Die Stimmen, Künstlern, Kulturschaffenden und Solo-Selbstständigen in der Coronakrise ebenfalls richtige Soforthilfen zukommen zu lassen, mehren sich: Die Grünen im Bund fordern nun einen eigenen Rettungsfonds für Kulturschaffende und Solo-Selbstständige, ansonsten drohe „ein Einbruch und Kahlschlag, wie ihn unsere Gesellschaft in den letzten 75 Jahren nicht erlebt hat“, warnt die Partei. Auch in Hessen mehren sich die kritischen Stimmen: Kulturministerin Angela Dorn (Grüne) habe „viel versprochen, aber wenig gehalten“, kritisierte dort nun die oppositionelle FDP – Hilfe sei aber „dringend geboten.“
„Die Kultur liegt im künstlichen Koma“, heißt es in dem Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Kultur der Grünen: „Keine Live-Aufführungen, keine Konzerte,
keine Bibliotheken und Museen, geschlossene Buchhandlungen, keine Poetry-Slams, geschlossene Clubs und Theater“ – die Kulturszene stehe still. Mit einem Schlag sei dadurch unzähligen Kulturschaffenden, Künstlern, Kreativen und auch Medienschaffenden die Existenzgrundlage entzogen worden. „Kultureinrichtungen stehen vor der Pleite, der kulturellen Infrastruktur droht der Zusammenbruch“, warnt das Papier, das von zwei Dutzend Grünen-Politikern aus Bund und Ländern unterschrieben wurde, darunter Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth.
„Auf die Kultur kommt es an“, heißt es in dem Papier weiter, die zahllosen Kulturbetriebe und ihre Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der kulturellen
Bildung seien „elementar für Kultur als gesellschaftliche Orientierung und Inspiration“ sowie die Bewahrung des kulturellen Erbes. Doch nun sei genau diese Kultur „in der gegenwärtigen Krise in höchster Gefahr, genauso wie die Kulturschaffenden in ihrer wirtschaftlichen Existenz selbst“, warnt die Partei, denn die Soforthilfen von Bund und Ländern reichten „bei genauer Betrachtung“ nicht aus – Teile des Kulturbetriebs fielen „durch alle Raster.“
Tatsächlich kommen die Soforthilfen des Bundes bei den Akteuren im Bereich der Solo-Selbstständigen und Freiberufler nicht an, weil der Bund die Verwendung der Mittel auf betriebliche Sach- und Finanzausgaben begrenzte. Damit dürfen die 9.000 Euro nur für betriebliche Mieten, Kredite oder Leasingverträge sowie einzelnen Betriebsausgaben verwendet werden, Ausgaben, die die meisten Solo-Selbstständigen aber gar nicht regelmäßig haben. Unternehmerhonorare oder der Ausgleich für entgangene Aufträge oder Auftritte dürfen von den Geldern aber nicht ausgeglichen werden, damit gehen Hunderttausende kleiner Solo-Unternehmer bei den Hilfen leer aus.
Der Bund, aber auch die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen verweisen die Betroffenen nun in die Corona-Grundsicherung der Arbeitsämter, viele Solo-selbstständige empfinden das aber als einen Schlag ins Gesicht – die Grundsicherung entspricht weitgehend dem Arbeitslosengeld II, die Arbeitsagentur zahlt die Miete, das kommt auch nicht bei allen Vermietern gut an. Viele Freiberufler und Solo-Selbstständige fühlen sich derzeit als „Unternehmer zweiter Klasse“, in Rheinland-Pfalz hagelte es bereits Brandbriefe von fast einem Dutzend Kulturverbänden, Gewerkschaften und zuletzt von Honorarkräften an Volkshochschulen und anderen Bildungseinrichtungen in Mainz.
„Wir fordern deshalb einen gut ausgestatteten Rettungsfonds für Kulturschaffende und Solo-Selbstständige“, sagt die Mainzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Grüne), Mitautorin des Papiers. Kulturschaffende benötigten eine schnelle finanzielle Unterstützung, um entgangene Honorare durch Veranstaltungsabsagen und Ähnliches ausgleichen zu können. Und diese Hilfen dürften nicht abhängig sein vom Wohnort oder Arbeitsort, es müsse sie in allen Bundesländern gleichermaßen geben, fordern die Grünen.
Derzeit gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern: Solo-Selbstständige aus Baden-Württemberg erhielten so etwa Zuschussbescheide, laut denen die Gelder explizit für Unternehmerhonorare verwendet werden dürfen – in Rheinland-Pfalz und Hessen ist das verboten. Der kulturpolitische Sprecher der FDP im hessischen Landtag, Stefan Naas, warf deshalb nun der hessischen Kultuministerin Angela Dorn (Grüne) vor, sie habe „viel versprochen, aber bislang nichts gehalten.“ Dorns Versprechung, Kulturschaffende bekämen wegen ausfallender Veranstaltungen Soforthilfen aus Bundes- und Landesmitteln, habe sich „als Luftnummer erwiesen“, schimpfte Naas: „Bundes- und Landesmittel werden gemeinsam ausgezahlt, Hessen ist also vom Bund abhängig – und in Berlin konnte sich die Ministerin nicht durchsetzen.“
Dorn ist nicht die einzige: Auch der rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf (SPD) hatte mehrfach Hilfen für Kulturschaffende in Corona-Not versprochen, auch Wolfs Versprechungen führten nirgendwohin: Rheinland-Pfalz legte kein eigenes Landeszuschussprogramm auf wie andere Bundesländer, die vom Land angebotenen Kredite sind für Solo-Selbstständige praktisch nutzlos – auch weil Banken derzeit ohnehin nur sehr zögerlich Kredite vergeben.
Künstlerisch tätige Solo-Selbstständige wie die Klavierlehrerin oder der Jongleur würden zwecks Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die Grundsicherung verwiesen, kritisierte Naas, auch Künstler und andere Freiberufler bräuchten aber schnelle und unbürokratische Unterstützung. Naas forderte ein eigenes hessisches Unterstützungsprogramm mit Mitteln aus dem hessischen Nachtragshaushalt: Wie für die Wirtschaft, so gelte auch für die Kultur, dass eine Grundstruktur erhalten werden müsse.
Das fordern pikanterweise gleichzeitig auch die Grünen auf Bundesebene: In ihrem Positionspapier fordert die Partei eine direkte Förderung für selbstständige Künstler und Kulturschaffende, aber auch für Solo-Selbstständige der Kreativwirtschaft, und das als Zuschuss von 2.000 bis 15.000 Euro zur Sicherung der beruflichen oder betrieblichen Existenz. Es brauche eine Auszahlung von Ausfallgeldern für entgangene Honorare, Projekte und Produktionen sowie für Lehrveranstaltungen und Unterrichtsstunden. Kleinbetriebe und Kulturinstitutionen müssten mit direkten Förderungen zwischen 2.000 und 50.000 Euro unterstützt werden, und das unabhängig von ihrer Organisationsform.
„Hilfe ist dringend geboten, denn nach der Krise muss es weiter ein kulturelles Angebot geben, zum Beispiel mit Theatern, Musikschulen und Einzelkünstlern“, mahnte Naas: „Wir wollen dann ja wieder Schauspiele sehen, Musikunterricht nehmen und über den Clown beim Kindergeburtstag lachen.“
Info& auf Mainz&: Das ganze Positionspapier der Grünen im Bundestag mit noch mehr Details könnt Ihr hier im Internet nachlesen. Mehr zu dem Problem der Solo-Selbstständigen mit den Corona-Soforthilfen lest Ihr hier bei Mainz&, einen Bericht über die multiplen Brandbriefe an die Landesregierung hier. Den Hilferuf der Honorarkäfte in der Erwachsenenbildung in Mainz findet Ihr hier bei Mainz&.