An Aschermittwoch ist alles vorbei, sagt der Volksmund zur Fastnacht in Meenz, und dieses Jahr könnte das für ein ganz besonderes Stück Meenzer Fassenacht gelten: 39 Jahre lang haben Sie urtümliche Wirtschafts-Fastnacht gefeiert, doch die 40. Kampagne ist vorerst abgesagt – den Sitzungen der Allerscheenste droht das Aus. „Wir haben nicht genügend Nachwuchs“, bekannte die Mutter Oberin Karin Junker, und kündigte an: 2026 werde es keine Sitzung der „Allerscheenste“ mehr geben. Zuvor wurde allerdings noch einmal kräftig gefeiert und eine Aller-Allerschönste gekürt: die „Moguntia“ von Mainz.

1996 war es, als die Allerscheenste den ersten Aller-Allerscheensten kürten, eine Parodie auf die selbstgerechte Ordensflut in den klassischen Fastnachtsvereinen. Der Clown ist das Markenzeichen des Närrischen Stammtischs, mit Clownsschlappe und bunter Perücke wird Uneitelkeit hier groß geschrieben – so, wie es sich für echte Fastnachter gehört. Rustikal geht es zu bei den Sitzungen im Augustinerkeller: Das Publikum sitzt gemütlich an Ecktischen im getäfelten Untergrund und schwört gut gelaunt: „Der Fassenacht in Menz am Rhoi, sind wir ewig treu – wir schwören!“
Ja, die ursprüngliche Meenzer Fassenacht wurde in den Kneipen und Weinstuben der Stadt gemacht, hier schlägt die Keimzelle, hier liegt ihr Ursprung. Und da wird nicht nur geschunkelt und gesungen, sondern auch „dem Volk aufs Maul“ geschaut. Oder genauer: Das Volk spricht und erhebt seine Stimme gegen die Irrungen und Wirrungen der Obrigkeit und der Herrschenden. Das zelebrieren Robert Quetz und Elfi Adam mit einer wunderbar-närrischen Polizeikontrolle mit viel Narrenwitz. „Wieso verdient ein Parkplatz pro Stunde eigentlich mehr wie ich?“, klagt da die Elfi. Naja, sagt Robert: „Er ist heiß begehrt, macht nie Pause – und es gibt kaum noch welche.“
Wo die Woistubb‘ lockt, der Dom noch steht und Bajazz mit Laterne
Narrenmund tut Wahrheit kund, das ist die Urform der Fastnacht. Dazu gehören auch die aufgespießten Beobachtungen des „Altstadtadels“: „Wenn lauer Wind durch die Gassen weht, die Woistubb lockt: es wär doch nicht e Woi verkehrt“, berichtet Jochen Behrendt von seinen Strefzügen – doch ach: Die Woistubb, die da war, ist weg, der Schoppen kostet jetzt 6,80 Euro – und durch die Gassen rasen „völlig vorschriftsfrei“ und anarchisch, die Radfahrer. Der Altmeister der gereimten Narrenkunst streichelt in der Rückschau die altern Zeiten, ohne sie zu verklären und erinnert an die Anfänge nach dem Krieg. „De Woi, de Rhoi, das gute Essen, dazu noch des Domes Klang – drum bleib ich hier, mein Leben lang.“

Ja, die Zeiten ändern sich, und so singen die Wittlicher Altstadtsänger vom „Tag, als Karl das Gras frei gab“ und „Kiffen verboten“ – um doch schließlich beim heiligen Schweinebraten zu enden: „Völlig vegan, wollten wir uns ernähren – zwei Stunden lang hat’s funktioniert.“ Nostalgisch, selbstironisch und liebevoll nehmen die Sänger aus Wittlich jedes Jahr das Leben in ihren Liedern aufs Korn, einer von ihnen: René Pschierer, besser bekannt als der „Bajazz“ vom Mainzer Carneval-Verein. Als solcher seziert der Narren-Altmeister mit fein gedrechselten Reimen die Wirrungen der Welt, und fragt in alter Narrenart: „Eint uns nicht das Freiheitsstreben, trägt uns nicht die Humanität?“
„Es ist die Welt ein Narrenhaus“, konstatiert auch Peter Krawietz als Protokoller zu Beginn, und berichtet dann von der Narrheit vielen Varianten, so zahlreich wie der Sand am Meer. Da ist „der sich allein klug dünkende Narr“, der auch schon mal Olaf Scholz heißt, „der vom Schlaraffenland träumende Narr“ namens Robert oder „die arrogante, tolldreiste Närrin“ namens Sahra – Krawietz gelingt mit seinem Kaleidoskop der wahren Narren in der Welt ein großartiges Schelmenstück des den Spiegel vorhaltenden Narren“, der wortgewaltig Klartext spricht und doch nie eines selbst vergisst: „Dummheit, Frechheit, Eitelkeit, verursachen manch großes Leid. (Aber) bevor wir über andere schennen, wollen wir uns selbst erkennen.“
„Seh’n Se: des is Meenzerisch“: Die alten Traditionen der Fastnacht
Dazwischen geben sich „Nachtwächter“ Adi Guckelsberger und „Ernst Lustig“ alias Jürgen Wiesmann die Ehre, oder es werden Saallieder gesungen wie die alten Lieder vom Klickerspiel oder den Alten Meenzer Wörtern: „Sehn se, des ist Meenzerisch“, intoniert Oberin Karin, und der Saal schunkelt und singt seelig mit. Wo sind sie sonst noch zu hören, die alten Lieder der Meenzer Fastnacht? Wo heißt es sonst noch so rustikal „Gott Jokus, der ist unser Gott, der Augustinerkeller unser Schloss?“

Und wo sonst steht noch ein Narr mit 86 Jahren in der Bütt, und entführt mit gereimten Feinsinnigkeiten durch das Goldene Mainz, von den Römern angefangen bis hin zu echten Meenzer Schlitzohrigkeiten von Opa und Enkel: „Ein neuer Lebensstil war geboren, unsere Ahnen haben die Römer zu Freunden erkoren: Weib, Wein und Gesang – ach wie schee: so kanns Tausend Jahre weitergeh’n.“ Klaus Emmermann gehört zu den Urgesteinen der Mainzer Fastnacht und der Allerscheenste, mit 86 Jahren nahm er nun seinen Abschied.
Und wahrscheinlich ist er damit nicht der einzige: „Auch wir leiden an Nachwuchsmangel, und so haben wir uns nach 39 Jahren schweren Herzens entschlossen, unsere Sitzungen nach 2025 erst einmal auszusetzen“, verkündete Karin Junker. Gleichwohl „muss das nicht das Ende sein“, betonte die Ober-Allerscheenste: „Vielleicht findet sich der eine oder andere Helfer – dann könnte es mit den Sitzungen natürlich weitergehen, vielleicht auch 2026.“
Ist der 39. Aller-Allerscheenste der letzte? – „Moguntia“ geehrt
Dann nämlich würden die Allerscheenste den 40. Aller-Allescheenste küren und die Tradition fortsetzen, die einst mit dem legendären Mainzer OB Jockel Fuchs begann, und die in der Kampagne 2025 vorerst mit der „Moguntia“ endete. Zu den Aller-Allerscheensten gehören sämtliche Mainzer Fastnachtslegenden von Herbert Bonewitz und Otto Dürr bis hin zu Margit Sponheimer, Ruzdi Henkel, Hilde Bachmann bis hin zum jüngste verstorbenen Mainzer Wagenbauer Dieter Wenger.

2024 wurde die Mombacher Gesangstruppe „Maledos“ geehrt, und die mussten folglich in diesem Jahr die Laudatio auf ihren Nachfolger halten: Johannes Bersch. Die gratulieren natürlich mit einem Ständchen – „Oioioioi, da trink‘ ich erst einmal e Woi!“ – lassen dann aber auch die tausend Rollen des Vollblutfastnachters Revue passieren: Karl Lauterbach, Queen Camilla und natürlich die Paraderolle, die „Moguntia“ mit der spitzen politischen Feder. „Seit 33 Jahren ohne Unterbrechung in der Fastnacht aktiv, Johannes, ja der Mann ist spitze, ja der kann es“, sangen die Maledos.
Ganz nebenbei erfuhr man auch, dass der 1981 im Vincenzkrankenhaus in Mainz geborene Bischofsheimer gelernter Maler und Lackierer ist und auch noch einen Techniker an der Fachschule für Gestaltung in Stuttgart absolvierte. 1992 hatte der kleine Johannes im Alter von elf Jahren als Schuster seinen ersten närrischen Auftritt im Bischofsheimer Bürgerhaus, wo der Papa Sitzungspräsident und Redner und auch die Mama bühnenaktiv war – Fastnacht, das ist etwas, was mit dem Blute vererbt wird.
An Aschermittwoch ist vorerst alles vorbei
Aus dem großen Johannes wurde ein Balletttänzer, Redner und Musiker in tausend Rollen, Erfinder des Bischemer Narrenkäfigs, dazu 2. Vorsitzender des Flörsheimer Carnevals-Vereins – um nur einige Stationen zu nennen. 2012 hatte Bersch seinen ersten Auftritt bei „Mainz bleibt Mainz“, 2018 schlüpfte er erstmals in das Gewand der „Moguntia“ – seither gehört er zu den Symbolfiguren der Mainzer Fastnacht. Der Geehrte dankte sichtlich gerührt und revanchierte sich mit seinem aktuellen „Moguntia“-Vortrag.
Wie es nun mit den „Allerscheenste“ weiter geht? Wer weiß: „Was die Zukunft bringt, ist offen, und ein Narr kann allenfalls noch hoffen“, sprach der „Bajazz“: „An Aschermittwoch, ist alles vorbei, wie schön es auch sei, dann ist alles vorbei!“ Sollte es wirklich das Ende des urigen Stammtischs sein, „wäre das schlimm“, befand Pschierer – das Ende der Fastnacht wäre es sicher nicht, denn eines bleibt: „Freier Geist und freies Wort, wollen wir in Mainz bekennen – und an jedem freien Ort.“
Info& auf Mainz&: Das war’s mit dem letzten Text zur Fastnachtskampagne 2025 auf Mainz&, die Ihr hier noch einmal komplett nachlesen könnt. Aber der Vorhang geht ja bekanntlich ganz bestimmt wieder auf: in der Kampagne 2026.
Das darf doch nicht wahr sein, dass ihr aufhören wollt. Ihr habt so vielen Menschen unbeschreibliche Freuden gebracht!!!
Wenn ich in den letzten Jahren auch nur die Bilder anschauen konnte – so war ich doch immer dabei. Danke möchte ich dafür sagen. Ihr geht also in den Ruhestsnd , oder vielleicht doch in den Unruhestand. ??? Lb.Gr Annegret