Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt und steigt, in Mainz wurde am Dienstag die Rekordmarke von 2.358 bei der Sieben-Tage-Inzidenz erreicht. Damit sind auch immer mehr Menschen tatsächlich krank, die Zahl der infizierten Lehrer und Schüler ist hoch, höher noch sind sie in den Kitas. Trotzdem beendet die Politik am kommenden Wochenende nahezu alle Corona-Maßnahmen, gegen zunehmende Ausfälle am Arbeitsplatz soll eine „Arbeitsquarantäne“ helfen. Virologen kritisieren vor allem den Wegfall der Maskenpflicht beim Einkaufen und in öffentlichen Gebäuden und warnen: Das Virus könnte so außer Kontrolle geraten.

Die Corona-Welle rauscht weiter durch Deutschland, die Politik indes schmeißt sämtliche Steuerungsmöglichkeiten über Bord - so sieht es auch Karikaturist Ralf Böhme. - Grafik: Rabe Cartoon
Die Corona-Welle rauscht weiter durch Deutschland, die Politik indes schmeißt sämtliche Steuerungsmöglichkeiten über Bord – so sieht es auch Karikaturist Ralf Böhme. – Grafik: Rabe Cartoon

Die Corona-Pandemie ist weiter akut, Deutschland erlebt eine Infektions-Welle mit dem Coronavirus, wie es sie im Verlauf der vergangenen zwei Jahre noch nie gab: 268.477 Neuinfektionen meldete das Robert-Koch-Institut allein am Mittwochmorgen, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bundesweit inzwischen bei 1.663. Rheinland-Pfalz meldete am Dienstag gar eine Inzidenz von 1.747 – und in Mainz liegt der Wert inzwischen bei satten 2.358. Die zweite Omikron-Welle hat das Land fest im Griff: Immer mehr Menschen stecken sich mit der hoch-infektiösen Variante an, viele mit deutlichen Krankheitssymptomen.

Bleischwere Glieder, zum Teil hohes Fieber und heftige Erkältungssymptome – Covid-19 ist weiter keine harmlose Krankheit. Dazu melden immer mehr Corona-Erkrankte auch im Nachhinein schwere Beeinträchtigungen etwa durch das Fatigue-Symptom, viele Corona-Erkrankte brauchen im Nachhinein W0chen, um wieder vollständig fit zu werden. Auch Gestorben wird weiter an der Krankheit: Das RKI meldete am Mittwoch erneut 348 Todesfälle in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung. Damit sterben weiterhin jeden Tag so viele Menschen in Deutschland an dem neuen Virus wie beim Absturz eines Großflugzeuges.

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Reaktionen löst das schon lange nicht mehr aus: Zwar warnte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch vor wenigen Wochen, Deutschland dürfe sich doch nicht an so hohe Todeszahlen pro Tag gewöhnen, doch genau das ist offenbar der Fall. Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz strich die Bundesregierung selbst zum 2. April praktisch sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen. Keine Maskenpflicht mehr in öffentlichen Gebäuden, keine Maskenpflicht mehr beim Einkaufen, kein Abstandsgebot mehr, keine Kontaktbeschränkungen, keine Obergrenzen mehr bei Veranstaltungen – übrig bleiben soll lediglich ein „Basisschutz“ für vulnerable Gruppen.

Leere Mahnungen, anderslautende Gesetze: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). - Screenshot: gik
Leere Mahnungen, anderslautende Gesetze: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). – Screenshot: gik

Damit gilt auch in Rheinland-Pfalz ab dem 2. April nur noch eine Maskenpflicht in Krankenhäusern, in Arztpraxen, in Pflegeeinrichtungen oder im ÖPNV – alle anderen Schutzmaßnahmen entfallen. Der Bund hatte den Ländern lediglich die Option offen gelassen, Regionen zu „Hotspots“ zu erklären, wenn in ihnen eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. Bisher hat lediglich Mecklenburg-Vorpommern davon gebrauch gemacht, der Stadtstaat Hamburg will am Mittwoch nachziehen. Das rheinland-pfälzische Kabinett lehnte indes am Dienstag eine Hotspot-Regelung für Rheinland-Pfalz ab – auch in Mainz regiert eine Ampel-Koalition unter Beteiligung der FDP.

Die Liberalen hatten den Ampel-Koalitionspartnern im Bund praktisch die neuen Infektions-Regeln diktiert, SPD und Grüne konnten sich gegen den kleinsten der drei Koalitionspartner nicht durchsetzen. Gesundheitsminister Lauterbach appellierte nun zwar an die Su0perarmkt-Betreiber, doch bitte bei der Maskenpflicht zu bleiben, die lehnten aber ab: Ohne eine rechtliche Grundlage sei das nicht möglich. Auch Lauterbachs Appell an die Länder, nun doch bitte von der Hotspot-Regel gebrauch zu machen, verhallte bislang weitgehend ungehört: Die Länder kritisieren die Bundesvorgaben für die Hotspots als zu uneindeutig, damit drohen umgehend Klagen gegen Hotspot-Regelungen.

Experten mahnen: Das Ende der Maskenpflicht kommt zu früh. - Foto: MPIC
Experten mahnen: Das Ende der Maskenpflicht kommt zu früh. – Foto: MPIC

Auch der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) klagte am Dienstag, das Bundesgesetz nehme den Ländern „jede Möglichkeit flexibler Schutzmaßnahmen.“ Eine konkrete Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems, wie sie eine Hotspot-Regel voraussetze, sei bisher in Rheinland-Pfalz nicht gegeben, sagte Hoch weiter, und betonte zugleich: „Die Lage ist in unseren Krankenhäusern vor allem im Hinblick auf den Ausfall von Mitarbeitenden ernster als sie jemals war.“

Denn mit der derzeit grassierenden Omikron-Welle fallen immer mehr Mitarbeiter krankheitsbedingt aus – und das nicht nur in den Krankenhäusern: Die ESWE Verkehr musste bereits wieder den Verkehr auf einzelnen Buslinien reduzieren, weil es zu viele Corona-Erkrankungen gebe. An den Schulen in Rheinland-Pfalz gibt es derzeit nach Angaben des Landes 23.470 Infektionsfälle bei Schülern und 2.647 bei Lehrern, an 19 Schulen im Land sind ganze Klassen in Quarantäne.

 

Schlimmer sieht es in den Kitas aus: Von 2.600 Kitas in Land waren am 25. März 158 Kitas von Teilschließungen betroffen, 51 Kitas waren sogar ganz dicht. In manchen Kitas sei nur noch ein Notbetrieb möglich, berichtete Claudia Theobald vom Kita-Fachkräfteverband Rheinland-Pfalz: Unter den Erzieherinnen werden derzeit 2.586 Infektionsfälle gezählt, sowie 4.767 unter den Kita-Kindern. Die Übertragungen würden derzeit eindeutig aus dem Schulbetrieb gespeist, sagte Virologe Christian Drosten Anfang Februar – von dort habe sich das Virus dann in den Eltern verteilt und komme nun so langsam wieder in der Generation der über 60-Jährigen an.

"Es gilt jetzt das Prinzip der Eigenverantwortung": Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). - Foto: gik
„Es gilt jetzt das Prinzip der Eigenverantwortung“: Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). – Foto: gik

„Experten warnen denn auch: Gerade in den nächsten Wochen werde die jüngste Welle wieder die Generation der Älteren erreichen – und dann werde auch die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen wieder deutlich steigen. Trotzdem setzt die Politik nun auf den Abbau sämtlicher Maßnahmen. „Es gilt jetzt das Prinzip der Eigenverantwortung“, sagte Gesundheitsminister Hoch am Dienstagabend im SWR Fernsehen: „Es gilt im Moment: Wir haben das Schlimmste wohl überstanden.“

Experten sind sich da nicht so sicher: So warnt etwa die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Institut in Braunschweig genau wie Drosten davor zu glauben, der Sommer werde sorglos und Corona-frei: „Wir sehen ja auch gerade in Hongkong, dass auch die Omikron-Variante zu sehr schweren Verläufen und auch zum Tode führen kann“, sagte Brinkmann dem Spiegel,  das gelte gerade für ältere Menschen und vulnerable Gruppen. Es werde auch im Sommer weiter ein Infektionsgeschehen geben, Brinkmann kritisierte denn auch, das Aufheben der Maskenpflicht komme zum falschen Zeitpunkt.

Gerade FFP2-Masken schützen herausragend gut vor dem Virus, haben Studien wieder und wieder belegt. - Foto:
Gerade FFP2-Masken schützen herausragend gut vor dem Virus, haben Studien wieder und wieder belegt. – Foto: MPI

Masken seien eine einfache und höchst effektive Methode, sich und andere vor dem Virus zu schützen, mahnen in diesen Tagen gleich reihenweise Experten – trotzdem gibt die Politik diesen Schutz gerade auf. Das Maskentragen „hilft sehr“, betonte Gesundheitsminister Hoch im SWR Fernsehen – anstatt Regeln zu erlassen, verlegt sich die Politik nun auf Bitten und Appelle. „Das Infektionsgeschehen bleibt weiterhin dynamisch, die Fallzahlen bewegen sich nach wie vor auf höchstem Niveau“, betonte Hoch. Masken weiter zu tragen, stehe deshalb nicht nur jedem frei, sondern sei „in der aktuellen Lage sogar dringend geboten, wo sich Menschen spontan begegnen oder sich nicht kennen.“

 

Gleichzeitig spricht sich Rheinland-Pfalz aber auch für eine Lockerung der Quarantäneregeln aus – so wolle man die „dramatische Belastung“ in den Kliniken durch den Ausfall von Personal begegnen. Der Bund habe in der Gesundheitsministerkonferenz am Montag angekündigt, „die Absonderungsregelungen anzupassen und hier eine Entlastung zu schaffen“, teilte Hoch am Dienstag mit. Rheinland-Pfalz will erreichen, dass sich Menschen mit einer asymptomatischen Infektion nicht mehr in die Absonderung begeben müssen.

Rheinland-Pfalz plant eine Arbeitsquarantäne. - Foto: gik
Rheinland-Pfalz plant eine Arbeitsquarantäne. – Foto: gik

Rheinland-Pfalz wolle nun eine sogenannte Arbeitsquarantäne ermöglichen, kündigte der Minister an, damit sollen symptomfreie Menschen wieder an die Arbeitsstätte zurückkehren können. Das Instrument der Arbeitsquarantäne könne nach Absprache zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern vereinbart werden, dabei würden aber strenge Maßnahmen wie eine FFP2-Maskenpflicht und ein Mindestmaß an Kontakten gelten. Zudem könne so leichter auch die Versorgung von infizierten Patientinnen und Patienten durch infiziertes, aber nicht erkranktes Personal sichergestellt werden, sagte Hoch weiter. Eine bisher erforderliche Genehmigung durch die Gesundheitsämter werde entfallen.

Für die Schulen kündigte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) zunächst  eine Weiterführung von zwei Tests pro Woche an, das gelte auch noch eine Woche lang nach den Osterferien. „Wie es danach weitergeht, werden wir mit Blick auf die Gesamtsituation entscheiden und frühzeitig informieren“, sagte Hubig weiter. Lerngruppen müssten sich auch weiterhin nach Auftreten eines Infektionsfalls für fünf aufeinanderfolgende Schultage selbst testen. Auch im Bereich der Kitas werde die anlassbezogene Testpflicht fortgesetzt, nach einem Infektionsfall bestehe für alle Kontaktpersonen eine Absonderungspflicht – eine Rückkehr ist mit einem negativen Test aber weiter schon am nächsten Tag möglich.

Info& auf Mainz&: Alle aktuellen Corona-Regeln und Verordnungen findet Ihr weiter hier im Internet beim Land Rheinland-Pfalz. Einen Podcast mit Virologin Melanie Brinkmann zur aktuellen Corona-Lage findet Ihr hier bei Spiegel Online.