Elf Monate lang war es geschlossen, nun feiert das Naturhistorische Museum in Mainz mit einem großen Fest seine Wiedereröffnung – und das mit einer komplett runderneuerten Ausstellung. In fünf Themenräumen wird nicht weniger erzählt als 400 Millionen Jahre Erdgeschichte vom Devon bis heute. Das hat seinen guten Grund: In Rheinhessen wurden unschätzbare Funde aus Jahrmillionen Erdgeschichte gefunden, das Naturhistorische Museum in Mainz besitzt die wichtigste naturkundliche Sammlung in Rheinland-Pfalz. Star der neuen Ausstellung sind denn auch lebensgroße Modelle von Tieren aus der Urzeit – allen voran das riesige Deinotherium. Gefeiert wird das ganze Wochenende – bei freiem Eintritt.
Das Deinotherium grüßt gleich im großen Eingangssaal, 4,50 Meter hoch ist das „Riesige Schreckenstier“. Der Hauerelefant machte vor mehr als 3,5 Millionen Jahren das Rheinhessische zwischen Mainz und Alzey unsicher. 1835 fand man einen vollständigen Schädel des Schreckenstiers in Eppelsheim bei Alzey, heute ist der Deinotherium das Wappentier des Naturhistorischen Museums Mainz – und der Star der neuen Ausstellung. Von den tropischen Tiefen des Ur-Meers vor 400 Millionen Jahren, das einst bei Alzey floss, über Riesenlurche und Seekühe des Mainzer Beckens, erzählt die neue Ausstellung 400 Millionen Jahre Erdgeschichte bis heute.
Mehr als 2.000 Originalfossilien werden in der neuen Ausstellung auf rund 600 Quadratmetern präsentiert, viele Exponate konnten vorher nicht ausgestellt werden. „Darunter sind viele weltweit einmalige Stücke, die alle aus Rheinland-Pfalz stammen“, sagte die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bei einer Vorbesichtigung, „es zeigt sich wider einmal, welchen Reichtum unser Land hat.“ In der Tat: Das Naturhistorische Museum in Mainz wurde vor 109 Jahren gegründet und besitzt die wichtigste naturkundliche Sammlung in Rheinland-Pfalz. 290 Millionen Jahre alte Saurierabdrücke gehören hier zu den spektakulären Exponaten, die weltberühmten Fossilien des Hunsrück-Schiefers oder die Unterkiefer eines Wollhaarmammuts und eines Bärenhundes, der vor rund elf Millionen Jahren lebte.
Fünf Themenräume führen die Besucher durch die Jahrmillionen zurück in Zeiten, wo sich riesige Urviecher tummelten oder Rheinhessen einmal eine tropisch-heiße Urwaldwelt mit Echsen, Panzerfischen und Seeskorpionen war. 400 Millionen Jahre ist das her, im Naturhistorischen Museum zeigen sie die in Stein konservierten Abdrücke der damaligen Bewohner. „Die Exponate bieten Anreiz, sich mit mehreren Dingen zu beschäftigen“, sagte Grosse, vor allem aber der neu herausgestellte Schwerpunkt Klima und Klimawandel seien höchst zeitgemäß.
So zeigt die Ausstellung auf, wie Tierarten durch sich verändernde Klimagegebenheiten ausstarben – der Deinotherium ist eines dieser Beispiele: Das Riesen-Schreckenstier konnte nur weiche Blätter zermalmen, als sich das Klima änderte, fand er nicht mehr genügend Nahrung – und starb aus. „Der damalige Klimawandel ging sehr langsam und schleichend über Jahrhundert hinweg“, sagte Museumsdirektor Bernd Herkner, „unser Klimawandel heute geht schlagartig und katastrophal schnell.“ Gerade mit Blick auf die immer noch existierenden Leugner des Klimawandels mache die neue Ausstellung klar, was Fakenews und was Fakten seien, sagte Grosse: „Wer hier durchgegangen ist, hat etwas gelernt.“
Herkner ist seit 1. Juni Direktor des Naturhistorischen Museums in Mainz, der Experte arbeitete zuvor im Frankfurter Senckenberg-Museum, dem Star unter den Naturhistorischen Museen in Deutschland. 380.000 Besucher zählen sie pro Jahr in Frankfurt, in Mainz waren es zuletzt bis zu 50.000 Besucher. Mit der neuen Ausstellung hoffen sie nun auf einen neuen Boom: Die neuen Ausstellungsräume sind modern gestaltet, große Schaukästen an der Wand zeigen die unglaubliche Vielfalt von Muscheln im rheinhessischen Urmeer oder die zahlreichen Versteinerungen urzeitlicher Wirbeltiere, für immer erstarrt im Hunsrückschiefer.
2,5 Meter lang wurde etwa der Riesen-Skorpion, dessen versteinerte Überreste ein Mainzer Forscher in einem Steinbruch in Wilwerath bei Prüm entdeckte – es sind die Reste des größten Gliederfüßers der Erdgeschichte. Die 46 Zentimeter lange Klaue des Tieres wurde im Erdreich versteinert und ist jetzt prominent in der Ausstellung zu sehen. Zwei Räume weiter erinnert ein gigantisches Wollnashorn an einen Tag im Pleistozän vor rund 2,6 Millionen Jahren, als sich die Giganten auf den weiten Steppen Rheinhessens tummelten – der Unterkiefer eines Jungtieres wurde im rheinhessischen Gimbsheim gefunden.
Die neuen Tiermodell sind die Stars der neuen Ausstellung: Über dem Deinotherium tummelt sich ein Affe, zu seinen Füßen sitzt ein geradezu lebensechter Bärenhund. Nebenan taucht eine Seekuh, wie sie vor 30 Millionen Jahren durch das Urmeer bei Alzey schwamm, ihr tatsächlich gefundenes Skelett hängt direkt daneben. Die Exponate hat der spanische Künstler Ramon Lopez aus Katalonien aus Stahl, Kunststoffverkleidungen, Silikon und Kunsthaar gefertigt, Lopez ist Experte für solche Rekonstruktionen. In anderen Museen gebe es massenhaft Mammuts, „aber wir haben Highlights, die sonst niemand hat, und das zeigt sich an den Deinotherion perfekt“, sagt die stellvertretende Museumsdirektorin Nicole Fischer.
Rund acht Millionen Euro hat die neue Ausstellung samt Umbau des Museums gekostet – über dem Lichthof wurde eine neue Decke eingezogen, auf der ein neuer Seminarsaal entstand. Im Kellergeschoss bekam die Museumspädagogik neue und ausgedehnte Räume – beim Eröffnungswochenende kann man hier und an weiteren Stationen im Haus Amoniten gießen und Mammuts oder Steinzeitketten basteln. Nun träumen sie im Naturhistorischen Museum noch davon, auch die restlichen Räume in die Moderne zu katapultieren: Der Ausstellungsbereich im alten Reichsklarissenkloster aus dem 13. Jahrhundert blieb bislang unverändert. Die weltweit einmaligen Quaggas sowie die Ausstellung in den oberen Geschossen atmen noch immer den Hauch früherer Jahrzehnte.
„Wir werden ein Konzept entwickeln, wie wir mit den alten Räumen umgehen“, sagte Direktor Herkner – rund 1,5 Millionen Exponate besitzt das Museum samt integriertem Forschungsinstitut insgesamt. Bis heute wird an der weltweit einmaligen Fundstelle Eppelsheim am Grunde des Ur-Rheins gegraben, zuletzt wurden dort 2017 die Backenzähne eines Menschenaffen gefunden, fast 10 Millionen Jahre alt. Im Naturhistorischen Museum wollen sie künftig auch wieder einen Raum für Sonderausstellungen einrichten – Material genug gäbe es.
Info& auf Mainz&: Die Wiedereröffnung des Naturhistorischen Museums in Mainz wird das ganze Wochenende über am 28. und 29. September gefeiert. Am Samstag ist von 10.00 bis 21.00 Uhr geöffnet, um 11.00 Uhr findet die erste öffentliche Führung mit Kulturdezernentin Marianne Grosse und Museumsdirektor Bernd Herkner statt, ab 11.30 Uhr alle 30 Minuten bis 20 Uhr Schnupper-Führungen durch Museum. Von 18.00 bis 21.00 gibt es Musik mit „La Route du bonheur“, den ganzen Tag über ist die Forscherwerkstatt geöffnet, Essen & Trinken gibt es natürlich auch: Vor dem Museum warten diverse Street Food Stände auf Euch. Am Sonntag ist von 10.00 bis 18.00 Uhr Familientag mit vielen Themenstationen wie Urzeit Tiere gießen, Mammut basteln, Eröffnungsquiz und Forscherwerkstatt. Schnupper-Führungen durch Museums gibt es dann von 11.00 bis 17.00 Uhr jeweils zur vollen Stunde. Infos dazu auch hier im Internet bei der Stadt Mainz, das Naturhistorische Museum findet Ihr hier im Internet.