Einen Tag vor der nächsten Konferenz von Bund und Ländern zeichnet sich bereits ab: Der aktuelle Lockdown wird so schnell wohl nicht beendet werden. Am Montag zeichnete sich eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. Februar ab – das wäre Fastnachtssonntag. Ob es aber auch zu weiteren Verschärfungen kommt, ist unklar: Diskutiert wird eine Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken in der Öffentlichkeit, wie sie seit Montag bereits in Bayern gilt, aber auch verschärfte Ausgangsbeschränkungen – und endlich auch mehr Druck pro Homeoffice auf die Arbeitgeber.
Die derzeit ungeklärte Kernfrage in Deutschland ist: wie sieht es mit den Corona-Neuinfektionen eigentlich wirklich aus? Auch an diesem Montag musste das Robert-Koch-Institut (RKI) erneut einräumen: Die derzeit vorliegenden Zahlen zu den Corona-Neuinfektionen sind weiter nicht belastbar. Damit laboriert Deutschland jetzt bereits seit fast einem Monat mit Zahlen, die das reale Infektionsgeschehen nicht ausreichend abbilden. Über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel wurde deutlich weniger getestet, Labore und Gesundheitsämter arbeiteten vielfach nicht voll, das Ergebnis: Deutlich gesunkene Coronazahlen.
Das RKI warnte derweil noch Anfang Januar: Erst ab dem 17. Januar werde man wieder belastbare Coronazahlen vorlegen können, nun klappte noch nicht einmal das: Wegen Übertragungsfehlern – unter anderem, aus Rheinland-Pfalz – fehlten bei den bundesweiten Coronazahlen schon wieder Hunderte von Neuinfektionen. Das RKI meldete rund 7,100 Neuinfektionen, mindestens 1.600 Fälle aber fehlten da wohl noch, wie die Tagesschau meldete. Rheinland-Pfalz meldete am Montag 4771 Neuinfektionen, über das gesamte Wochenende hinweg infizierten sich aber 918 Personen laut Testergebnissen neu mit dem Coronavirus.
In Mainz kamen über das Wochenende 53 neue Fälle hinzu, im Landkreis Mainz-Bingen waren es 68 Neuinfektionen – und erstmals seit längerer Zeit wurde in der Stadt Mainz kein neuer Todesfall gemeldet, im Landkreis starben jedoch erneut zwei Personen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Immerhin: Die Zahl der Neuinfektionen ist damit weiter gesunken – die Stadt Mainz liegt nun wieder mit einer Sieben-Tagesinzidenz von 95 unter der 100er-Marke. Der Landkreis Mainz-Bingen liegt mit einer Inzidenz von 115 noch leicht darüber.
„Harte Wochen des Lockdowns liegen hinter uns und was kommt, wissen wir noch nicht“, bilanzierte der für das Gesundheitsamt zuständige Beigeordnete des Kreises Mainz-Bingen, Erwin Malkmus. Erfreulich sei, dass die Zahlen der Neuinfektionen langsam nach unten gingen. Allerdings gebe es noch immer Ausbrüche in den Altersheimen, die sich hoffentlich bald vermeiden ließen, wenn alle Bewohner dort durchgeimpft seien. „Dank der Unterstützung der Bundeswehr, der ich besonders für ihren Einsatz danken möchte, sind wir in der Lage, wieder sehr zeitnah die Kontaktnachverfolgung zu betreiben“, betonte Malkmus. Bislang hatten die Gesundheitsämter die Marke von 50 Inzidenzen als die Schwelle ausgegeben, bei der Ansteckungsketten sich naschverfolgen ließen.
Diese Frage ist für die weitere Pandemie-Strategie entscheidend: Bislang versucht die Politik mit Lockdown-Maßnahmen, eine Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohnern zu erreichen, um dann eine konsequente Nachverfolgung der Ansteckungen wieder gewährleisten und Ansteckungsketten so stoppen zu können. Manche Wissenschaftler halten das für überzogen und argumentieren, eine 50er-Inzidenz werde man so schnell nicht erreichen können, diese Strategie ziehe womöglich einen monatelangen Lockdown nach sich – mit gravierenden Folgen für Menschen und Wirtschaft.
„Auch in Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Neuinfektionen zurückgegangen“, sagte denn auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Montag in Mainz – landesweit liege die Inzidenz jetzt bei 106. „Wir sind aber auch noch ein ganzes Stück weit weg von dem, was wir erreichen wollen“, betonte Dreyer zugleich – noch immer sterben pro Tag Hunderte Menschen an den Folgen der Corona-Pandemie. Die Corona-Impfungen verzögern sich derweil weiter: Am Freitag musste die Bundesregierung den Ländern mitteilen, dass eigentlich fest zugesagte Impfstofflieferungen für die kommenden drei bis vier Wochen nicht vollständig eingehalten werden könnten.
Der Grund: Der amerikanische Partner Pfizer des Mainzer Impfstoffentwicklers BionTech hatte überraschend Lieferschwierigkeiten bei dem Impfstoff eingeräumt. Pfizer wolle sein Werk in Belgien umbauen, um mehr Impfstoff herstellen zu können, das werde aber kurzfristig zu einer gedrosselten Menge führen, wie etwa der WDR berichtete. Den Zeitplan für die Impfstoffliegerungen werde man erst ab dem 25. Januar wieder einhalten können. Die Folge: Deutschland und andere Länder werden erst einmal weniger Impfstoff erhalten als geplant, wieviel weniger ist aber noch unklar – mehrere Bundesländer stoppten daraufhin bereits die Terminvergabe für die Corona-Impfungen oder mussten gar Impftermine absagen, so etwa Schleswig-Holstein, Hamburg, Brandenburg oder Bayern.
Eine schnelle Entspannung bei der Corona-Lage rückt damit wieder in die weitere Ferne, dazu treibt die Politiker und Virologen noch eine ganz andere Furcht um: Das mutierte Coronavirus B.1.1.7. ist inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen worden, doch wie weit die neue Variante verbreitet ist, weiß noch immer niemand genau. In Großbritannien, wo die Mutation erstmals entdeckt wurde, explodieren derzeit die Corona-Neuinfektionen, Patienten müssen stundenlang auf Aufnahme in Krankenhäuser warten, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps: Die neue Mutation gilt als bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher verbreitete Corona-Variante.
Auch in Irland sorgt die neue Mutation bereits für verheerende Verhältnisse, Österreich verschärfte gerade seinen Lockdown, nachdem auch hier die Zahlen nach dem Aufkommen von B.1.1.7. sprunghaft stiegen. Nun treibt die deutsche Politik die Angst um, die neue Mutation könne auch in Deutschland für exponentiell steigende Erkrankungen sorgen. Dreyer sagte am Montag, die Anzahl der Untersuchungen von Corona-Proben auf die neue Mutation müsse erhöht werden – zuvor hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) genau das angekündigt. Man müsse Aufschluss bekommen, inwieweit die Mutation in Deutschland derzeit eine Rolle spiele, sagte Dreyer.
Klar ist deshalb einen Tag vor der nächsten Runde von Bundeskanzlerin Angela Merkle (CDU) mit den Ministerpräsidenten schon jetzt: Der Lockdown wird in jedem Fall verlängert. Dreyer sprach sich stellvertretend für die SPD-geführten Bundesländer für eine Verlängerung um zwei Wochen aus, damit würde der bis derzeit Ende Januar angeordnete Lockdown bis zum 14. Februar verlängert. Für die Narren in Mainz ist das pikant: Damit würde der Lockdown bis Fastnachtssonntag gelten und selbst kleinste und Corona-konforme Aktionen im Rahmen der Fastnachtstage praktisch unmöglich machen.
Umstritten ist derzeit unter den Ministerpräsidenten aber, ob der Lockdown zusätzlich auch noch verschärfte werden sollte. In Bayern gilt seit Montag eine Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske im ÖPNV und beim Einkaufen, eine einfache Alltagsmaske reicht dort nun nicht mehr aus – FFP2-Masken bieten deutlich mehr Schutz vor einer Virenansteckung, gerade auch für den Träger selbst. Bayern will einkommensschwachen Haushalten kostenlose Masken zur Verfügung stellen, in Rheinland-Pfalz herrscht hingegen Skepsis: „Ich habe meine Zweifel, dass man FFP2 überall vorschreiben muss“, sagte Dreyer. Eine FFP2-Maske müsse genau angelegt werden und eng sitzen, allerdings herrsche gerade in manchen Städten beim Nahverkehr noch immer zu viel Enge vor.
Die SPD-Länder wollen deshalb offenbar als Alternative vorschlagen, dass das Tragen mindestens eines „medizinischen Mundschutzes“ vorgeschrieben wird, dazu würden dann auch die sogenannten Chirurgenmasken zählen. Wissenschaftler betonen derweil, das Tragen einer FFP2-Maske sei in jedem Fall sinnvoll und könne nachweislich Ansteckungen vorbeugen. Dreyer betonte zugleich, es sei „total wichtig, dass wir mit den Zahlen herunterkommen“, und das nicht nur wegen der neuen Mutation: Auch Pfleger und Ärzte in den Krankenhäusern seien „am Ende ihrer Kräfte, wir brauchen die Entspannung“, betonte die Ministerpräsidentin.
Mehr Druck soll es deshalb nun wohl endlich auf die Arbeitgeber in Sachen Homeoffice geben: „Wir wollen klar machen, dass Homeoffice auf jeden Fall stattzufinden hat, wo immer es möglich ist“, kündigte Dreyer an. Die Mobilität der Menschen sei „weiterhin viel zu hoch“, laut Experten ist die Mobilität in Deutschland trotz Lockdown nur um rund 15 Prozent gesunken – im ersten Lockdown im März 2020 waren es hingegen zeitweise bis zu 40 Prozent. Als Hauptursache dafür gilt, dass noch immer zu viele Firmen Homeoffice verweigern – und das, obwohl Virologen vermuten, dass inzwischen die meisten Ansteckungen im Büro und auf der Fahrt zur Arbeit in Bussen und Bahnen passieren.
Eine Homeoffice-Pflicht, wie gerade in der Schweiz eingeführt, soll es in Deutschland trotzdem nicht geben, gegen einen kompletten Lockdown der Wirtschaft, wie von vielen Wissenschaftlern gefordert, sperren sich die SPD-geführten Länder ebenfalls. „Es war für uns nie ein Thema, weitere Bereiche der Wirtschaft herunterzufahren“, sagte Dreyer, ein kompletter Lockdown würde Arbeitsplätze gefährden. Wenn aber mehr Homeoffice gemacht und durchgesetzt werde, werde die Lage auch automatisch im ÖPNV „nicht mehr ganz so eng sein.“ Voraussetzung sei aber, dass die gleiche Zahl an Bussen und Bahnen weiter fahre, forderte Dreyer.
Die Entscheidung über weitere Verschärfungen fällt denn auch am Dienstag in der Bund-Länder-Konferenz, ab etwa 16.00 Uhr wollen die Länderchefs über die Ergebnisse informieren. Ebenfalls diskutierte Maßnahmen wie komplette Ausgangsperren bundesweit dürften aber vom Tisch sein – angesichts der sinkenden Neuinfektionen dürften solche einschneidenden Maßnahmen nicht begründbar sein.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Warnungen in Sachen Corona-Mutation, und warum das RKI den aktuellen Lockdown als nicht ausreichend erachtet, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.