Die Flutkatastrophe an der Ahr hat auch die Winzer in dem kleinen Weinanbaugebiet schwerst getroffen. Von den rund 65 Vollerwerbsbetrieben im Ahrtal sind praktisch alle in Mitleidenschaft gezogen worden. Weingüter wurden verwüstet, Keller geflutet oder sogar ganze Produktionshallen weggerissen – samt Maschinen, Keltern und Weinfässern. Doch die Hilfsbereitschaft in der Weinbranche ist enorm, viele Winzer aus Rheinhessen, dem Rheingau, der Pfalz und anderen Gebieten eilten sofort ins Ahrtal, um zu helfen – denn nun ist auch noch die Ernte 2021 in Gefahr. Helfen können aber auch Weintrinker: bei Aktionen wie SolidAHRität oder dem „Flutwein“.

Verwüstetes Hotel in Altenahr an der mittleren Ahr. - Foto: gik
Verwüstetes Hotel in Altenahr an der mittleren Ahr, zweiWochen nach der Flut. – Foto: gik

„Die Situation in Mayschoß und an der ganzen Ahr ist schrecklich, und wir haben keinen Strom, kein Wasser und keinen Empfang“, schrieb die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr wenige Tage nach der verheerenden Flutwelle vom 14. Juli auf ihrem Facebook-Account – es war ein erstes Lebenszeichen aus dem Tal. Bis zu neun Meter hoch war der Tsunami in der Nacht des 14. Juli durch das Ahrtal gerast, hatte Häuser und Hallen mitgerissen, Keller und Wohngebäude unter Wasser gesetzt und schwere Verwüstungen angerichtet.

„Das komplette Gebäude der Winzergenossenschaft ist zerstört, und wir wissen aktuell nicht, wo wir zuerst helfen und anfangen sollen“, hieß es bei der Winzergenossenschaft, die sich rühmt, die älteste noch existierende Winzergenossenschaft Deutschlands zu sein. Jetzt ist die moderne Vinothek in Mayschoß nur noch ein Trümmerfeld, die alten Keller verwüstet.

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„Das ist eine wirkliche Apokalypse an der Ahr“, sagte Steffen Christmann, Präsident des Verbandes der Prädikatsweingüter (VDP) kurz nach der Katastrophe gegenüber Mainz&: „Wenn man diese Bilder sieht, die meterhohen Trümmerberge bis zum ersten Stock, das ist schwer für mich, da die Fassung zu behalten.“ Die Ahr hatte sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht als kleines, aber feines Rotweingebiet. Wahrscheinlich betrieben die Römer hier schon Weinbau, belegt ist er seit dem 8. Jahrhundert, zu den heutigen Winzern gehören so berühmte Namen wie Jean Stodden oder Meyer-Näkel.

Der Weinort Dernau wurde von der Flutwelle stark verwüstet. - Foto: gik
Der Weinort Dernau wurde von der Flutwelle stark verwüstet. – Foto: gik

„Das Weingut Meyer-Näkel ist nahezu ein Totalschaden“, berichtete Christmann, „da steht kein Stein mehr auf dem anderen.“ Eine neue Halle hätten die Winzer gerade am Fluss gebaut, sie wurde ebenso Opfer der Fluten, wie ihr Inhalt: 300 Barrique-Fässer voller Wein hätten die Fluten mitgerissen, berichtet Christmann, manche Fässer wurden in Kilometer weiter Entfernung gefunden.

Ein Einzelfall ist das nicht: Sowohl das Flaschenlager als auch der Weinkeller seien „komplett zerstört, und alles ist weg oder kaputt“, schrieb auch die ehemalige Deutsche Weinkönigin Julia Bertram aus Dernau an der Ahr auf ihrem Facebook-Account. Ihr und der ganzen Familie gehe es gut, aber die Häuser der Familie seien „unbewohnbar und zum Teil nicht zu erreichen.“ In Dernau hatten die Fluten besonders schlimm gewütet, hier wurden Häuser weggerrissen, manche gar noch mit ihren Bewohnern darin.

Auch die amtierende Deutsche Weinkönigin, Eva Lanzerath, kommt aus Walporzheim von der schwer getroffenen Mittel-Ahr, über ihren Verbleib ließ das Deutsche Weininstitut (DWI) die Fans zwei Tage lang im Unklaren – erst am Samstag hieß es: Eva und ihrer Familie gehe es gut, die Weinkönigin sei schwer zu erreichen gewesen, auch ihre Familie von der Flut hart getroffen.

Schutt und Zerstörung am Weingut Schlosshof in Dernau. - Foto: gik
Schutt und Zerstörung am Weingut Schlosshof in Dernau. – Foto: gik

„Da spielen sich gerade dramatische Situationen ab“, sagte auch Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) – bei manchen Betrieben stehe nichts mehr: Maschinen, Weinlager, Wohnhaus, Fahrzeuge, Straußwirtschaft und Pension. „Bei uns stand das Wasser im Hausflur 1,50 Meter hoch, Büro, Lager, alles ist vollgelaufen“, berichtet etwa Marita Heil vom Weingut J.J. Adeneuer in Ahrweiler. Die neue Heizung sei ebenso kaputt wie eine Raupe für die Weinbergsarbeit, sämtliche Geräte für die Arbeit in Keller und Weinberg seien weg oder von den Fluten zerstört.

Und dabei drängt die Arbeit in den Weinbergen: Wegen des warmen und feuchten Wetters gebe es aktuell „einen enormen Pilzdruck“, sagte Büscher, es drohe Befall mit dem falschen Mehltau und anderen Pilzkrankheiten – und damit auch noch Gefahr für den Jahrgang 2021. „Man muss jetzt schauen, dass es überhaupt noch eine Ernte gibt“, sagte Büscher gegenüber Mainz&. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) – selbst Winzerstochter von der Nahe – machte umgehend den Weg frei für die Ausbringung von Spritzmitteln per Hubschrauber und erwirkte eine Sondergenehmigung für die Flüge entlang der Ahr.

Helfer mit Bagger in Dernau an der Ahr. - Foto: gik
Helfer mit Bagger in Dernau an der Ahr. – Foto: gik

Bereits am ersten Wochenende nach der Katastrophe machten sich Winzer aus den übrigen Weinanbaugebieten in Deutschland auf zum Helfen an die Ahr. Da springen Winzer der Landjugend Rheinhessen in den Weinbergen ein, bringen Rheingau-Winzer und Rheinhessen ihre Traktoren und Gerätschaften zu den Kollegen. Die Hochschule Geisenheim rief zusammen mit der Alumni-Vereinigung Ehemaliger Geisenheimer eine Hilfsaktion mit einem Pool fachkundiger Geisenheimer ins Leben, die in den kommenden Monaten in den Weinbergen, Gärten, Kellern und Betrieben aushelfen werden. Die Betriebshelfer werden für ihren Einsatz bezahlt und sind versichert, auch Transport und Unterkunft werden von der Hochschule und dem Alumni-Verein bezahlt.

„Es wird viel geholfen, und der VDP ist an erster Front“, sagte Christmann, viele Winzer seien mit Maschinen und Manpower an der Ahr, Helfer aus der Pfalz, aus Württemberg und Franken: „Wir sind voll im Hilfsmodus.“ Der VDP selbst rief umgehend eine Spendenaktion ins Leben, Dank des vor Jahren gegründeten Vereins „Der VDP.Adler hilft“ können ganz offiziell Spenden für die Ahr gesammelt werden. Man wolle ein finanzielles Hilfspaket schnüren, „für den gesamten Weinbau an der Ahr, nicht nur für VDP-Winzer“, betonte Christmann.

Die Weinberge in voller Pracht, doch davor Verwüstung und Zerstörung: die Ahr nach der Flutkatastrophe. - Foto: gik
Die Weinberge in voller Pracht, doch davor Verwüstung und Zerstörung: die Ahr nach der Flutkatastrophe. – Foto: gik

In zahlreichen Weingütern würden derzeit reihenweise Solidar-Pakete geschnürt, bei den Winzer ihre eigenen Weine zugunsten der Ahr-Winzer verkauften, berichtete Christmann weiter – eine Aktion seines eigenen Weinguts sei binnen zwei Stunden ausverkauft gewesen. Winzer Dirk Würtz, geschäftsführender Gesellschafter des VDP-Weinguts St. Antony, rief die Hilfsaktion „SolidAHRität“ ins Leben, die ersten 10.000 Pakete mit sechs Solidaritätsweinen zum Preis von 65,- Euro für die Ahr-Kollegen waren im Handumdrehen ausverkauft.

Kommendes Wochenende trifft man sich nun zum Verpacken neuer Pakete in der großen Kümmerling-Halle in Bodenheim bei Mainz, hier wollen auch die DWI-Hausspitze sowie Ministerpräsidentin Malu Deryer (SPD) und Ministerin Klöckner mit Hand anlegen. Alle Überraschungsweine wurden von Winzern und Weinhändlern gesponsert, der gesamte Erlös kommt betroffenen Kollegen an der Ahr zugute. Und auch den Weingütern an der Ahr können Weinfans direkt helfen: Unter dem Motto „Flutwein“ verkaufen Ahr-Winzer derzeit die Flaschen aus ihren Kellern, die sie noch heil bergen konnten – Schlamm inklusive. „Unser schlimmster Jahrgang“, schreiben die Winzer selbst dazu. Informationen dazu unter  https://www.flutwein.de www.flutwein.de

Info& auf Mainz&: Die Weinpakete der SolidAHRität könnt Ihr beim Weingut St. Antony erwerben, den genauen Link googelt bitte. Mehr zur Flutkatastrophe an der Ahr könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen,

 

 

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