Seit genau einem Jahr ist er nun im Amt: Nino Haase, parteiloser Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz. Im Februar 2023 wählten ihn die Mainzer mit sensationellen 63,3 Prozent ins Amt, Haase beendete damit eine 75 Jahre währende SPD-Dominanz in Mainz, am 22. März 2023 wurde Haase in sein Amt eingeführt. Ein Jahr danach portraitierten ihn die Mainzer Fastnachter als Spaß-Hasen, der gerne Golf spielt und Weinfeste eröffnet, aber seine Wahlversprechen eher weniger umgesetzt hat. Was sagt Nino Haase selbst dazu? Mainz& hat den OB zum Interview getroffen.

Mainz&: Herr Oberbürgermeister, ein Jahr im Amt – wie ist es denn so?

Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) bei seiner Amtseinführung vor genau einem Jahr, am 22. März 2023. - Foto: gik
Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) bei seiner Amtseinführung vor genau einem Jahr, am 22. März 2023. – Foto: gik

Haase: Es fühlt sich immer noch gut an, es macht Spaß. Es ist ein Amt, was sehr viel Freude macht, wo man aber jeden Tag auch noch aufs Neue seinen Kampfgeist und seinen Durchsetzungswillen erproben kann – gar nicht unbedingt wegen persönlicher Widerstände, sondern weil viele Sachen, die man umsetzen möchte, komplexer sind, als man das von außen so sehen kann.

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Mainz&: Klingt ein bisschen so, als hätten Sie das Amt doch ein wenig unterschätzt…

Haase: Nein, natürlich nicht – es ist einfach ein komplexes, herausforderndes Amt, das sehr viel Spaß macht.

Mainz&: Was waren denn die größten Schwierigkeiten im ersten Jahr?

Haase: Naja, ich finde es ja immer schön, wenn man die Schwierigkeiten lösen kann, also beispielsweise beim Thema Personal und Höher-Eingruppierung von Kita-Personal, aber auch von unseren Ingenieursstellen. Da hieß es erst einmal, das ist eben so, daran kann man nicht viel ändern, so wie es in Hessen ist – das kriegen wir hier nicht hin. Wenn man sich aber dann einarbeitet und mit dem Tarifrecht beschäftigt und mit den entsprechenden Verbänden spricht, und immer wieder klar macht: das hier ist das Ziel – dann findet man auch Lösungen. Die brauchen dann zwar einen Ticken länger, aber das Schöne ist ja, wenn man solche Schwierigkeiten meistern kann.

Wieviel seiner Wahlversprechen hat Nino Haase umgesetzt?

Mainz&: Da sind wir mitten im Thema: Es gab ja den Motivwagen im Rosenmontagszug mit einer Checkliste vorne und einer Checkliste hinten, wo man gemerkt hat: Es haben wohl eine Menge Leute – oder zumindest die Wagenbauer beim MCV – den Eindruck: Viele Wahlversprechen wurden noch gar nicht umgesetzt, darunter auch das Versprechen der Höher-Gruppierung des Kita-Personals.

Motivwagen des Mainzer Carneval-Vereins zum neuen OB Nino-Haase, hier die Vorderseite. - Foto: gik
Motivwagen des Mainzer Carneval-Vereins zum neuen OB Nino-Haase, hier die Vorderseite. – Foto: gik

Haase: Wir haben das ja schon sehr deutlich kommuniziert. Die Hochgruppierung aller unserer Fachkräfte aufgrund des erhöhten Förderbedarfs, da haben wir uns im November 2023 mit dem kommunalen Arbeitgeberverband geeinigt, wie das funktionieren kann: Nämlich, dass wir die Hochgruppierung dann durchführen, wenn die entsprechenden Weiterbildungen erfolgt sind – wie es das Tarifrecht auch vorsieht und hergibt.

Mainz&: Der „Trick“ ist, dass man die höhere Bezahlung an Fortbildungen knüpft, richtig?

Haase: Das ist weniger der Trick, das sieht das Tarifrecht schlicht so vor. Der Trick war eher, dass wir dargelegt haben, dass der erhöhte Förderbedarf auch stadtweit festgestellt werden kann. Und diese Daten – da geht es um Quoten von mindestens 15 Prozent erhöhten Förderbedarfs – die haben wir nachgewiesen, in dem wir zum Beispiel gezeigt haben, dass mehr als ein Drittel aller Kinder stadtweit bei den Schuleingangsuntersuchungen mangelhafte Sprachkenntnisse haben. Somit hatten wir quasi einen ärztlich bestätigten erhöhten Förderbedarf in den Feldern Frühförderung, Sprachförderung und auch Integration. Und das zusammen hat dann die Möglichkeit zur Hochgruppierung eröffnet.

„40 neue Kita-Fachkräfte, das sind 300 zusätzliche Kitaplätze“

Es ist auch bereits ein erster Erfolg messbar: Wir haben über 40 Kita-Fachkräfte eingestellt und auch gehalten – das war im letzten Jahrzehnt nicht so, da gab es eigentlich jedes Jahr eine Delle von Abgängen im Winter. Wir haben damit das Vierfache des langjährigen Jahresschnitts allein im letzten Jahr eingestellt – also 40 statt 10. Das zeigt: Es ist eine Trendwende da. Wir sehen auch schon in den Einrichtungen, dass die Quantität verkürzter Schließzeiten abnimmt. Aber solange wir noch irgendwo verkürzte Öffnungszeiten umsetzen müssen, und solange noch manche Kinder keinen Kitaplatz  bekommen, so lange müssen wir an diesem Thema weiter arbeiten, weil das für Mainz ganz wichtig ist.

Mainz&: Wie hat sich denn die Zahl der Kita-Plätze insgesamt entwickelt?

OB Nino Haase (parteilos) bei der Einweihung der Kita in Mainz-.Zahlbach - umringt von kleinen Fans. - Foto: gik
OB Nino Haase (parteilos) bei der Einweihung der Kita in Mainz-.Zahlbach – umringt von kleinen Fans. – Foto: gik

Haase: Wir bauen ja jedes Jahr neue Einrichtungen, aber am Ende geht es ja nicht nur um die gebauten Plätze, sondern auch darum, dass wir das entsprechende Personal haben. Noch mal: Über 40 eingestellte Fachkräfte, das sind 300 zusätzlich geschaffene oder gesicherte Kitaplätze.

Mainz&: Die Stadt Mainz hatte bislang ja auch 15 bis 20 Prozent unbesetzte Stellen, hat sich da etwas bewegt?

Haase: Das ist stadtweit nicht ganz so leicht festzustellen, aber wir sehen zum Beispiel, dass wir im Planungsbereich unbedingt Leute brauchen, für unsere Bauprojekte. Das ist nicht ganz so leicht, diese Stellen zu besetzen, weil wir einfach große Konkurrenz von attraktiven Arbeitgebern haben im Rhein-Main-Gebiet. Deshalb haben wir auch dort den Prozess gestartet, diese Stellen höher einzugruppieren. Das heißt, wir haben jetzt alle 160 Ingenieursstellen, die wir in der Stadt so haben, neu eingruppiert, die Hälfte davon wurde hochgestuft. Da muss man dann die Stellenbewertung neu schreiben, das ist schon ein Aufwand, aber das musste eben getan werden.

„ADD muss verstehen: Wir brauchen mehr Freiräume beim Personal“

Ich glaube, es ist auch wichtig, und das habe ich auch bei der Dienstaufsichtsdirektion ADD schon platziert: Wir müssen in der Verwaltung generell einen Paradigmenwechsel herbeiführen, was die Kontrolle durch die ADD angeht. Dass die Haushalte ausgeglichen sein sollen, das ist okay, das muss eine Kontrollbehörde nachhalten. Aber im Grunde sollte man uns schon gewisse Freiräume lassen, wie wir mit der Eingruppierung unserer Stellen umgehen, denn das wissen wir am besten. Wir haben ein Personalbudget, und wenn wir das eben nicht ausschöpfen, dann müssen wir anfangen, Stellen besser zu bezahlen. Und wenn ich noch Geld übrig habe, Stellen aber nicht besetzt bekomme, muss ich ein attraktiveres Angebot machen, mehr bezahlen. Das sollte die ADD bitte uns überlassen, solange wir eben nicht das Budget überschreiten. Ich glaube, das ist wichtig, dass man diese Botschaft immer wieder dorthin sendet.

Neues Amt, neue Herausforderungen: OB Nino Haase (parteilos) beim Mainz&-Interview zur Bilanz ein Jahr im Amt. - Foto: gik
Neues Amt, neue Herausforderungen: OB Nino Haase (parteilos) beim Mainz&-Interview zur Bilanz ein Jahr im Amt. – Foto: gik

Mainz&: Nun hat Günter Beck gerade im Stadtrat eine Brandrede gehalten, die guten Zeiten seien vorbei, Mainz müsse wieder neue Schulden machen – wie schlimm ist die Lage denn nun?

Haase: Es ist einfach eine Lage, in der man genauer planen muss. Das heißt, wir haben weitestgehend keine Schulden mehr, und wir sind in der Lage, uns im Prinzip selbst zu finanzieren. Und es kann sinnvoll sein, Kredite für Investitionen aufzunehmen. Was wir nicht machen wollen und werden ist, wieder Kassenkredite aufnehmen, um unsere laufenden Kosten zu bedienen – das darf nicht passieren, und das wird es auch nicht. Ja, wir haben jetzt mal ein Jahr, in dem wir neue Kredite brauchen, aber wenn Sie sich den Haushalt ansehen, werden Sie sehen, dass da eine große Umlage drin ist: Das sind 300 Millionen Euro kommunale Umlage, die wir ans Land zahlen müssen, weil wir eben vor zwei Jahren so hohe Einnahmen hatten. Das kann man für das eine Haushaltsjahr kaum ausgleichen, deshalb geht man ins Defizit.

Hebesatz für Gewerbesteuer anheben? Schlecht für neue Firmen

Mainz&: Die Ursachen sind ja zurückgehende Einnahmen bei der Gewerbesteuer. Die sind aber auch deswegen eingebrochen, weil die Stadt Mainz die Gewerbesteuer massiv gesenkt hat – muss man da vielleicht jetzt wieder dran drehen?

Haase: Dass die Gewerbesteuereinnahmen nicht so bleiben, wie zu Zeiten der Pandemie und des Impfstoffverkaufs, das ist ja klar. Aber wir sind jetzt auf dem gleichen Stand der Gewerbesteuereinnahmen wie vor Corona – trotz des geringeren Hebesatzes. Das sind jetzt ungefähr 170 Millionen Euro pro Jahr, und da lagen die Einnahmen jahrelang vorher auch. Man kann eine Anhebung der Hebesätze immer leicht fordern, nur: Wir sind gerade dabei, neue Unternehmen anzusiedeln, um eben auch langfristig höhere Gewerbesteuereinnahmen zu generieren. Ich persönlich halte es für nicht sinnvoll, jetzt wieder auf alte Niveaus hochgehen zu wollen – das wäre für Neuansiedlungen nicht förderlich.

OB Nino Haase mit Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) in einem Fastnachts-Reel auf Instagram. - Foto: gik
OB Nino Haase mit Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) in einem Fastnachts-Reel auf Instagram. – Foto: gik

Mainz&: Um wie viele Neuansiedlungen geht es denn?

Haase: Ich kenne Firmen und Unternehmen, die Interesse am Wirtschaftsstandort Mainz haben. Die Grundlagen dafür zu schaffen – auch das war sehr wichtig im letzten Jahr. Die Ansiedlung von Kadans, ein niederländischer Projektentwickler für Wissenschafts- und Laborstandorte, ist ein ganz wichtiger Faktor – da kommen in der Folge jetzt auch „reifere“ Firmen, die den Standort Mainz entdecken und sich für uns interessieren. Wir haben außerdem die Grundlage dafür geschaffen, dass sich Biontech künftig auf dem Gelände der ehemaligen GFZ-Kaserne entwickeln kann, Kita-Ausbau und Wohnungsausbau inklusive – das war auch ein Thema, zu dem ich mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) in einigen Gesprächsrunden war.

Und wir haben ja auch abseits der Biotechnologie noch Potenzial: Ich finde, eine Aufwertung, wie wir sie jetzt rund um die LU haben, das wird die Stadt beleben. Das war auch ganz wichtig, dass wir jetzt einen Haken an den städtebaulichen Vertrag für das neue Einkaufszentrum auf der LU machen konnten. In der Summe würde ich sagen: Wir haben eine gute Basis, dass Mainz auch in Zukunft ein starker Wirtschaftsstandort ist. Wichtig ist, dass wir hier eine gute Struktur bieten, wichtig ist eine Wirtschaftsförderung, die wir jetzt deutlich stärker aufstellen, wichtig ist das Biotech-Cluster, das wir gemeinsam mit dem Land aufgebaut haben letztes Jahr – all das soll neue Ansiedlungen befördern.

GFZ-Kaserne: Einigung mit Bund erzielt, Aus für Mainz-Rider

Mainz&: Wann tut sich denn was in der GFZ-Kaserne?

Haase: Wir konnten mit der BIMA eine Einigung erzielen, und haben jetzt eine Absichtserklärung, was wir uns auf diesem Gelände vorstellen, und wo die BIMA künftig ihre Wohnungen und Mitarbeiter unterbringt – alles das waren Themen der letzten Monate, die wir verhandelt haben. Es ist enorm wichtig, dass wir Biontech signalisieren können: Wir haben hier eine Perspektive geschaffen. Wir werden für dieses gebiet nun auch Baurecht schaffen. Ich bin sehr, sehr froh, dass wir an die drei wichtigen Projekte – die Ansiedlung von Kadans, die Entwicklung der GFZ-Kaserne und der LU – jetzt erst einmal einen Haken machen können.

Das Ruftaxi "Mainz Rider" wird im Somme4r einem Sparpaket der Mainzer Mobilität zum Opfer fallen. - Foto: Mainzer Mobilität
Das Ruftaxi „Mainz Rider“ wird im Somme4r einem Sparpaket der Mainzer Mobilität zum Opfer fallen. – Foto: Mainzer Mobilität

Mainz&: Da sind wird dann mitten im Themas Infrastruktur: Wohnungen schaffen, Verkehrsströme organisieren. Beim Thema Wohnen gab es ja jetzt gerade die Potenzialgutachten für die beiden Stadtteil-Erweiterungen rund um Hechtsheim und Ebersheim, gleichzeitig haben die Mainzer Stadtwerke aber gerade ein Riesen-Sparpaket gerade beim ÖPNV-Ausbau verkündet…

Haase: Die Mainzer Mobilität hat das gleiche Problem, wie alle anderen Stadtwerke beziehungsweise ÖPNV-Betreiber deutschlandweit: Dass es seit der Einführung des Deutschlandtickets nicht möglich ist, Kostensteigerungen – also Mehrkosten für Personal, Energie, Ausbau – in irgendeiner Form über den Preis zu refinanzieren. Das heißt: die Defizite wachsen gerade überall an. Mainz hat noch den Anspruch, sein ÖPNV-Angebot zu halten, andere Städte zeigen ja schon, dass sie ihre Angebote reduzieren werden. Es ist wirklich ein massives Problem deutschlandweit. Bei uns haben jetzt Mainzer Mobilität gemeinsam mit der Muttergesellschaft, den Stadtwerken, verkündet, dass einige Projekte und Angebote ganz eingestellt werden – der Mainz Rider gehört leider dazu. Ich kann  nachvollziehen, dass man das aus betriebswirtschaftlichen Gründen macht. Aber ich finde es schade, weil es eigentlich ein schönes Angebot ist.

Mainz&: An der Einstellung gibt es ja auch scharfe Kritik, sehen Sie eine Möglichkeit, den Mainz Rider zu retten? Es gibt viele Leute, die sagen, gerade in der Nacht und zum Schichtbeginn bin ich drauf angewiesen – und das sind doch wirklich gerade die Angebote, die die Verkehrswende attraktiver machen.

Haase: Ja, das ist so. Man muss aber auch sagen: die Auslastung war offensichtlich nicht so stark, wie vielleicht manchmal subjektiv wahrgenommen. Aber wie gesagt, es ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Wir haben aber mit der Charity Alliance ein Angebot, bei dem Senioren Senioren fahren – das ist eine tolle Ergänzung. Das gibt es schon seit ein paar Monaten in Mainz, ist aber leider ein bisschen unter dem Radar geflogen bisher. Ich weiß, der Mainz Rider war auch ein bisschen etwas für junge Leute, um gerade abends in die Außenbezirke nach Hause zu kommen, das verstehe ich. Aber das ist eben die Natur von Sparmaßnahmen: dann muss man irgendwo kürzen.

„Vom Land muss stärkere Unterstützung für Straßenausbau kommen“

Beim Ausbau der Straßenbahn zum Heiligkreuzviertel ist es so: Es wird dort im ganz normalen Zeitplan weitergearbeitet im Hinblick auf den Planfeststellungsbeschluss. Das geht noch locker bis 2027-2028. Nur ist aktuell eben nicht klar, wie die Finanzierung danach aussieht. Aber das heißt, dass wir jetzt die nächsten vier Jahre auch in Zusammenarbeit mit dem Land dort klären müssen: Wie sieht denn Eure Förderung aus?

Rückseite des MCV-Motivwagens zum neuen OB Nino Haase: Wahlversprechen gehalten? - Foto: gik
Rückseite des MCV-Motivwagens zum neuen OB Nino Haase: Wahlversprechen gehalten? – Foto: gik

Fakt ist: Wenn man sich das Nahverkehrsgesetz anschaut, steht explizit drin, dass das Land solche Ausbaumaßnahmen gerade auch für Straßenbahnen fördert – und da gibt es in Rheinland-Pfalz ja nur zwei Städte, die überhaupt Straßenbahnen haben, nämlich Ludwigshafen und Mainz. Ich denke, dass vom Land eine stärkere Unterstützung kommen muss, um solche Ausbaumaßnahmen weiter voranzutreiben. Aber das klären wir, und da haben wir jetzt auch noch ein bisschen Zeit.

Mainz&: Was ist denn dann mit Ideen und Versprechen wie einem kostenlosen ÖPNV an Samstagen? Ist das damit tot?

Haase: Wir sind da weiterhin im Gespräch mit den Stadtwerken, ich denke da werden wir demnächst auch noch etwas verkünden können.

Anwohnerparken in Parkhäusern: Konzept soll im Sommer kommen

Mainz&: Thema Anwohnerparken in Parkhäusern – auch das war ein wichtiges Wahlkampfversprechen des OB Nino Haase, was ist damit?

Haase: Naja, man muss sich im ersten Jahr schon auch auf ein paar Themen fokussieren  – und das war das Thema Personal und auch das Thema Wohnen und Wohnraumförderung. Das gerade vorgestellte Außenpotenzial-Gutachten brauchte wirklich viel Vorbereitung, und erst recht, was wir daraus gemacht haben. Das war mir sehr wichtig, denn da habe ich ja auch im Wahlkampf oft drüber gesprochen: Dass wir keine Höchstbieterverfahren durchführen, sondern eine solche Vergabe mit Städtebauentwicklungsmaßnahmen durchführen, bei denen wir die Bodenrichtwerte begrenzen können.

Viel Arbeit für den Neuen: OB Nino Haase (parteilos) ist nach einem jahr im Amt angekommen. - Foto: gik
Viel Arbeit für den Neuen: OB Nino Haase (parteilos) ist nach einem jahr im Amt angekommen. – Foto: gik

Dass dann auch der ein oder andere sagt, schade, dass ich mein Land vielleicht nicht zum absoluten Maximalpreis vermarkten kann, klar, das ist etwas, was wir die nächsten Monate sicher auch noch weiter erklären müssen. Das heißt nämlich nicht, dass wir irgendwo enteignen können. Nur dort, wo Leute Land verkaufen wollen, da können wir ins Vorkaufsrecht gehen. Auf dieser Sache war bei mir wirklich ein Fokus drauf im vergangenen Jahr, weil es da extrem brannte.

Das Thema Anwohnerparken: auch das ist ein komplexes Feld. Ich glaube wir haben schon sehr, sehr gute Grundlagen, etwas präsentieren zu können, wahrscheinlich im Spätsommer, da wir als Verwaltung da natürlich nicht alleine entscheiden und handeln können. Das braucht einfach ein wenig Zeit in der Abstimmung. Aber ich bin mir sicher, dass wir das grundsätzlich machen können, und das auch in der aktuellen wirtschaftlichen Lage absolut darstellbar ist bei der Parken in Mainz GmbH.

Mehr Grün: Haase will andere Platzgestaltung und Baumscheiben

Mainz&: Thema mehr Grün in der Stadt: Die Stadt Mainz hat ja jahrelang mehr Bäume gefällt, als sie gepflanzt hat, hat sich das inzwischen geändert? Die Menschen wünschen sich wirklich sehr händeringend mehr Grün in der Stadt, wie sieht es damit aus?

OB Nin o Haase (parteilos) bei der Vorstellung neuer Mülleimer in der Mainzer Altstadt. - Foto: Stadt Mainz
OB Nin o Haase (parteilos) bei der Vorstellung neuer Mülleimer in der Mainzer Altstadt. – Foto: Stadt Mainz

Haase: Wir haben letztes Jahr die Planung für das Regierungsviertel mit der Bürgerbeteiligung gehabt, die klar gemacht hat: Das soll ein deutlich grünerer Bezirk werden, ein deutlich bepflanzterer. Wenn man sich dann die Bürgerbeteiligung vom zweiten Bauabschnitt Rheinufer anguckt, dort soll es ebenfalls deutlich grüner und bepflanzter werden. Und wir haben natürlich das Thema Nordmole am Zollhafen: Das werden 700 Meter Grünanlagen direkt am Rhein, ich glaube, das wird so etwas wie das grüne Wohnzimmer der Neustadt werden. Da muss man auch nicht skeptisch sein, das wird eine sehr gut zu nutzende Wiese, auch mit Gastronomie und Co.

Mainz&: Naja, das Problem ist ja, dass sich die Innenstadt immer stärker aufheizt…

Haase: Es gibt schon noch viele Möglichkeiten, wir können etwa im Rahmen des Ausbaus der Fernwärme schauen, ist die Art und Weise wie wir Baumscheiben aktuell bauen wirklich die Beste? Die sind aktuell relativ klein, könnte man die nicht größer machen, damit die Bäume das Wasser besser aufnehmen können – Stichwort Schwammstadt. Aber noch einmal: Regierungsviertel und Rheinufer, das werden auf jeden Fall deutlich grünere Teile in der Stadt. Und an manchen Stellen müssen wir uns einfach noch mal über das Thema ‚wassergebundene Decken‘ unterhalten – etwa am Frauenlobplatz oder am Feldbergplatz. Ich sage mal so: Das sind ja keine Wiesen, und die wären etwas, was deutlich besser kühlen würde.

Weinstand am Rheinufer: Haase will dauerhafte Heimat finden

Mainz&: Thema Gastronomie: der Weinstand am Rheinufer wird im Juni wieder ans Hilton zurück umziehen, und darf sonntags nicht mehr ausschenken. Es war ja gerade Ihre Initiative, dass der Weinstand wieder an den Fischtorplatz zurückkam, und jetzt dieser Rückschlag – was ist da los?

Bleibt er oder geht er? Der Weinstand am Rheinufer Höhe Fischtorplatz ist manchen Anwohnern ein Dorn im Auge. - Foto: gik
Bleibt er oder geht er? Der Weinstand am Rheinufer Höhe Fischtorplatz ist manchen Anwohnern ein Dorn im Auge. – Foto: gik

Haase: Mit dem Fischtorplatz, das finde ich auch schade. Ich wohne da ja auch, und ich höre da nichts von. Aber es gibt Anwohner, die da tatsächlich weiterhin ein Problem haben, und da haben wir jetzt eben einen Kompromiss gefunden. Ich möchte schon schauen, wo wir am Rheinufer für den Weinstand dauerhaft eine Heimat finden können. Aber das ist eine Sache, die wir vielleicht auch im Rahmen der neuen Bauabschnitte am Rheinufer unterkriegen können.

Und wo das Marktfrühstück hinkommt, da laufen die Gespräche seit einigen Monaten. Ich glaube, wir bieten dem Marktfrühstück auch weiterhin eine gute Alternative. Es wird etwas Neues, natürlich, weil der Liebfrauenplatz ist jetzt erst einmal für ein paar Jahre raus. Wir werden auf jeden Fall irgendwann wieder dorthin ziehen, das sehe ich absolut so.

Attraktiveres Mainz: Problemzonen versus Rekord-Übernachtungen

Mainz&: Generell entwickelt sich leider zur Zeit der Eindruck, Mainz werde immer weniger attraktiv, Mainz habe immer weniger zu bieten. Weniger Geschäfte, weniger Attraktionen, die Große Bleiche ist ein riesiges Problem – wie kann der Oberbürgermeister gegensteuern?

Nass gemacht: Der neue Mainzer OB Nino Haase landete bei der Johannisnacht im Gautsch-Zuber. - Foto: gik
Nass gemacht: Der neue Mainzer OB Nino Haase landete bei der Johannisnacht im Gautsch-Zuber. – Foto: gik

Haase: Wir haben ja schon viele Stellen in der Stadt, wo wir jetzt eine Grundlage geschaffen haben für eine aktive Gestaltung. Wir hatten etwa jetzt sehr, sehr lange einen Leerstand gegenüber vom C&A, der jetzt behoben ist. Wir etablieren gerade ein aktives Leerstandsmanagement, wir gehen aktiv in der Stadt gegen Leerstand vor – und was die Große Bleiche angeht: Da bin ich jetzt erst einmal sehr froh, dass mit BioNTech hier noch einmal 1.100 Leute herkommen, das belebt die Straße ungemein. Und natürlich müssen wir auch mal perspektivisch über die Gestaltung der Großen Bleiche reden, aber das ist ja auch Teil der Regierungsviertel-Planungen.

Oder auch an der LU: Was wir dort planen, das halte ich für äußerst attraktiv für die Aufwertung einer Innenstadt, das bringt die Leute auch wieder hierher. Ich glaube, das ist auch das, was am Ende die Frequenz in eine Stadt bringt. Ja, es geht auch um Sauberkeit, das wissen wir. Deswegen haben wir angefangen, Mülleimer auszutauschen. Die Neuorganisation, der Straßenreinigung ist ja gerade im vollem Gange, das sind alles Maßnahmen, die zusammen spielen müssen. Man kann sagen, Mainz wird immer unattraktiver – ich sage es mal so: Wir haben im letzten Jahr 1.066.000 Übernachtungen gehabt, das war das erste Mal, dass wir die Millionenmarke geknackt haben. Wir sind deutlich besser als Bundes- und Landestrend, was Besucherzahlen angeht. Ich weiß, wir haben Schwächen, wie viele andere Innenstädte auch. Aber wir bringen schon relativ viele Leute in die Stadt.

Wie kann man Nino Haase bei der Kommunalwahl wählen?

Mainz&: Am 9. Juni sind Kommunalwahlen, vor einem Jahr haben 63,3 Prozent der Wähler ihre Stimme einem gewissen Nino Haase gegeben – der eine oder andere fragt sich jetzt sicher: Wie kann ich denn am 9. Juni Nino Haase wählen?

Haase: Ach was, wir wählen am 9. Juni den Stadtrat. Wir haben einen Oberbürgermeister gewählt, der ist Chef der Verwaltung und sicher auch Teil der Verbindung zur Bürgerschaft. Ich habe letztes Jahr unheimlich viele Bürgerbeteiligungen besucht und werde das Thema Bürgerbeteiligung auch weiter vorantreiben. Und daneben bin ich natürlich auch Teil des Stadtrats. Und wen man wählt, da sage ich ganz ehrlich: Als guter Oberbürgermeister sollte man mit jeder Konstellation konstruktiv arbeiten.

OB Nino Haase (parteilos9 bei seiner Vereidigung am 22. März 2023 mit Bürgermeister und Finanzdezernent Günter Beck (Grüne). - Foto: gik
OB Nino Haase (parteilos9 bei seiner Vereidigung am 22. März 2023 mit Bürgermeister und Finanzdezernent Günter Beck (Grüne). – Foto: gik

Mainz&: Aber nicht jede Konstellation arbeitet konstruktiv mit dem OB – es gibt da ja durchaus auch Blockade-Bestrebungen.

Haase: Das habe ich bisher so noch nicht wahrgenommen. Alle Sachen, die ich in den Stadtrat eingebracht habe, gingen bisher durch, also zum Beispiel die Finanzierung der Straßenfastnacht, die Personal+ Pakete, die Höhergruppierung des Kitapersonals, die Machbarkeitsanalyse ‚Schwimmen am Rhein‘, das Hochsetzen der Wohnraumförderung auf 80 Prozent oder auch noch ein paar kleinere Initiativen. Bei der Finanzierung der Straßenfastnacht, da gab es schon Widerstand, aber das konnte ich dann ausräumen. Ich finde, am Ende sollte man auf die Ergebnisse schauen, und gerade die Themen, die ich für das erste Jahr als wichtig bezeichnet habe – eben Kita und Wohnen -, die Sachen habe ich umsetzen können, wie ich es auch im Wahlkampf versprochen habe.

Mainz&: Das heißt, ein Andocken an eine Partei ist auch weiterhin kein Thema?

Haase: Nein, ich habe keine Motivation, das zu tun. Ich arbeite mit den Parteien gut zusammen. Natürlich gibt es auch Gegenstimmen, natürlich gibt es auch Konflikte, aber das ist halt Politik.

Haase: Werden „Grüne Welle“ auf der Rheinachse umsetzen

Frage: Konflikte gibt es ja vor allen Dingen in Sachen Verkehr in Mainz, sei es Tempo 30, sei es jetzt die kommende Sperrung der Windmühlenstraße – man fragt sich wirklich langsam: Wie soll ich denn noch in die Stadt kommen? Ich weiß von ganz vielen aus dem Umland, die sagen, wir kommen nicht mehr nach Mainz, was wiederum die Geschäfte sehr deutlich merken. Ist da nicht eine ungute Entwicklung im Gang?

OB Nino Haase mit MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig beim 11.11. auf dem Balkon des Osteiner Hofs. - Foto: gik
OB Nino Haase mit MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig beim 11.11. auf dem Balkon des Osteiner Hofs. – Foto: gik

Haase: Es gibt Baustellen in der Stadt, aber dass man die Stadt jetzt nicht mehr erreichen kann, mit Verlaub: Bis auf das eine Mal, wo im letzten Sommer der Verkehr zusammengebrochen ist, weil alles zusammenkam – temporäre Busspur, Sperrung Schiersteiner Brücke, Fußball und ein Unfall auf der Theodor-Heuss-Brücke – ja, an dem Tag, sage ich, da hat keiner mehr die Stadt erreicht und auch keiner mehr verlassen. Ich glaube, warum die Menschen in die Stadt kommen, das richtet sich an der Attraktivität der Geschäfte aus, der Attraktivität der Innenstadt. Ich habe es noch nie von jemandem gehört: Ich schaffe es nicht nach Mainz.

Mainz&: Viele Menschen berichten uns, dass es unheimlich nervig geworden ist, nach Mainz hinein zu fahren. Es gibt ja auch kaum noch Zufahrtsstraßen, es gibt die Rheinallee, die Zufahrt über die Alicenbrücke, aber wenn jetzt auch noch die Binger Straße zur Baustelle wird, wie kommt man denn dann noch in die Parkhäuser?

Haase: Ich glaube, die Frage ist: Was bieten wir in der Stadt? Wenn wir Events haben wie ‚Mainz leuchtet‘, solche Sachen ziehen Leute hierher. Grünanlagen und ein gut ausgebautes Regierungsviertel mit Aufenthaltsqualität, das bringt die Leute hierher. Ein schönes Gutenbergmuseum, das wir jetzt neu bauen, das bringt am Ende die Menschen hierher. Ich muss noch mal sagen: Es haben viele Innenstädte Probleme, der Einzelhandel ist halt nicht mehr so attraktiv, das zieht nicht mehr. Wir brauchen einen gesunden Branchenmix, wir brauchen Gastroangebote – genau das schaffen wir jetzt auf der LU.

Jetzt ist es "seine" Stadt: OB Nino Haase (parteilos) vor der Stadtsilhouette im Stadthaus. - Foto: gik
Jetzt ist es „seine“ Stadt: OB Nino Haase (parteilos) vor der Stadtsilhouette im Stadthaus. – Foto: gik

Auch das Thema Anwohnerparken soll ja am Ende dazu führen, dass wir zum Beispiel in den Straßen Parkflächen reduzieren können. Wegen dieser 30 Parkplätze kommt kein Besucher weniger nach Mainz. Aber wir können Straßen – zum Beispiel in der Altstadt – besser nutzen, attraktiver nutzen, wenn ich diese 30 Parkplätze ins Parkhaus schaffe für die Anwohner. Das muss doch unser Ziel sein, dass man eine Innenstadt erlebbar macht. Ich war in Dijon, und die haben vor acht oder zehn Jahren ihre Innenstadt komplett Autofrei gemacht, also den ganzen Innenstadtkern. Die haben 20 Prozent Zuwächse bei den Umsätzen, und warum? Weil die Leute plötzlich lieber in die Stadt kommen. Dass wir aber bei Tempo 30 endlich eine Grüne Welle auf der Rheinachse etablieren müssen – da sind die Verkehrsdezernentin und ich absolut einig, und das gehen wir nun an.

Mainz&: Herr Oberbürgermeister, wir danken für das Gespräch!

Info& auf Mainz&: Wie die Bilanz des neuen OB nach 100 Tagen im Amt ausfiel, das könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.