Der Bruch der Ampelkoalition in Berlin und die Aussicht auf Neuwahlen im März 2025 sind in Mainz weitgehend mit Erleichterung aufgenommen worden. „Jetzt ist Klarheit da“, reagierte etwa die Mainzer FDP, bei den Grünen hieß es, das Ergebnis habe sich abgezeichnet. Die Wertungen gehen naturgemäß auseinander: Während die CDU davon sprach, dass Olaf Scholz als Bundeskanzler „gescheitert“ sei, warf die SPD Bundesfinanzminister Lindner „Respektlosigkeit gegenüber dem Wähler“ vor. Offenbar wirkte auch die erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten als Brandbeschleuniger für das Ampel-Aus.

Finanzminister Christian Lindner am Mittwochabend bei seinem Statement nach dem Bruch der Berliner Ampel. - Screenshot: gik
Finanzminister Christian Lindner am Mittwochabend bei seinem Statement nach dem Bruch der Berliner Ampel. – Screenshot: gik

Am Mittwochabend war nach zahlreichen Auseinandersetzungen und monatelangem Krach die Ampel-Koalition in Berlin krachend gescheitert: Nach einem Krisentreffen entließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Finanzminister Christian Lindner, und warf dem FDP-Mann öffentlich Egoismus, Verantwortungslosigkeit und „kleinkariertes parteitaktisches“ Agieren vor. Lindner wiederum warf Scholz „den kalkulierten Bruch“ der Koalition vor und klagte, seine Vorschläge seien nicht einmal als Beratungsgrundlage in Erwägung gezogen worden. Scholz habe „die wirtschaftlichen Sorgen der Bürger lange verharmlost“, sagte Lindner am Abend in einem Statement.

Das Ergebnis: Scholz kündigte an, Mitte Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, sollte diese wie erwartet scheitern, gibt es Neuwahlen – diese müssten dann bis Ende März 2025 stattfinden. Die Reaktionen am Abend im politischen Mainz waren einhellig: Es überwog die Erleichterung. „Ich glaube, dass es gut ist, dass es mal ein Ende gefunden hat“, sagte David Dietz – der FDP-Mann ist seit Kurzem Kandidat der Mainzer FDP für den Bundestag. „Ganz offensichtlich haben da Vorstellungen nicht mehr zueinander gepasst“, sagte Dietz nun auf Anfrage von Mainz&: „Das Ende ist folgerichtig.“

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Dietz: Bruch war vorbereitet, Umgang miteinander „unwürdig“

Nach seinem Eindruck habe der Bruch durchaus an beiden Seiten gelegen, sagte Dietz weiter: „Ich glaube, dass sowohl Lindner als auch Scholz mit einer Taktik da heute reingegangen sind“, sagte der langjährige FDP-Fraktionschef im Mainzer Stadtrat: „Was Scholz vorgetragen hat, war vorbereitet.“ Scholz‘ Schimpftirade auf Lindner nannte Dietz zugleich eines Kanzlers „nicht angemessen“, „der Kanzler wollte noch mal unter Beweis stellen, dass er führungsstark ist“, analysierte Dietz.

Kandidiert für den Deutschen Bundestag: Der langjährige FDP-Fraktionschef im Mainzer Stadtrat, David Dietz. - Foto: Dietz -
Kandidiert für den Deutschen Bundestag: Der langjährige FDP-Fraktionschef im Mainzer Stadtrat, David Dietz. – Foto: Dietz –

In Wahrheit aber habe doch Scholz „seine Richtlinienkompetenz erkennbar nicht ausgeübt, er hat eben nicht die Führung geliefert, die er versprochen hat“, kritisierte Dietz. Der Mainzer übte aber auch Kritik an den eigenen Parteivertretern in Berlin: „Man übernimmt Verantwortung, um sie bis ans Ende durchzuhalten“, das hätten auch die FDPler „eben nicht hinbekommen“, kritisierte er: „Es war unwürdig, wie man zum Schluss miteinander umgegangen ist, da nehme ich keinen der Beteiligten aus.“

Das von Finanzminister Lindner vergangene Woche vorgelegte Wirtschaftspapier aber „halte ich für den richtigen und einen klugen Weg“, sagte Dietz aber auch – dafür brauche die FDP aber auch den richtigen Koalitionspartner. „Wenn es so weit kommt, dass man sich auseinander gelebt hat, muss man den Schlussstrich ziehen – alles andere ist unwürdig“, betonte der Mainzer. Deshalb seien Neuwahlen der richtige Schritt, „jetzt entscheidet der eigentliche Souverän – das Volk.“

Delbasteh, SPD: Gebaren Lindners „respektlos vor dem Wähler“

Den Schritt zu Neuwahlen sieht man in der SPD ganz ähnlich: „Es muss jetzt schnell gehandelt werden“, sagte der Mainzer SPD-Kreischef Ata Delbasteh am Abend gegenüber Mainz&, und forderte vom eigenen Kanzler: „Er muss jetzt zeigen, dass er zu dem Handeln kommt, was lange von ihm gefordert wurde. Daran wird sich jetzt messen, was für ein Kanzler er tatsächlich war.“

Der Mainzer SPD-Chef Ata Delbasteh: "Auf Wahlen gut vorbereitet". - Foto: Delbasteh
Der Mainzer SPD-Chef Ata Delbasteh: „Auf Wahlen gut vorbereitet“. – Foto: Delbasteh

Delbasteh warf zugleich Lindner vor, parteipolitisch zu taktieren, dabei aber vor allem seine eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen. „Dass er damit seiner Partei schadet, müsste ihm bewusst sein“, kritisierte Delbasteh – Lindner Gebaren sei „unseriös“ und unverantwortlich. „In dieser Lage, was die marode Infrastruktur angeht, nach Corona, Trump, Krieg, da den Rückzieher zu machen, uns in so eine Situation zu bringen und den Kanzler zum Handeln zu zwingen, das ist absolut respektlos gegenüber dem Wähler“, kritisierte Delbasteh.

Dass die Ampel „fertig hatte, das hat man gesehen“, sagte der Mainzer SPD-Chef weiter: „Deswegen war es genau richtig, dass der Kanzler dem Finanzminister entlassen hat.“ Es sei auch gut, dass Scholz direkt die Hand in Richtung CDU-Opposition ausgestreckt habe, und dass er keine Minderheitsregierung anstrebe: „Es muss jetzt schnell gehandelt werden“, betonte Delbasteh: „Wir müssen fit für die Zukunft werden, und das so schnell wie möglich.“ Die Mainzer SPD sei für den Wahlkampf gut aufgestellt, sagte er noch: „Wir sind im Training.“

FDP-Chefin Glahn: Wahl von Trump als „Mind Changer“

Den Einfluss der US-Wahl betonte aber auch die Mainzer FDP-Kreischefin Susanne Glahn: „Ich war immer der Meinung, wer Verantwortung übernommen hat muss sie auch bis zum Ende durchhalten“, sagte Glahn im Mainz-Gespräch: „Der Ausgang der Wahl in Amerika letzte Nacht hat für mich aber zu einem Mind Changer geführt.“ Mit dem Sieg von Donald Trump müsse Deutschland seine Prioritäten neu ordnen, betonte Glahn: „Ich bewerte jetzt Dinge neu – und die Freiheit, die Sicherheit von Deutschland und Europa, das hat für mich jetzt höchste Priorität.“

Sie bange um „die Freunde in der Ukraine“ und „die Errungenschaften einer gewaltfreien Freiheit, ich möchte nicht, dass das für meine Tochter stirbt“, unterstrich Glahn. Die Ampel-.Koalition aber habe aus ihrer Sicht „das Thema Sicherheit und Freiheit von Europa nicht so hoch gesetzt, wie es jetzt hätte sein müssen.“ Kanzler Scholz habe sich „immer ein bisschen im Elfenbeinturm versteckt“, sagte Glahn weiter: „Das hat mir bei Scholz immer gefehlt: dieser Mann führt überhaupt nicht.“ Ein „Aussitzen von Krisen, das können wir uns nicht mehr leisten“, fügte sie hinzu.

CDU: Scholz als Kanzler gescheitert

Auch die CDU in Rheinland-Pfalz warf Scholz vor, als Kanzler gescheitert zu sein: „Die Bilanz nach drei Jahren unter seiner Führung ist erschütternd: eine historische Wirtschaftskrise, die Verdopplung der AfD und eine höchst verunsicherte Bevölkerung, die das Vertrauen in Politik und Staat verloren hat“, kritisierte CDU-Generalsekretär Jo Steiniger am Abend. Massiv gestiegen seien dagegen Staatsschulden und Bürokratie, „statt nach vorn ging es in Deutschland mit der Ampel vor allem nach unten“, schimpfte Steiniger: „Was als selbsternannte ‚Fortschrittskoalition‘ begonnen hat, endet mit einer Notbremse.“

Der Generalsekretär der rheinland-pfälzischen CDU, Johannes Steiniger, sieht die CDU bereit, Verantwortung zu übernehmen. - Foto: Steiniger
Der Generalsekretär der rheinland-pfälzischen CDU, Johannes Steiniger, sieht die CDU bereit, Verantwortung zu übernehmen. – Foto: Steiniger

Die CDU stehe bereit, Verantwortung für das Land zu übernehmen, „die Dinge zu ordnen und mit einer verlässlichen Politik für wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit zu sorgen“, sagte der Generalsekretär weiter: „Wir brauchen einen Kanzler, der sicher führt und Orientierung bietet“ – dafür stehe CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. „Ich begrüßen die Chance, dass die CDU auch im Bund wieder Verantwortung übernehmen kann“, sagte auch der Mainzer CDU-Fraktionschef Ludwig Holle: „Die Partei hat dafür die richtigen Ideen und das passende Personal.“

Holle betonte zugleich aber auch, die CDU werde sich in Mainz „auf die lokalen Themen konzentrieren“. Man könne auch „als neue Koalition gemeinsam gute Lösungen erarbeiten“, sagte Holle mit Blick auf die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen im Mainzer Stadtrat – die CDU will dort mit Grünen und SPD koalisieren. Die Mainzer Grünen sehen denn auch keine Auswirkungen des Berliner Ampel-Bruchs auf Mainz oder Rheinland-Pfalz: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir für den Wahlkampf sehr gut aufgestellt sind“, sagte Grünen-Kreischef Jonas König am Abend: „Wir werden sehr gut herausarbeiten können, wofür wir Grüne stehen.“

Grüne: Entlassung Lindners „folgerichtig wie unnötig“

SPD, Grüne und vor allem die FDP müssen bei Neuwahlen erhebliche Verluste befürchten. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte am Abend in einem eigenen Statement, die Entlassung Lindners durch Scholz sei „ebenso folgerichtig wie unnötig“ gewesen. Lindner habe Einigungsvorschläge zur Aufstellung des Haushalts sowie zur Stärkung der Ukraine nach der Trump-Wahl nicht mitgehen wollen. Im Zentrum stand hier offenbar ein Lockern der Schuldenbremse – was Lindner kategorisch abgelehnt hatte.,

Deutschland steht vor Neuwahlen des Deutschen Bundestages, hier ein Abendblick in den Plenarsaal. - Foto: Thomas Trutschel, Bundestag
Deutschland steht vor Neuwahlen des Deutschen Bundestages, hier ein Abendblick in den Plenarsaal. – Foto: Thomas Trutschel, Bundestag

„Wir haben verhandelt und Kompromisse angeboten, wir haben ausgehalten, dass die FDP bestehende Absprachen aufgekündigt hat und neu verhandeln wollte“, klagte auch der Mainzer Bundestagsabgeordnete Daniel Baldy in einem Statement. Die FDP habe „dafür aber ganz offensichtlich keine Kraft mehr. Diese Politik ist nicht nur kurzsichtig, sondern gefährdet die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, schimpfte der Sozialdemokrat, der aber auch einräumte: Die Ampel in Berlin sei gescheitert.

Die Verantwortung wies auch Baldy allein der FDP zu: „Die Ampel-Koalition ist mit großen Ambitionen, einem klaren Mandat und progressiven Vorhaben in die Legislatur gestartet“, sagte er. Doch „an entscheidenden Stellen“ sei man immer wieder von der FDP blockiert worden, die sich geweigert habe, notwendige und zukunftsfähige Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur zu ermöglichen. „Ideologie wurde dabei über Kompromiss und Verantwortung für dieses Land gestellt“, kritisierte Baldy: „Diese Blockaden dienten nicht dem Wohl des Landes.“

FDP zieht auch verbleibende Minister aus der Ampel ab

Die SPD strebe jetzt „einen geordneten Übergang zu vorgezogenen Neuwahlen im März an“, biss dahin werde man „die Bundesregierung gemeinsam mit den Grünen weiter führen“, sagte Baldy zudem. Das warf die Frage auf, was eigentlich mit den noch in der Regierung verbleibenden Ministern der FDP war – die FDP stellte neben Lindner mit Volker Wissing den Verkehrsminis6ter, mit Marco Buschmann den Justizminister und mit Bettina Stark-Watzinger die Bundesbildungsministerin.

Am Abend kündigte die FDP dann an, auch die drei verbliebenen Minister würden zurücktreten und gemeinsam mit Lindner ihren Rücktritt beim Bundespräsidenten einreichen. Besonders der Rheinland-Pfälzer Volker Wissing hatte bis zum Schluss um einen Verbleib in der Ampel gekämpft: „Ein Rückzug aus der Koalition wäre respektlos“, hatte Wissing noch am 1. November in einem Gastbeiztrag für die FAZ erklärt – den Bruch der Koalition hielt das nicht mehr auf.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Aus für die Berliner Ampel und wie Olaf Scholz das Scheitern begründete, könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.