Bund und Länder haben sich am Donnerstag auf scharfe neue Regeln zur Bekämpfung der vierten Welle der Corona-Pandemie geeinigt: Demnach soll bereits ab einem Hospitalisierungsindex von einem Wert über 3 generell die 2G-Regel im öffentlichen Leben gelten – in Rheinland-Pfalz ist dieser Wert bereits überschritten. Auch weitere Schwellenwerte wurden vereinbart, dazu soll nun eine Impfpflicht für Heilberufe kommen. Im Nahverkehr, im Zugverkehr und am Arbeitsplatz soll künftig 3G gelten. Bund und Länder machten völlig klar: Die Lage ist dramatisch – Deutschland droht die Lage in der Pandemie zu entgleiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkündete neue Coronamaßnahmen. - Screenshot: gik
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkündete neue Coronamaßnahmen. – Screenshot: gik

Nach Monaten des Stillstands hatten sich der Bund und die Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag wieder einmal zu einer Ministerpräsidentenkonferenz getroffen – die rasant durch die Republik rasende vierte Coronawelle machte es nötig. „Wir haben eine wirklich besorgniserregenden Situation“, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Konferenz klar – dem Virus sei es „völlig egal, ob sich Deutschland in Verhandlungen zu einer neuen Regierung befindet, und wer sich wie weit in seinen politischen Überzeugungen bewegt hat“, übt Merkel deutliche Kritik: „Ich hätte die MPK gerne früher gehabt.“

Die bundesweite Verdopplungszeit bei den Neuinfektionen mit dem Coronavirus betrage derzeit 13 Tage, sagte Merkel weiter, die Rate der Verdopplung bei den Intensivbetten liege bei 23 bis 24 Tagen. „Wir können uns eine weitere Verdopplung der Intensivbettenbelegung nicht erlauben“, unterstrich Merkel: Wir brauchen ein schnelles Stoppen des exponentiellen Anstiegs.“ Deutschland könne zudem besser dastehen, wenn die Impflücke nicht so groß wäre, sagte die Kanzlerin weiter: „Viele der Maßnahmen wären nicht notwendig, wenn mehr geimpft wäre.“

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Deutschland leistet sich seit Ende September eine Macht-Vakuum: Seit der Bundestagswahl ist die Große Koalition nur noch geschäftsführend in Amt, SPD, Grüne und FDP verhandeln derzeit noch immer über die Bildung einer Ampel-Koalition, die aber frühestens Anfang Dezember ins Amt käme. Da SPD, Grüne und FDP aber im Bundestag die Mehrheit haben, sind ihre Beschlüsse schon jetzt bindend, sofern sie sie fassen – am Donnerstag beschlossen die möglichen Koalitionäre mit ihrer Mehrheit im Deutschen Bundestag das Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite für kommende Woche.

Die bisherige Corona-Politik von Bund und Ländern in der dritten Welle - karikiert von Ralf Böhme. - Grafik: RABE Cartoon
Die bisherige Corona-Politik von Bund und Ländern in der dritten Welle – karikiert von Ralf Böhme. – Grafik: RABE Cartoon

Merkel kritisierte das am Donnerstag deutlich: „Mir leuchtet das überhaupt nicht ein, ich halte das psychologisch für falsch“, sagte die Bundeskanzlerin in aller Deutlichkeit: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Länder auch künftig den gleichen Katalog an Maßnahmen zur Verfügung haben.“ Die Ampel-Fraktionen hatten zum Ausgleich ein neues Gesetz zur Bekämpfung der Pandemie-Notlage im Bundestag eingebracht und auch verabschiedet, aus Sicht Merkels ist das offenbar nicht ausreichend. Merkel betonte ausdrücklich, sie hätte Ausgangssperren und flächendeckende Schulschließungen ausgenommen, den Rest hält die Kanzlerin aber offensichtlich weiter für zwingend notwendig zur Eindämmung der Corona-Pandemie – darunter auch Lockdowns.

Lockdowns sollen nun de facto für Ungeimpfte kommen: Die Runde vereinbarte neue Schwellenwerte, ab denen in den Ländern Beschränkungsmaßnahmen kommen sollen. Maßgeblich soll dafür nun die Hospitalisierungs-Inzidenz sein, also die Quote der Einweisungen von Coronas-Patienten in die Krankenhäuser. Schon ab einem Hospitalisierungsindex von 3 muss nun die 2G-Regel flächendeckend eingeführt werden, damit hätten dann nur noch Geimpfte Zutritt zu Restaurants und Kinos sowie allen Freizeiteinrichtungen – auch den Sport, auch Fußballstadien.

In Bussen und Bahnen sowie in den Zügen gilt künftig 3G, ebenso am Arbeitsplatz., - Foto: gik
In Bussen und Bahnen sowie in den Zügen gilt künftig 3G, ebenso am Arbeitsplatz., – Foto: gik

In Rheinland-Pfalz wird damit ab kommende Woche 2G greifen: Das Landesuntersuchungsamt meldete am Donnerstag eine landesweite Hospitalisierungsquote von 3,6 – die Warnampel des Landes sah bisher Warnstufe 2 erst ab einem Wert von 5 vor. Das wird durch die bundesweite Maßnahmen nun deutlich nachgeschärft. Ab einem Schwellenwert von 6 soll nun bereits „2G plus“ gelten, damit müssten sich Geimpfte dann auch zusätzlich testen lassen. Überschreitet der Hospitalisierungsindex gar die Marke 9 müsste “ das gesamte Instrumentarium“ des neuen Infektionsschutzgesetzes eingesetzt werden, sagte Merkel weiter, dem müssen dann allerdings die Landtage zustimmen.

Künftig soll zudem 3G am Arbeitsplatz gelten, ebenso in im Nahverkehr sowie in der Deutschen Bahn. Bund und Länder einigten sich zudem darauf, eine Impfpflicht für Heilberufe einführen zu wollen, ab wann die gilt, ist noch unklar. „Es kommt jetzt darauf an dass, schnell gehandelt wird, dass konsequent gehandelt wird, und dass streng kontrolliert wird“, betonte Merkel zudem, und warnte: „Bei der jetzigen Dynamik laufen wir in eine sehr, sehr schwierige Situation, die Lage ist hochdramatisch – es ist wirklich absolute Zeit zum Handeln.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), derzeit Chef der Ministerpräsidentenkonferenz, machte zudem noch einmal klar: Die CDU-geführten Länder hielten das Auslaufen der pandemischen Notlage für falsch – obwohl es ausgerechnet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war, der genau dieses Auslaufen überhaupt erst initiiert hatte. Der Dreiklang müsse nun heißen: „Vorsorge – Impfen – Testen“, sagte Wüst, Bund und Länder seien nun immerhin zu einer flächendeckenden Anwendung von 2G bereit, sobald es die Lage erfordere.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei ihrer Presskonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei ihrer Presskonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel. – Foto: gik

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte am Abend an, Rheinland-Pfalz werde die neuen Regeln ab kommenden Dienstag umsetzen. Damit gilt ab kommender Woche bereits landesweit die 2G-Regel. Was das für die Weihnachtsmärkte konkret bedeutet, ist indes weiter unklar: „Wir werden uns mit den Weihnachtsmärkten beschäftigen“, kündigte Dreyer an,. man werde kommende Woche „überlegen, ob wir weitere Schutzmaßnahmen machen.“ Das bedeute nicht, dass die Weihnachtsmärkte nicht stattfinden könnten, fügte Dreyer noch hinzu – in manchen Städten haben die Weihnachtsmärkte bereits geöffnet, der Mainzer Weihnachtsmarkt soll kommenden Donnerstag eröffnet werden. Die Regeln dafür will die Stadt Mainz am Freitag bekanntgeben.

Der regierende Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) räumte derweil in Berlin ein, die Regierenden hätten die vierte Welle und ihre Wucht unterschätzt. „Die vierte Welle hat uns voll getroffen und die Auswirkungen sind dramatisch“, betonte Müller – man sei aber „fest davon ausgegangen, in diesen Tagen schon eine höhere Impfquote haben zu können“, darauf habe sich die Politik aber zu sehr verlassen. Und dann ließ Müller seinem Ärger über Impfverweigerer freien Lauf: „Der Grund ist: dass es zu viel Egoismus und zu viel Gleichgültigkeit gibt“, kritisierte Müller, zu viele meinten, es komme in der Solidargemeinschaft nicht auf ihr Handeln an. „Doch, es kommt auf Ihr Handeln an“, betonte Müller: „Es kann nicht ewig so weitergehen, dass eine Minderheit eine Mehrheit dominiert und ihre Gesundheit gefährdet“ – genau deshalb setze die Politik jetzt entschieden 2G und 2Gplus um.

Info& auf Mainz&: Was Rheinland-Pfalz noch am Dienstag beschlossen hatte, könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Einen Mainz&-Kommentar zur Corona-Politik von Bund und Land findet Ihr hier auf Mainz&: „Nicht Warnen, nicht Handeln, nicht Hören.“

 

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