Die Mainzer Narren sammeln weiter Hilfsgelder für die von der Flutkatastrophe an der Ahr gebeutelten Karnevalsvereine – und wie: Vergangene Woche kam beim Spendenmarathon der Gonsenheimer Füsiliergarde im Rahmen der “Gelock(e)t”-Sitzung ein fünfstelliger Betrag zusammen, am Mittwoch saß nun ein Ehren-Offizier der Füsilier-Garde für einen guten Zweck im Edeka in Mainz-Finthen: Winzer Dirk Würtz schuftete zwei Stunden lang an der Supermarktkasse – was die Kunden in der Zeit shoppten, geht nun an die Aktion “Der Adler hilft”.
Die Kundin möchte Treuepunkte mitnehmen und Geld abheben, Dirk Würtz stehen die Schweißperlen auf der Stirn. “Ich hab’ ab jetzt höchsten Respekt vor dem Job”, sagt der Winzer, der seit 2018 geschäftsführender Gesellschafter der Niersteiner Weinguts St. Antony ist. Nun sitzt Würtz hier an der Kasse eines ganz normalen Edeka-Marktes im Mainzer Stadtteil Finthen, und widmet sich mit Hingabe der Aufgabe, Waren über das Band zu ziehen.
Es ist Mittwochnachmittag, und die Kunden stehen Schlange – und das liegt nicht nur am ganz normalen Wocheneinkauf: Unter dem einen oder anderen Mantel blitzt auch eine Uniform auf – die Füsiliere sind gekommen, denn Dirk Würtz ist einer von ihnen, und schließlich geht es heute um einen guten Zweck. Alles, was an diesem Nachmittag binnen zweier Stunden über die Supermarktkasse läuft, an der Dirk Würtz sitzt, geht eins zu eins an Winzer im Ahrtal. “Im Handel haben wir das öfter mal, dass sich Politiker für den guten Zweck an die Kasse hocken”, sagt Ralf Engelhard, Chef des Edeka-Marktes und ebenfalls Ehrenoffizier der Füsilier-Garde: “Ich bin bei solchen Späßen immer dabei.”
Engelhard ist Wein-Fan, in seinen Regalen steht das “Who is Who” der rheinhessischen Weinszene, und natürlich auch Weine von St. Antony. Sogar eine eigene Edeka-Edition gibt es, der “Rote Bodenschatz” ist eine Cuvee aus 80 Prozent Blaufränkisch kombiniert mit Merlot. “Was hier im Regal steht ist so ausgesucht, dass wenn es nicht läuft, ich es selbst trinken muss”, sagte Engelhard lachend. Am Boden stehen noch drei besondere Weinpakete, “SolidAHRität” steht darauf – es sind die Reste der großen Hilfsaktion, die Dirk Würtz im August 2021 startete.
Am 14. Juli 2021 fegte eine riesige Flutwelle durch das Ahrtal und riss alles mit sich, was im Wege stand. Mehr als 50 Weingüter im idyllischen Ahrtal wurden Opfer der Fluten, als Würtz mitbekam, welche Schäden dort entstanden waren, packte er kurzerhand Weinpakete und verkaufte sie zugunsten der Winzer im Ahrtal – die Aktion “SolidAHRität” war geboren. Die Pakete wurden ihm förmlich aus der Hand gerissen, immer mehr Winzer spendeten Weine für den guten Zweck. Selbst aus Südafrika habe ihm eine befreundete Winzerin zugerufen: “Nimm die Palette und hilf!”
Würtz berichtet es beinahe fassungslos, allein durch seine Weinkisten seien rund 1,5 Millionen Euro an Spendengeldern zusammengekommen. Würtz ist Mitglied im Verband der Prädikatsweingüter (VDP), der Verband startete unmittelbar nach der Flut die Hilfsaktion “Der Adler hilft”, zu der auch Würtz Aktion beiträgt – insgesamt kamen rund 3,5 Millionen Euro beim VDP zusammen. “34.500 Weinpakete haben wir bis heute gepackt”, berichtet Würtz, “3.500 Pakete können wir noch packen, Richtung Frühsommer.” Der Ahr gehe es ja nach wie vor schlecht, “wir wollen deshalb versuchen, das kontinuierlich ein bisschen hoch zu halten”, sagt Würtz.
Die Schäden in den Weingütern an der Ahr gehen in die Millionen, die Auszahlung der Spenden aber stockt – noch immer ist die Frage, wie die Gelder unbürokratisch an die Weingüter ausgezahlt werden können, nicht endgültig geklärt. Anfang Februar hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärt, es sei nun “ein Auszahlungsweg gefunden”, doch in Rheinland-Pfalz wird nach Mainz&-Informationen weiter an einer Lösung gebastelt. “Mein letzter Stand vor zehn Tagen war, dass die Ministerien jetzt alle final verstanden haben, worum es geht”, sagt Würtz nun im Gespräch mit Mainz&: “Das allein ist ja ein Treppenwitz.”
Die Politik habe direkt nach der Flut versprochen, unbürokratisch und schnell zu helfen, “aber unbürokratisch hat in meiner Welt eine andere Definition”, sagt er. Nun aber seien offenbar “die fiskalischen Hürden final aus dem Weg geräumt”, er sei guten Mutes, dass die Gelder bald fließen könnten. Dass er heute hier an der Supermarkt-Kasse sitzt, ist für den Kult-Winzer, der lange Betriebsleiter bei Balthasar Ress im Rheingau war, Ehrensache: “Das wird zehn Jahre dauern, das alles wieder aufzubauen an der Ahr, da muss man doch helfen”, sagt er.
Toastbrot, Käse, Bier und so manche Flasche Wein zieht Würtz an diesem Nachmittag über das Band. An der Fleischtheke bedient Wirtin Muriel Stadelmann die erstaunten Besucher, und zwischendurch fließt auch mal ein Wein ins Glas – natürlich St. Antony-Wein. An der Kasse fliegen die Scherze, manch ein “Helau” schallt durch die Gänge, und natürlich darf auch der eine Gag nicht fehlen: “Dirk, was kosten die Kondome?”
“Erstaunlicherweise war es anstrengender, als ich gedacht habe”, sagt Würtz am Ende der zwei Stunden und elf Minuten: “Ich habe einen neuen Blick für die Kolleginnen hier an der Kasse bekommen.” Er sei ja sonst auch immer ein ungeduldiger Kunde gewesen, bekennt er, “aber das werde ich künftig nicht mehr sein: Ich werde an der Kasse nur noch freundlich lächeln.” Lächeln – das konnten am Ende auch alle Beteiligten beim Blick auf die Spendensumme: 3.100 Euro an Einkaufswert erarbeitete Würtz in den zwei Stunden. “Das stock ich auf”, sagt Würtz spontan: “Mach 4.000 Euro draus.”
Info& auf Mainz&: Mehr zum Problem mit der Auszahlung der Winzerspenden für die Ahr lest Ihr hier bei Mainz&. Unterstützung für die Flut-Betroffenen an der Ahr könnt Ihr aber nicht nur mit Wein leisten: Den “Flutorden”, dessen Erlöse für Karnevalsvereine an der Ahr zugute kommen, gibt es ab sofort auch im Edeka-Markt von Ralf Engelhard zu kaufen – die ganze Geschichte dazu lest Ihr hier bei Mainz&.