Die Corona-Pandemie nimmt wieder an Fahrt auf: Am Montag meldeten die Gesundheitsämter einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen und das, obwohl an den Wochenenden meist weniger Fälle gemeldet werden als in der Woche. In Mainz und dem Kreis Mainz-Bingen kam es zu 45 neuen Fällen, in Rheinland-Pfalz landesweit zu 66 – über das Wochenende wurden landesweit sogar 137 neue Fälle gezählt. Noch dramatischer ist die Lage in Frankfurt: die Main-Metropole liegt derzeit bei 48,5 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern – und steht damit ganz kurz vor der Alarmstufe Rot.
Das beunruhigende an den neuen Infektionszahlen: die Infektionshäufungen werden nicht mehr länger durch Reiserückkehrer oder andere klar definierbare Hotspots handelt – sondern, dass sich die Infektionen flächendeckend gleichzeitig mehren. So heißt es vom Gesundheitsamt Mainz-Bingen, von den 45 Personen, die seit Freitag positiv auf das Coronavirus getestet worden seien, seien lediglich zwei Reiserückkehrer. 13 positive Fälle wurden im Kreis Mainz-Bingen vermerkt, aber 32 in der Stadt Mainz – und hierunter waren auch die positiv getesteten Reisenden.
„Leider sind die Infektionszahlen in dieser Woche wieder stark angestiegen, mit zuletzt 121 neuen Fällen haben wir Zugänge wie zuletzt im April 2020“, warnte denn auch der für das Gesundheitsamt zuständige Kreis-Beigeordnete Erwin Malkmus. Dabei handele es sich eben weit überwiegend um Fälle, deren Infektionsort unbekannt sei, das sei „besorgniserregend.“ Auch bringe die neue Häufung von Fällen unbekannter Herkunft eine sehr aufwändige und schwierige Kontaktverfolgung mit sich, „das bringt unser Gesundheitsamt an die Grenze der Leistungsfähigkeit“, warnte Malkmus, und mahnte: „Umso mehr gilt: Halten Sie Abstand, halten Sie die Hygieneregeln ein, passen Sie auf sich und andere auf.“
Damit bestätigen sich nun Voraussagen aus dem Sommer wie etwa von SPD-Gesundheitsexperte und Professor für Epidemiologie, Karl Lauterbach: Er und andere Virologen hatten gewarnt, eine zweite Welle im Herbst werde unspezifischer und breiter in der Bevölkerung verteilt sein, es werde nicht mehr zu einzelnen, eingrenzbaren Hotspots kommen, sondern zu einem flächendeckenden Infektionsgeschehen. Genau das passiert nun offenbar.
Das Robert-Koch-Institut meldete am Montag zwar – wochenendbedingt – nur 13.82 neue Fälle, gleichzeitig aber auch wieder fünf Todesfälle – die Todesrate von Covid-19 liegt aktuell bei 3,2 Prozent und damit weit über Todesraten von Krankheiten wie der echten Grippe. Gleichzeitig überschritt Deutschland damit erstmals die Marke von 300.000 Infizierten seit Beginn der Corona-Pandemie. „Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau, ist aktuell ein weiterer Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten“, warnt das RKI in seinem Tagesbericht zudem.
In sieben Kreisen in Deutschland wird nun die 7-Tages-Inzidenz von mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern überschritten: In Hamm, Remscheid, Vechta sowie in gleich vier Berliner Stadtvierteln, nämlich Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg. Diverse Medien berichten derweil, das Land Rheinland-Pfalz stufe deshalb Berlin inzwischen als Risikogebiet ein – wer also die Hauptstadt besucht, muss anschließend in Quarantäne. Direkte Informationen dazu suchen wir derzeit noch, ein solcher Vorgang von innerdeutschen Risikogebieten wäre ein Novum – die Frage stellt sich auch: ist das jetzt bei jedem innerdeutschen Hotspot der Fall?
In den Bundesländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen liegen die Infektionsraten deutlich über dem bundesweiten Durchschnittswert, warnte das RKI heute – die Stadt Frankfurt kratzt aktuell an der Hotspot-Marke von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner. Die Main-Metropole meldete am Montag eine 7-Tages-Inzidenz von 48,5, ab 50 müssen die Städte in Hessen deutliche Verschärfungen bei den Corona-Maßnahmen ergreifen. „Wir befürchten, dass wir beim Infektionsgeschehen in den nächsten Tagen die Eskalationsstufe Rot erreichen werden“, sagte Stadtrat Stefan Majer. In der vergangenen Woche habe der Fokus noch auf einem lokal begrenzten Infektionsausbruch gelegen, doch inzwischen lägen zwei Drittel der Infektionen im Bereich des Alltagslebens. Der Krisenstab soll nun am Dienstag über einschränkende Maßnahmen beraten, Konsequenzen können auch wieder Beschränkungen von Restaurants, verschärfte Maskenpflicht oder Mobilitätseinschränkungen sein. Hessen hatte bereits im Juli ein Corona-Bekämpfungskonzept mit einem Ampel-Modell eingeführt – mehr dazu findet Ihr hier.
Frankfurt will nun neben weiteren Maßnahmen voraussichtlich die Zahl der Teilnehmer bei privaten Feiern deutlich begrenzen, bei einer 7-Tages-Inzidenz von 50 werde man höchstens 25 Teilnehmende in öffentlichen oder angemieteten Räumen erlauben, in privaten Räumen werde eine Höchstzahl von zehn Personen dringend empfohlen, hieß es weiter. Die Stadt Frankfurt will am Dienstag um 14.00 Uhr über die beschlossenen Maßnahmen informieren.
Von Seiten des RKI hieß es, Fallhäufungen würden insbesondere beobachtet im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis, aber auch wieder in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, Gemeinschaftseinrichtungen, verschiedenen beruflichen Settings sowie im Rahmen religiöser Veranstaltungen sowie in Verbindung mit Reiserückkehrern. Alarmierend ist vor allem, dass nun wieder der Anteil der älteren Bevölkerung unter den Erkrankten zunimmt – genau diesen Ablauf hatten Experten beschrieben: Im Sommer hätten sich vor allem viele an Partyhotspots im Ausland infiziert, vor allem Jüngere, diese würden nun im Herbst die Infektionen in die breite Bevölkerung tragen. Erreichen die neuen Infektionsketten die ältere Bevölkerung, ist wieder mit einem deutlichen Anstieg der Todeszahlen zu rechnen.
Der Anteil der Sterbenden liegt derzeit noch niedrig, das liege zum einen an den jüngeren Infizierten, zum anderen auch daran, dass breiter getestet werde, heißt es beim RKI weiter: So würden vermehrt auch mildere Fälle erkannt. Dazu werde bei ansteigenden Fallzahlen der Anteil schwerer Krankheitsverläufe erst nach einiger Zeit sichtbar, da die Krankengeschichte mit möglichem Tod meist sehr lang sei. „Wenn sich wieder vermehrt ältere Menschen anstecken, werden wieder mehr schwere Fälle und Todesfälle auftreten“, warnt das RKI. Vermeiden lasse sich das nur, indem die Ausbreitung von SARS-CoV-2 durch die Einhaltung von Abstand, Maskenpflicht und Hygieneregeln verringert werde. Dass sich das Virus verändert habe und weniger gefährlich geworden sei, sei hingegen unwahrscheinlich.
Das RKI mahnt deswegen, es sei weiterhin unbedingt notwendig, „dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert“. Das bedeute: Abstands- und Hygieneregeln konsequent einhalten, und das auch im Freien, Innenräume lüften, Mund-Nasen-Bedeckung korrekt tragen sowie Menschenansammlungen möglichst zu meiden – vor allem in Innenräumen. Feiern sollten zudem auf den engsten Familien- und Freundeskreis beschränkt bleiben.
In Deutschland wächst demnach die Sorge vor den Konsequenzen der zweiten Coronawelle: Die Politik will mit aller Macht einen zweiten Lockdown verhindern, denn einen solchen könnten viele Wirtschaftsunternehmen wohl nicht verkraften. Gerade kleinere Geschäfte sowie Restaurants fürchten den Winter – Wirtschaftsexperten warnen vor einer Insolvenzwelle bis Ende des Jahres.
Info& auf Mainz&: Wie die Stadt Mainz den Gastronomen über den Winter helfen will, lest Ihr hier bei Mainz&. Den ganzen Tagesbericht des Robert-Koch-Instituts zum aktuellen Stand der Coronavirus-Infektionen könnt Ihr Euch hier herunterladen. Mehr zum Thema „zweite Welle“ der Corona-Pandemie lest Ihr hier bei Mainz&.