Am Dienstag endet das 9-Euro-Ticket, und das günstige Nahverkehrsticket war ein voller Erfolg: 52 Millionen verkaufte Tickets meldete nun der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV), davon ließen zehn Prozent ihr Auto stehen. Jeder fünfte Ticketnutzer war ein Neukunde – und mit dem Ticket wurden in drei Monaten so viel CO2 eingespart, wie ein Jahr Tempolimit auf Autobahnen brächte. Trotzdem ist ein Nachfolgeticket für das Erfolgsmodell weiter nicht in Sicht – und den ÖPNV-Nutzern steht erst einmal ein drastischer Preisschock bevor.

Das 9-Euro-Ticket galt von Juni bis August 2022. - Foto: Schnarr
Das 9-Euro-Ticket galt von Juni bis August 2022. – Foto: Schnarr

Das 9-Euro-Ticket war gemeinsam mit dem Tankrabatt Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung, mit dem die Bürger wegen der explodierenden Energiekosten in Folge des Ukraine-Kriegs entlastet werden sollten. Das Ticket galt von Juni bis August, die Skepsis im Vorfeld war vor allem bei vielen Verkehrsunternehmen groß: Billigere Tickets seien doch gar nicht so wichtig für die Kunden, viel wichtiger sie doch ein gutes Angebot, hieß es. Wenn es gut laufe, bekomme man die Kundenfrequenz vor der Corona-Pandemie zurück, meinte die Mainzer Mobilität.

Die Bilanz nach drei Monaten lautet indes: Das Ticket war ein absoluter Erfolg. Die Kunden stürmten regelrecht den Nahverkehr, das galt vor allem für die Nahverkehrszüge. Aber auch der ÖPNV in Mainz profitierte: Bei der Mainzer Mobilität zieht man am Ende der drei Monate eine positive Bilanz. Stichprobenartige Fahrgastzählungen im Verlaufe der drei Monate hätten ergeben, dass pro Monat etwa 180.000 Fahrgäste unterwegs gewesen seien, sagte Unternehmenssprecher Michael Theurer auf Mainz&-Anfrage – das seien fast so viele wie vor der Corona-Pandemie.

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Damit hätte sich die Hoffnung der Mainzer erfüllt, Fahrgäste zurück zu locken, die wegen der Corona-Pandemie ausgeblieben waren. Gleichzeitig straft das 9-Euro-Ticket aber auch alle diejenigen Lügen, die meinen, der Preis sei eben nicht so wichtig: 88 Prozent der Nutzer äußerten sich zufrieden mit dem 9-Euro-Ticket und gaben als wichtigsten Grund den niedrigen Preis an. Weitere Gründe waren die einfache Nutzung: Erstmals konnte man in Deutschland mit einem Ticket quer durch die Republik fahren, ungestört von Zuständigkeitsgrenzen. 31 Prozent der Fahrten nutzten genau diesen Vorteil.

Umfrage: 10 Prozent Fahrten vom Auto auf ÖPNV verlagert

Rappelvolle Busse und Bahnen gab es während des 9-Euro-Tickets oft. - Foto: gik
Rappelvolle Busse und Bahnen gab es während des 9-Euro-Tickets oft. – Foto: gik

Eine Umfrage unter rund 6.000 Nutzern im Auftrag des Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) stellte denn auch einen „deutlichen Verlagerungseffekt“ zugunsten des Nahverkehrs fest: 17 Prozent der 9-Euro-Ticket-Nutzer seien im August von anderen Verkehrsmitteln wie Pkw oder Fahrrad auf den ÖPNV umgestiegen, teilte der VDV am Montag mit. Noch wichtiger: Zehn Prozent der Käufer des 9-Euro-Tickets verzichteten im August auf mindestens eine ihrer täglichen Autofahrten, im Juni waren das noch 8 Prozent gewesen.

Damit zeigt sich: Der Preis ist sehr wohl ein Argument beim Umstieg vom Auto auf den ÖPNV. Und die Umfrage stellte auch fest: Entgegen erster Tendenzen zu Beginn, nach denen das 9-Euro-Ticket vorwiegend für Freizeitfahrten benutzt wurde, werde das Ticket auch immer mehr für Alltagsfahrten genutzt: 52 Prozent der Käufer hätten das Ticket genutzt für Erledigungen, Arztbesuche oder Einkaufen, 40 Prozent für Besuchsfahrten und 37 Prozent für Wege zur Arbeitsstätte. Ausflugsfahrten und Städtereisen folgten demnach erst mit 33 beziehungsweise 32 Prozent.

 

Jeder fünfte Käufer sei zudem ein Neukunde gewesen, der den ÖPNV zuvor normalerweise nie genutzt habe, berichtet der VDV weiter. Und 27 Prozent der Käufer seien aktivierte Kunden, die den ÖPNV zuvor seltener als einmal im Monat nutzten. Vermutlich hat fast die Hälfte der Deutschen wenigstens einmal ein 9-Euro-Ticket gekauft: Der VDV meldet bis 52 Millionen verkaufte Tickets. Heruntergebrochen auf Mainz seien das etwa 60.000 Menschen, die in Mainz das Ticket genutzt haben, dazu kämen noch die Studierenden, heißt es bei der Mainzer Mobilität.

So viel CO2 eingespart wie ein Jahr Tempolimit

Das 9-Euro-Ticket sparte so viel CO2 ein, wie ein ganzes Jahr Tempolimit - sagt der VdV. - Grafik: VdV
Das 9-Euro-Ticket sparte so viel CO2 ein, wie ein ganzes Jahr Tempolimit – sagt der VdV. – Grafik: VdV

Die erstaunlichsten Ergebnisse jedoch: Das 9-Euro-Ticket hatte auch einen erheblichen und positiven Effekt auf das Klima und den CO2-Ausstoß in Deutschland. Pro Monat habe das 9-Euro-Ticket wegen der Verlagerung der Fahrten vom Auto auf den ÖPNV Berechnungen zufolge rund 600.000 Tonnen CO2 eingespart, in den gesamten drei Monaten seien das dann rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 gewesen. Damit haben „drei Monate 9-Euro-Ticket so viel CO2 eingespart wie ein Jahr Tempolimit“ mit Tempo 130, bilanziert der VDV.

Trotzdem wird es für das Billigticket erst einmal keinen Nachfolger geben: SPD, Grüne und FDP in Berlin können sich weiter nicht auf eine Nachfolgeregelung einigen. Die Grünen forderten wiederholt und vehement eine Anschlussregelung, die SPD will ein schlägt ein 49-Euro-Ticket vor – doch in der FDP wird eine Nachfolgeregelung bisher eisern blockiert. Damit droht Pendlern und Ausflüglern in Mainz und dem Rhein-Main-Gebiet am Mittwoch ein wahrer Preisschock: Ab dem 1. September zahlen Fahrgäste in Mainz dann wieder 3,20  Euro Euro für ein Einzelticket, für eine Monatskarte werden 89,70 Euro für Erwachsene und 70,90 Euro für Schüler und Azubis fällig – alle Preise der Mainzer Mobilität hier.

 

Preisschock ab 1. September im Nahverkehr

Just zum 1. Juli hatte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) seine Fahrtkartenpreise noch einmal um satte 3,9 Prozent angehoben, wegen des 9-Euzro-Tickets werden die wenigsten das erst einmal gemerkt haben. Umso drastischer dürfte der Preisschock am Mittwoch ausfallen: Schon eine einfache Fahrt von Mainz nach Frankfurt kostet dann 9,55 Euro, eine Monatskarte für die gleiche Strecke 199,20 Euro.

Attraktiver Nahverkehr in Rhein-Main? Zum 1. September wartet der Preisschock auf die Kunden. - Foto: RMV
Attraktiver Nahverkehr in Rhein-Main? Zum 1. September wartet der Preisschock auf die Kunden. – Foto: RMV

Der RMV zog bereits Mitte August eine zufriedene Bilanz des Sondertickets: Neben mehr als einer Million Zeitkarten-Kunden, deren Fahrkarte automatisch zum 9-Euro-Ticket wurde, seien in den drei Monaten 2,3 Millionen 9-Euro-Tickets zusätzlich im RMV verkauft worden, hieß es Mitte August. „Die während Corona zeitweise auf rund 30 Prozent des üblichen Niveaus zurückgegangene Fahrgastnachfrage, erreichte im Sommer wieder Vor-Corona-Niveau, im Durchschnitt also wieder etwa 2,5 Millionen Fahrgäste täglich“, freute sich RMV-Vorsitzender Knut Ringat. Darunter seien rund 30 Prozent Neukunden gewesen.

Eine spürbar höhere Nachfrage habe vor allem im Freizeitverkehr, auf schnellen RegionalExpress-Verbindungen sowie in touristisch besonders attraktiven Regionen bestanden, so Ringat weiter. Teilweise gab es denn auch massiv überfüllte Züge, doch das Ticket zeigte auch: Ist der Preis so billig, haben die Fahrgäste sogar Verständnis bei chaotischen Zuständen. „Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, welche Potenziale der öffentliche Nahverkehr besonders im Freizeitverkehr hat“, betonte denn auch Ringat.

 

Zugleich sei aber auch deutlich geworden, dass es mehr Schienen, mehr Mitarbeitende und zusätzliche Fahrzeuge brauche, damit mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen könnten. „Es liegt nun an der Politik, attraktive Nachfolgeangebote einzuführen, das Streckennetz auszubauen und die Finanzierung eines leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehrs dauerhaft zu sichern“, forderte Ringat zudem.

Politik fordert Nachfolgeregel – aber liefert nicht

Blockiert bisher eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). - Foto: gik
Blockiert bisher eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). – Foto: gik

Doch die Politik liefert bislang nicht, gleichzeitig fordern aber gerade die Parteien, die in Berlin regieren, vehement ein Nachfolgeticket. „Dauerhaft günstiger ÖPNV ist und bleibt ein zentrales Thema, wir setzen uns daher für eine schnellstmögliche Nachfolgeregelung für das erfolgreiche 9 Euro-Ticket auf Bundesebene ein“, teilte etwa die Mainzer SPD vergangene Woche mit. Dass das Ticket jetzt auslaufe und ab September wieder die alten Preisregeln gälten, sei „schade“, Bund und Länder müssten gemeinsam eine Nachfolgeregel finanzieren. „Der Bundeskanzler und mit ihm die SPD denken in die richtige Richtung“, heißt es aus dem Mainzer Verband.

Die Mainzer Linke nahm das zum Anlass, um kräftig gegen die Partei zu sticheln, die immerhin in Berlin und Mainz regiert und die Regierungschefs stellt: SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz habe „es richtig erkannt: das 9-Euro-Ticket ist eine der besten Ideen der Ampel“, sagte etwa Linken-Ko-Sprecher Barka Baum. Umso unverständlicher sei, dass dieses Ticket ausgerechnet zu Beginn der Heizperiode und dem Start der „sozial äußerst ungerechten Gasumlage“ auslaufe: Nun drohe die Verzehnfachung des Preises eines Monatstickets in Mainz ab September.

 

Subventionen für Diesel, Dienstwagen, Kerosin streichen

„Natürlich ist das 9-Euro-Ticket dauerhaft finanzierbar“, betonte zudem Carmen Maurer, Ko-Fraktionsvorsitzende der Linken im Mainzer Stadtrat. Nach Angaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) würde ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket jährlich 14 Milliarden Euro kosten. „Das ist nur ein Bruchteil des neuen Sondervermögens der Bundeswehr, das innerhalb weniger Tage plötzlich verfügbar war“, sagte Maurer. Würden die Subventionen auf Diesel, Dienstwagen, Kerosin und die Befreiung von der Mehrwertsteuer bei internationalen Flügen gestrichen, sei nicht nur diese Finanzierung sicher, sondern auch zusätzliche Investitionen in den ÖPNV.

Landende Maschine am Frankfurter Flughafen. - Foto: Fraport
Landende Maschine am Frankfurter Flughafen. – Foto: Fraport

„Das 9-Euro-Ticket hat nichts mit Gratismentalität gemein, es ist eine vernünftige, soziale und ökologische Verkehrspolitik“, unterstrich Maurer. Auch die Mainzer Initiative für Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr (IKUL) argumentiert ähnlich: Das Ticket könne schon allein durch die Abschaffung der Kerosinsteuer finanziert werden, rechnet die IKUL vor: Die Kerosinsteuer allein würde „über 10 Milliarden Euro im  Jahr bringen – eben so viel, wie uns das so erfolgreiche 9-Euro-Ticket kostet“, sagte IKUL-Vorsitzender Jochen  Schraut.

Es verstehe doch ohnehin keiner mehr, „warum der Luftverkehr nicht wie jedes andere Verkehrsmittel besteuert, sondern mit Milliarden subventioniert wird“, kritisierte Schraut.: „Statt Flüge zum Taxipreis also umweltfreundlicher Bahntransport für jedermann: das ist die realistische, der Umwelt und der Zukunft unserer Kinder geschuldete Forderung der Initiative an die Politiker in Berlin.“ Umweltverbände und Mobilitätsdienstleister hatten gar in den drei Monaten weniger Staus und positive Auswirkungen auf die Luftqualität feststellen wollen.

 

Die Forderungen nach einem Nachfolgeticket reichen von Null Euro wie bei der Linken bis hin zu einem 69-Euro-Ticket, wie der VDV vorschlug. Ein konkreter Vorschlag kommt nun aus Hessen: Der grüne Verkehrsminister Tarek Al-Wazir schlug am Dienstag eine zweigeteilte Nachfolgeregelung vor. „Mein Vorschlag: ein 31-Euro-Ticket für Bedürftige und ein 69-Euro-Ticket für alle anderen“, sagte Al-Wazir.

Das koste bundesweit etwa zwei Milliarden Euro, dafür müsse der Bund den Ländern die Verkehrsmittel erhöhen. „Das Land Hessen wäre bereit, auf jeden zusätzlichen Bundes-Euro für die Angebotsausweitung einen Euro aus Landesmitteln draufzulegen“, betonte Al-Wazir, der zudem schwärmte: „Das größte Experiment im ÖPNV, das es in Deutschland je gab, war ein Erfolg.“

Info& auf Mainz&: Die ganze Umfrage des VDV zum 9-Euro-Ticket findet Ihr hier im Internet. Eine spannende Studie, wie das 9-Euro-Ticket die Mobilität verändert hat, findet Ihr auch hier beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).