Kurz nach Ende der Osterferien steigt nun auch in Mainz die Zahl der Corona-Infektionen deutlich wieder an: Am Freitag stieg die Sieben-Tages-Inzidenz in Mainz auf 132, die Landeshauptstadt liegt damit nun wieder deutlich über der Schwelle von 100, ab der scharfe Restriktionen wie die nächtliche Ausgangssperre gelten. Auch landesweit liegt Rheinland-Pfalz nun wieder über der 100er-Schwelle, die Infektionen in Schulen und Kitas sind anhaltend hoch, Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) lehnt dennoch einen scharfen Lockdown zum Brechen der dritten Welle ab – im Gegensatz zu Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Er forderte gemeinsam mit RKI-Präsident Lothar Wieler einen scharfen Lockdown: „Es gilt Menschenleben zu retten.“
Seit Tagen tobt ein heftiger Streit in der Republik, wissenschaftliche Experten fordern nahezu einhellig einen kurzen, aber scharfen Lockdown, um die Dynamik der dritten Corona-Welle zu brechen. Die rollt nun seit dem Ende der Osterfeiertage wieder so richtig an: 228 Neuinfektionen hatte das Gesundheitsamt Mainz-Bingen über die Osterfeiertage gemeldet, davon 115 in Mainz und 113 im Landkreis Mainz-Bingen. „Vor zwei Wochen waren wir gerade mal bei der Hälfte der Fälle“, konstatierte der für das Gesundheitsamt zuständige Beigeordnete Erwin Malkmus, die Entwicklung sei „ernüchternd.“ „Ich weiß, dass wir sicher alle coronamüde sind, aber es nützt nichts jetzt den Kopf in den Sand zu stecken“, mahnte Malkmus.
Zunächst waren nämlich über die Osterfeiertage weniger Corona-Infektionen gemeldet worden als zuletzt, die Sieben-Tages-Inzidenz sank deshalb am Mittwoch kurzfristig in Mainz auf 94, im Landkreis auf 80 – doch die vermeintliche Entspannung war trügerisch: Der Rückgang lag schlicht daran, dass über Ostern weniger getestet und weniger gemeldet wurde. Bereits am Donnerstag sprang die Inzidenz in Mainz wieder auf 108 – am Freitag kam dann das dicke Ende: Die Inzidenz kletterte um 24 Punkte auf 132.
Bundesweit vermeldete das Robert-Koch-Institut mit 25.464 Neuinfektionen so viele an einem Tag wie zuletzt vor Wochen, durch 296 neue Todesfälle kletterte die Zahl der Coviud-19-Toten inzwischen auf mehr als 78.000. „Das sind zu viele Fälle, zu viele Menschen, die sich jeden Tag infizieren, zu viele, die in ein paar Tagen ins Krankenhaus müssen und um ihr Leben ringen werden“, mahnte am Freitag Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Berlin. Die Zahlen sei aktuell sogar noch niedrig, warnte Spahn: Die Zahl der Intensivpatienten steige viel zu schnell, schon jetzt seien bereits wieder mehr als 4.500 Intensivbetten in Deutschland belebt. „Die Ärzte und Pflegekräfte schlagen zurecht Alarm“, sagte Spahn.
In Mainz liegt derzeit der Anteil der freien Intensivbetten gerade einmal bei zehn Prozent, im Landkreis Mainz-Bingen sind gar nach den Zahlen des Intensivregisters DIVI sogar alle Intensivbetten belegt. Gesundheitsminister Spahn forderte angesichts dieser Entwicklung nun ebenfalls einen scharfen Lockdown: „Wir müssen die dritte Welle brechen, und zwar rasch“, forderte Spahn – und nannte explizit Arbeitsplätze sowie Schulen und Kitas als wichtige Hotspots. Kinder müssten zweimal die Woche getestet werden, das gelte auch für Arbeitnehmer in Betrieben.
Es brauche jetzt ein konsequentes und scharfes Einschreiten, „viele Bürger erkennen die Notwendigkeit, die dritte Welle mit zusätzlichen Maßnahmen zu brechen“, betonte Spahn – und fügte zugleich mit Blick auf die abgesagte Bund-Länder-Konferenz mit den Ministerpräsidenten am Montag hinzu: „Aber wenn manche schon die Einschätzung der Lage nicht teilen, wird es schwierig.“ Das ging auch an die Adresse der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die am Donnerstag explizit einen neuen Lockdown abgelehnt hatte. Es brauche keine neuen Maßnahmen, „wir haben alle Instrumente, die wir brauchen“, sagte Dreyer am Donnerstag in Mainz – ein genereller Lockdown gehöre definitiv nicht dazu.
„Der Brückenlockdown ist für mich durch“, betonte Dreyer mit Blick auf die Forderung von CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vom Wochenende, einen zwei- bis dreiwöchigen „Brücken-Lockdown“ zur Brechung der Corona-Dynamik einzusetzen. Spahn stellte sich am Freitag nun hinter Laschets Vorschlag. „Es braucht einen Lockdown, um die dritte Welle zu brechen“, sagte er, das könne „eine Brücke bauen“ zu einer Phase, in der die Inzidenz so weit unter 100 liege, dass testgestützt Öffnungen möglich seien. „Das sind jetzt noch einmal schwere Wochen“, mahnte Spahn, es gehe jetzt aber darum, erneut eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden: „Es geht darum, Menschenleben zu schützen.“
Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts wählte klare Worte zur Beschreibung der Lage: Deutschland sei mitten in der Dritten Welle, sagte Lothar Wieler. „Wir können die dritte Welle nicht mehr verhindern, meine Hoffnung ist aber, sie abzuflachen und die Folgen abzumildern“, betonte Wieler zudem. Der RKI-Präsident räumte ein, die Zahlen seien derzeit nicht ganz zuverlässig, vollständig verlässliche Zahlen werde es wohl erst wieder ab Mitte kommender Woche geben. „Das heißt nicht, dass wir nicht wissen, wo wir stehen“, betonte Wieler zugleich – entscheidend sei derzeit die Entwicklung in den Krankenhäusern.
„Und diese Entwicklung zeigt leider, dass die Lage sehr, sehr ernst ist“, warnte er. Binnen einer Woche sei die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen um 700 gestiegen, das sei ein Zuwachs von 20 Prozent binnen einer Woche. Dazu müssten nun immer mehr Jüngere mit Atemwegsproblemen in Kliniken behandelt werden, sagte Wieler, gerade bei den 35- bis 49-Jährigen seien die Zahlen stark gestiegen. Auch zwischen 15 und 34 Jahren gebe es inzwischen deutlich mehr Krankenhausfälle, warnte Wieler: „Die Intensivstationen füllen sich rasant.“ Umso wichtiger sei es derzeit, sich vor der Krankheit zu schützen. „Die erste Aufgabe ist, die Inzidenz runterzubringen“, mahnte Wieler: „Sich schützen, Leben retten.“
Derweil verzeichnet das Gesundheitsamt in den Schulen und Kitas weiter ein anhaltend hohes Infektionsgeschehen: Aktuell seien in der Stadt Mainz noch immer sechs Schulen und 12 Kindergärten von Coronavirus-Infektionen betroffen, teilte das Gesundheitsamt auf Mainz&-Anfrage mit. In den Schulen seien aktuell fünf Schüler sowie eine Lehrkraft positiv getestet, 174 Schüler sowie 24 Lehrkräfte befänden sich aktuell in Quarantäne. In den städtischen Kitas seien derzeit fünf Kinder sowie sieben Erzieherinnen infiziert, insgesamt befänden sich 199 Kinder und 37 Erzieherinnen in Quarantäne.
Bereits vor Ostern hatte Wieler gewarnt, die dritte Welle breite sich wegen der britischen Corona-Mutation vor allem bei jüngeren Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 12 Jahren besonders stark aus. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow „Lanz“ sogar, gerade Kitas und Schulen würden in den kommenden Wochen „die Hotspots sein.“ Im Gesundheitsamt Mainz-Bingen hieß es, es sei bei Schulen und Kitas „ein größeres Infektionsgeschehen“ festzustellen, das allerdings nicht als „Cluster“ zu klassifizieren sei, weil es nach wie vor „Einzelfälle sind, die aufgrund der Ausbreitung von Mutanten eine großflächigere Quarantäne nach sich ziehen.“
Im Landkreis Mainz-Bingen sind demnach aktuelle zwei Schulen und sieben Kindergärten von Coronavirus-Infektionen betroffen. In den Schulen gibt es Infektionen bei zwei Schülern, 36 Schüler sowie 7 Lehrkräfte befinden sich in Quarantäne. In den Kindergärten des Landkreises sind derzeit drei Kinder sowie vier Erzieherinnen infiziert, insgesamt 142 Kinder und 44 Erzieherinnen befinden sich in Quarantäne.
Info& auf Mainz&: Mehr zu Corona-Infektionen bei Kindern in der Dritten Welle könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen, die Pressekonferenz von Jens Spahn und Lothar Wieler zur aktuellen Corona-Lage könnt Ihr hier auf Youtube selbst noch einmal ansehen.