabe zum angekündigten Stichtag funktionieren und nicht erst im Nachlauf“, kritisierte Baldauf. Lange Warteschleifen am Telefon oder fehlerhafte Anmelde-Seiten im Netz dürfe es nicht geben. „Dass der Ansturm groß wird, war klar“, betonte Baldauf: „Ich frage mich, warum Gesundheitsministerin und Landesimpfkoordinator die Systeme im Vorfeld nicht ausreichend getestet haben.“

Info& auf Mainz&: Die Internetseite zur Terminvergabe in Rheinland-Pfalz findet Ihr hier im Internet, den Impfmonitor des Robert-Koch-Instituts zum Stand der Corona-Impfungen in den Bundesländern könnt Ihr hier einsehen. In Rheinland-Pfalz gilt neben der Rufnummer 115 116 auch die Telefonnummer 0800 / 57 58 100 als Hotline für die Terminvergabe. In welcher Reihenfolge die Impfungen erfolgen sollen, könnt Ihr könnt Ihr hier im Internet nachlesen. Offizielle Informationen zum Impfen in Rheinland-Pfalz findet Ihr hier bei der Landesregierung.

Kommentar&: Impfstart in Rheinland-Pfalz: Verpennt, verpeilt und schlanken Fuß gemacht 

Stell Dir vor, es ist Impfstart gegen ein potenziell tödliches Virus – und die Regierung ist einfach mal nicht vorbereitet. Man sollte wirklich nicht glauben, dass Deutschland seit Monaten auf die rettenden Impfungen gegen das Coronavirus hingefiebert hat – die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat es offenbar nicht nötig gehabt, sich gründlich vorzubereiten. 8,1 Millionen Zugriffe auf die Internetseite zur Terminvergabe? Hätte ja keiner ahnen können, gell? Hochbetagte Senioren nutzen eher das Telefon statt Internet – och, wie jetzt, echt? 1400 Terminvergaben via Telefon – muss ja reichen.

Deutschlands Impfstrategie: verpeilt, verpennt, am Virus vorbei - so sieht es auch der Karikaturist Ralf Böhme. - Copyright: RABE Cartoon
Deutschlands Impfstrategie: verpeilt, verpennt, am Virus vorbei – so sieht es auch der Karikaturist Ralf Böhme. – Copyright: RABE Cartoon

280.000 Menschen gehören in Rheinland-Pfalz in die Impfgruppe 1 der höchsten Priorität, ein Großteil davon sind genau die über 80-Jährigen, die zur am stärksten gefährdeten Gruppe durch das Corona-Virus gehören – und niemand konnte sich vorstellen, dass genau die so schnell wie möglich geimpft werden wollen? Stattdessen fehlen Updates und Datenbank-Einstellungen für so banale Dinge wie Postleitzahlen – das sind Anfängerfehler in der IT, so etwas ist zum Start einer so wichtigen Impfkampagne schlicht nicht zu entschuldigen. Da muss man sich wirklich fragen: hat sich irgendjemand in der Landesregierung wirklich darum gekümmert, dass die Technik an so einem entscheidenden Tag auch tatsächlich einsatzbereit ist?

Natürlich: Die Corona-Impfungen sind die größte Impfkampagne, die Deutschland je gesehen hat – aber vom Himmel gefallen ist sie nicht. Seit Monaten laufen angeblich die Vorbereitungen dafür, der Start der Terminvergabe wurde groß angekündigt – das so etwas wegen Anfängerfehlern ins Wasser fällt, ist mehr als peinlich: Es ist zynisch. Hier geht es um nichts weniger als Menschenleben, es geht um die Ängste einer hochbetagten Bevölkerungsgruppe, um Einsamkeit, Eingesperrtsein und die Angst der Angehörigen vor dem Wegsterben durch Ansteckung.

Und die Landesregierung? Eröffnet ein zynisches Rennen um den viel zu knappen Impfstoff nach dem Motto: First come, first serve. Wer Zeit und Internetwissen hat oder Angehörige mit beidem, bekommt schnell einen Impftermin, wer das nicht konnte und aufs Telefon angewiesen ist oder gar solidarisch abwarten wollte, bis der erste Ansturm vorbei ist, dürfte jetzt in die Röhre gucken: 28.000 Impftermine wurden am Montag vergeben, das ist gerade einmal ein Zehntel der Prioritätengruppe 1. Man werde wohl 120.000 Erstimpfungen bis Mitte Februar haben, sagt die Ministerin – das ist gerade einmal die Hälfte der Betroffenen.

Deutschland hat beim Impfdampfer gegen das Coronavirus das Nachsehen - so sieht es auch der Karikaturist Ralf Böhme. - Copyright: RABE Cartoon
Deutschland hat beim Impfdampfer gegen das Coronavirus das Nachsehen – so sieht es auch der Karikaturist Ralf Böhme. – Copyright: RABE Cartoon

Und der Rest? Wie lange sollen die warten? März? April? Das ist kein faires Verteilungssystem, sondern ein zynisches „Survival of the fittest“: Wer sich vordrängt, wer schnell ist und rücksichtslos, der kommt zum Zuge – der Rest kann sehen, wo er bleibt. Der Impfstoff ist viel zu knapp bemessen, weil die EU es verpennte, sich rechtzeitig genügend Dosen von Biontech und Pfizer zu sichern – und die Bundesregierung steuerte viel zu spät nach. Aus der Impfstrategie wird gerade ein Rennen um die ersten Impfdosen – es ist ein zynischer Kampf jeder gegen jeden.

Einen schlanken Fuß macht man sich dazu noch beim Land Rheinland-Pfalz bei der Frage: wie sollen die Hochbetagten eigentlich zum Impfen hinkommen? Jahrelang hat das Land die Strategie propagiert, Ältere sollen möglichst lange Zuhause wohnen bleiben. Wie man jetzt aber den Impfstoff zu ihnen bekommt – dazu gibt es keinen Plan, keine Strategie. Da müssten eben Nachbarschaft und Vereine einspringen, sagte die Ministerin heute – mehr Schulterzucken und Gleichgültigkeit geht wirklich nicht. Die bittere Botschaft dabei: Wer sich auf diese Regierung verlässt, steht verloren da. Das aber fördert keine Solidarität oder Hilfsbereitschaft – sondern lediglich Egoismus, Ellenbogen und rücksichtsloses Vordrängen.

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