Trotz des rapiden Vormarsches der neuen Delta-Variante lockert Rheinland-Pfalz weiter seine Corona-Regeln: Ab kommendem Freitag, den 2. Juli, werden Privatfeiern mit bis zu 100 Personen wieder möglich, bis zu 25 Freunde dürfen sich wieder treffen – und Feste und Großveranstaltungen werden sogar für bis zu 5.000 Teilnehmer wieder möglich. Derweil macht die Delta-Variante bereits bis zu 50 Prozent der Neuinfektionen aus, ein rapider Anstieg. Neueste Zahlen aus Großbritannien und Australien zeigen: die neue Virus-Mutante führt zu deutlich mehr Krankenhauseinweisungen, Ansteckungen können schon im Vorbeigehen geschehen. Rheinland-Pfalz setzt zum Schutz vor wieder steigenden Infektionen auf die „3G-Regel“: Zutritt in Innenräumen nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete.

Pressekonferenz in der Mainzer Staatskanzlei am Dienstag zu weiteren Cortona-Lockerungen. - Foto: gik
Pressekonferenz in der Mainzer Staatskanzlei am Dienstag zu weiteren Cortona-Lockerungen. – Foto: gik

„Die Menschen in Deutschland haben es durch große Disziplin in langen und für viele auch harten Monaten des Lockdowns geschafft, dass bei uns die Inzidenzen sinken und wir einen schönen Sommer genießen können“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Dienstag in Mainz. Auch die steigende Impfquote bringe wieder mehr Freiheiten und macht den Urlaub sicherer, „wir können uns trauen, weitere Schritte nach vorne zu gehen“, sagte Dreyer. Das rheinland-pfälzische Kabinett beschloss deshalb am Dienstag weitere umfangreiche Lockerungsschritte, die schon ab dem 2. Juli gelten.

In Rheinland-Pfalz könnten sich jetzt „wieder mehr Freunde treffen und Gemeinschaft genießen“, betonte Dreyer – das sei ausdrücklich auch als Zeichen an die Jugend gedacht. Ab Freitag können sich so wieder bis zu 25 Personen aus verschiedenen Hausständen treffen, auf Privatfeiern sind bis zu 100 Gäste möglich. An Veranstaltungen können sogar wieder bis zu 350 Personen in Innenräumen und bis zu 500 Personen im Freien teilnehmen. Liegt die Sieben-Tages-Inzidenz in einer Kommune unter 35, kommen sogar Konzerte, Sportevents und Volksfeste zurück: An Groß-Veranstaltungen im Freien ohne feste Plätze – etwa auf einem Festplatz oder in einem Park – dürfen bis zu 5.000 Zuschauer wieder teilnehmen. Auch größere Veranstaltungen seien in Abstimmung mit den örtlichen Behörden zulässig, sagte Dreyer.

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Gleichzeitig kritisierte Dreyer aber die UEFA für die vollen Stadien bei der Fußball-EM: „Es ist wirklich ein sehr, sehr schlechtes Signal, dass wir Stadien sehen, die komplett voll sind“, sagte Dreyer, es sei „sehr schade, dass die UEFA da nicht einschreitet und deutlich macht: Abstand ist immer noch das Gebot der Stunde.“ Die UEFA sende damit das falsche Signal, das die Pandemie vorbei sei.

Volksfeste dürfen nun auch in Rheinland-Pfalz wieder stattfinden - bei einer Inzidenz unter 35. - Foto: gik
Volksfeste dürfen nun auch in Rheinland-Pfalz wieder stattfinden – bei einer Inzidenz unter 35. – Foto: gik

Wieder öffnen dürfen auch Clubs und Discotheken, sie dürfen bis zu 350 Besucher einlassen – Voraussetzung sind allerdings eine gute Lüftungsanlage und der Zutritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete, für alle anderen gilt eine Testpflicht. Rheinland-Pfalz öffnet zudem die Bordelle wieder und streicht die Maskenpflicht bei körpernahen Dienstleistungen. Große Lockerungen gibt es auch in Gastronomie und Hotellerie: Hier entfällt die Maskenpflicht für Servicemitarbeiter, die allerdings einen tagesaktuellen Test vorweisen müssen, für Gäste entfällt die Testpflicht im Inneren sowie die Vorausbuchungspflicht. In Hotels gilt die Testpflicht nur noch bei Anreise statt alle 48 Stunden. Die Vorausbuchungspflicht entfällt außerdem für Zoos, Museen, Galerien und ähnliche Einrichtungen.

Auch das Singen kehrt langsam zurück: In der Laienkultur sind Proben in Gruppengröße wieder erlaubt, auch das Singen im Gottesdienst werde wieder zugelassen, solle aber in den Kirchen „auf ein Minimum beschränkt bleiben“, sagte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD).  Dreyer unterstrich, solch starke Eingriffe in Kollektivrechte der Menschen könnten „auf Dauer keinen Bestand haben“, deshalb nehme man Einschränkungen zurück – gerade auch angesichts der weiter fallenden Infektionen. Rheinland-Pfalz meldete am Dienstag eine Sieben-Tages-Inzidenz von 5,3 landesweit, in den vergangenen sieben Tagen gab es gerade einmal 216 neue Fälle. Aktuell sind aber noch immer 1.354 Menschen nachweislich an dem Coronavirus erkrankt. Die Menschen wüssten ja nun, „wie man sich schützen kann, auch das ist eine Perspektive“, betonte Dreyer.

Warnt aktuell dringend vor der neuen Delta-Variante: RKI-Chef Lothar Wieler. - Foto: gik
Warnt aktuell dringend vor der neuen Delta-Variante: RKI-Chef Lothar Wieler. – Foto: gik

Gleichzeitig aber ist auch in Deutschland die neue Delta-Mutante stark auf dem Vormarsch: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) macht die aus Indien stammende Mutante bereits jetzt rund 50 Prozent der Neuinfektionen in Deutschland aus. Die delta-Variante breite sich besonders bei jungen Menschen zwischen 15 und 34 Jahren aus, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler vergangenen Freitag, und warnte: Durch Delta müssten doppelt so viele Covid-19-Erkrankte in Krankenhäuser eingewiesen werden wie bei der älteren Alpha-Variante. Bisherige Daten aus dem Vereinten Königreich sprächen nicht für eine mutmaßlich geringere Gefährlichkeit der Delta-Mutante, betonte Wieler.

Experten wie der Immunologe Carsten Watzl rechnen deshalb schon im Juli mit wieder ansteigenden Ansteckungszahlen – und mit einer vierten Corona-Welle nach den Sommerferien. B.1.617.2 ist noch einmal deutlich ansteckender als die ohnehin schon hochansteckende Alpha-Mutante, die im März die dritte Corona-Welle in Deutschland auslöste, das Risiko, dass eine infizierte Person andere Mitglieder des gemeinsamen Haushaltes anstecke, liege bei rund 60 Prozent oder höher, warnte gerade die britische Public Health Behörde in England (PHE), wie der Spiegel berichtet.

Infektion im Vorübergehen: So geschehen mit der Delta-Variante in einem australischen Einkaufszentrum. - Foto: gik
Infektion im Vorübergehen: So geschehen mit der Delta-Variante in einem australischen Einkaufszentrum. – Foto: gik

Aus Australien liegen zudem Berichte vor, nach denen sich Personen sogar beim flüchtigen Vorbeigehen ansteckten: In einem Einkaufszentrum von Sydney hatten sich zwei Personen bei einem infizierten Mann angesteckt, als sie nur kurz an dem Mann vorbeiliefen, das belegten Aufzeichnungen aus Überwachungskameras sowie Ergebnisse von Virus-Sequenzierungen. Die Millionenstadt Sydney wurde nun für 14 Tage komplett abgeriegelt, um eine weitere Ausbreitung der Delta-Variante zu verhindern, gleiches erlebte bereits die portugiesische Hauptstadt Lissabon. Erhebliche Ansteckungswellen gibt es derzeit auch in Russland und in Israel – trotz der hohen Impfquote in dem Land.

Gegen Delta helfe denn auch nur eine vollständige Impfungen mit zwei Impfdosen, betonte Gesundheitsminister Hoch am Dienstag, und warnte eindringlich davor, die zweite Impfung einfach zu verpassen – etwa wegen Urlaubsplänen. In Rheinland-Pfalz haben inzwischen zwar 54,7 Prozent der Menschen eine erste Impfung bekommen, aber nur 34,3 Prozent eine zweite. Im Juni sei man sehr gut vorangekommen, betonte Hoch aber: Die Warteliste habe sich von 400.000 Menschen Anfang Juni inzwischen auf nur noch 35.000 Personen der Priogruppe 3 reduziert. Gleichzeitig warten aber auch rund 100.000 Menschen ohne Priorisierung weiter auf einen Impftermin.

Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) mit einem Gebärdendolmetscher. - Foto: gik
Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) mit einem Gebärdendolmetscher. – Foto: gik

Der große Run auf die Corona-Impfungen hat sich inzwischen abgeflacht, das Land plant deshalb im Herbst Impfkampagnen und will dann auch für die Corona-Impfungen werben. Due gute Nachricht: Die prognostizierten Lieferungen von deutlich weniger Impfdosen für Juli werden so nicht eintreten, allein für die kommende Woche rechnet das Land sogar mit einem deutlichen Plus an Impfdosen: „Es sind 192.000 Dosen, mit denen wir in der kommenden Woche rechnen“, sagte Hoch, es gebe Sonderlieferungen von Johnson & Johnson sowie von AstraZeneca und von Moderna.

Eine vierte Welle könnte zudem durch Reiserückkehrer ausgelöst werden, debattiert wird deshalb derzeit erneut über Quarantäne und Testpflichten. Dreyer sagte, sie könne sich vorstellen, dass fünf Tage nach Rückkehr ein zweiter Test vorgeschrieben werde, das könne die Sicherheit erhöhen. Man dürfe „nicht noch mal so einen Jojo-Effekt haben wie in der Vergangenheit“, betonte Dreyer, „unser Ziel ist, dass wir nicht noch mal in den Lockdown gehen.“ Sie wolle auch „ungern in eine Situation kommen, wo wir den Kindern noch mal sagen müssen, dass sie zuhause bleiben müssen“, betonte die Ministerpräsidentin, „alles, was wir tun können, tun wir.“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der PK am Dienstag. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der PK am Dienstag. – Foto: gik

Erreicht werden soll das nun mit Hygienekonzepten und der „3-G-Regel“: Für den Innenbereich gelte, „Zutritt haben Geimpfte, Genesene oder Getestete“, betonte Dreyer, sie sei „sehr zuversichtlich, dass wir uns mit dem Schutzpaket diese Maßnahmen trauen können.“ Gerade in den Schulen wird das allerdings anders gesehen, Lehrerverbände, Gewerkschaften und Schüler kritisieren die Aufhebung der Maskenpflicht im Unterricht am Sitzplatz scharf, der Philologenverband fordert etwa die Wiedereinführung. Gefordert werden auch flächendeckende Luftfilter in allen Klassenräumen, der Hygieniker der Mainzer Unimedizin, Wolfgang Kohnen, lehnte das jedoch ab: „Frische Luft ist das beste“, sagte Kohnen, die werde durch Luftfilter nicht geliefert.

Der Mainzer Virologe Bodo Plachter betonte zudem, Kinder infizierten sich zwar mit Covid-19, erkrankten aber nicht schwer. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnt hingegen seit Tagen: „Dass Covid für Kinder harmlos ist, gilt meiner Ansicht nach für die Delta-Variante nicht.“ Spätestens im Herbst werde das in den Schulen zum Problem, wenn Kinder ungeimpft blieben, die Ständige Impfkommission müsse deshalb ihre Empfehlung zur Impfung von Kindern überdenken, forderte Lauterbach in einem Interview mit der „Rheinischen Post“.

Wie sicher sind Klassenräume? Bei diesem Feldversuch wurden Aerosole und Luftreiniger gemessen. - Foto: gik
Wie sicher sind Klassenräume? Bei diesem Feldversuch wurden Aerosole und Luftreiniger gemessen. – Foto: gik

„Es werden vermehrt Fälle bei Kindern auftreten, schon jetzt sehen wir größere Ausbrüche der Delta-Variante in Schulen“, warnte auch RKI-Chef Wieler bereits vergangene Woche – und plädierte eindringlich dafür, Schutzmaßnahmen in Schulen bis zum kommenden Frühjahr beizubehalten. „Wir empfehlen, dass in Schulen weiter getestet und Mund-Nasen-Schutz getragen wird“, sagte Wieler der Rheinischen Post. Auch Kinder könnten schwer erkranken, dazu komme „natürlich das Ziel, dass die Schulen offen bleiben.“ Schon jetzt stellt das RKI vermehrt größere Ausbrüche von Delta-Infektionen an Schulen fest, so etwa in Rheine und Werl, in Dresden, Hamburg und an einer Frankfurter Grundschule, wie das Internetportal News4Teachers berichtet.

Die CDU-Opposition fordert die Landesregierung auf, die Schulen flächendeckend mit effektiven Luftreinigern auszustatten: Die Schulen müssten jetzt sicher für den Herbst gemacht werden, allein auf frische Luft zu setzen, reiche nicht aus, sagte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf. „Es ist dauerhaft vollkommen unzumutbar, unsere Kinder im Winter bei Minustemperaturen in den Klassenzimmern Dauerlüften mit Daunenjacke auszusetzen“, kritisierte Baldauf, das seien „keine angemessenen Lernbedingungen.“

Das Land müsse umgehend seine Förderrichtlinien für Luftfilteranlagen anpassen: „Regelungen, die – zugespitzt formuliert – nur fensterlose Kellerräume berücksichtigen, gehen an den Notwendigkeiten vorbei und lassen am ernsthaften Willen der Landesregierung, hier eine echte Lösung anzubieten, zweifeln“, betonte Baldauf. Nur ein Konzept für gesunde Luft, das aus einer Kombination von Lüften UND Luftreinigungsgeräten bestehe, weder den tatsächlichen Anforderungen gerecht.

Info& auf Mainz&: Mehr zur aktuellen Delta-Variante haben wir hier auf Mainz& berichtet. Mehr zum Thema Luftreiniger und dem aktuellen Stand der Debatte sowie einen Online-Kalkulator für Luftreiniger lest Ihr hier auf Mainz&. Mainz& hat mehrfach über Studien zur Wirksamkeit von Luftreinigern berichtet, über ihre Effektivität gegen Viren und Aerosole haben wir hier bei Mainz& berichtet, eine Reportage über einen Feldversuch mit Luftreinigern in einem Mainzer Gymnasium lest Ihr hier. Alle Corona-Regeln für Rheinland-Pfalz könnt Ihr im Detail hier beim Land Rheinland-Pfalz nachlesen.

 

 

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