Mainz ist heute ja vor allem als Römerstadt berühmt, doch seine Hochzeit hatte das „Goldene Mainz“ im Mittelalter. Nun will eine kleine Ausstellung das mittelalterliche Mainz „Aus dem Schatten der Antike“ rücken – genau so heißt eine neue kleine Ausstellung im Schauraum des Mainzer Isistempels unter der Römerpassage. Mit bislang nie gezeigten Funde wird hier ein tiefer Blick in das mittelalterliche Mainz geworfen – mit Hilfe von päpstlichen Bullen, jüdischen Grabsteinen und einer wertvollen byzantinischen Goldmünze.

Landesarchäologin Marion Witteyer in der Ausstellung "Aus dem Schatten der Antike" über das mittelalterliche Mainz. - Foto: gik
Landesarchäologin Marion Witteyer in der Ausstellung „Aus dem Schatten der Antike“ über das mittelalterliche Mainz. – Foto: gik

In vier Wochen eröffnet im Mainzer Landesmuseum trotz der Corona-Pandemie die große Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“, die große Schau wird einen Bogen schlagen von Karl dem Großen und seinem Machtzentrum mit der Kaiserpfalz in Ingelheim bis zum legendären Friedrich Barbarossa, der 1184 mit dem Reichstag zu Mainz das größte Fest des Mittelalters überhaupt auf der Maaraue bei Mainz feierte.

Im Vorfeld der Landesausstellung erlaubt nun eine kleine, sehr feine Ausstellung einen tiefen Blick in die Alltagsgeschichte des mittelalterlichen Mainz. „Die Römer haben das Fundament gebildet, aber die wirkliche Blüteepoche von Mainz war nicht die römische Epoche – sondern das Mittelalter“, sagte Landesarchäologin Marion Witteyer bei der Eröffnung der kleinen Schau. Eingerichtet wurde die in einem kleinen, abgetrennten Teil des Schauraums mit der Präsentation des Isis-Tempels im Keller der Römerpassage.

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„Wir haben uns entschieden, einen Raum im Raum zu schaffen an einem Ort, wo eigentlich römische Geschichte erzählt wird“, erklärte Witteyer: „Hier kann man nachvollziehen, wie die Antike fortlebt und weiter genutzt wurde.“ Das mittelalterliche Mainz sei eine Metropole gewesen, die größte Kirchenprovinz nördlich der Alpen, wo zunächst der legendäre Bischof Bonifaz wirkte, und später Bischof Willigis die Idee von Mainz als Bischofssitz des „Coronators“ – des Königsmachers – entwickelte.

Stadtplan des mittelalterlichen Mainz, gezeichnet nach neuesten Erkenntnissen. - Foto: gik
Stadtplan des mittelalterlichen Mainz, gezeichnet nach neuesten Erkenntnissen. – Foto: gik

Das mittelalterliche Mainz wurde so zur zentralen Stadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das Bistum mit der ausschlaggebenden Stimme bei der Königswahl. „Hier fanden Synoden statt, hier wurden wichtige Entscheidungen von europäischer Bedeutung gefällt“, sagte Witteyer. In St. Alban, einer heute nicht mehr bestehenden Abtei, wurde Fastrada, die Ehefrau Karls des Großen beigesetzt. Friedrich Barbbarossa rief in Mainz zum dritten Kreuzzug auf und feierte den Reichstag zu Mainz 1184.

„Wir haben versucht, anhand von ausgesuchten Fundstücken, die Geschichte von Mainz im Mittelalter zu erzählen“, sagte Witteyer, „das ist gar kein leichtes Unterfangen, haben wir festgestellt.“ Denn gerade aus der wichtigen Hochzeit von Mainz seien nur sehr wenige Fundstücke übrig geblieben, durch den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg seie sehr viel verloren gegangen. „Die Fundstücke, die wir zeigen, sind zum Großteil noch nie öffentlich gezeigt worden“, sagte die Landesarchäologin, „sie zeigen Alltagsleben, das normale Leben spielt eine große Rolle.“

Schmuckkamm aus dem 9. Jahrhundert und byzantinische Gürtelschnalle (links). - Foto: gik
Schmuckkamm aus dem 9. Jahrhundert und byzantinische Gürtelschnalle (links). – Foto: gik

Da ist etwa ein reich verzierter Schmuckkamm, der einst im 9. Jahrhundert die Haarpracht einer vornehmen Dame zierte – und dann beim Bau eines Brunnens verloren ging. In den Resten des Brunnens fanden die Archäologen das Schmuckstück 1200 Jahre später wieder, ebenso eine reich verzierte Gürtelschnalle, die einst aus Byzanz nach Mainz kam und wahrscheinlich den Gürtel eines reichen Händlers zierte. Mainz, sagt Witteyer, sei im Mittelalter offenbar eine wichtige Handelsmetropole mit Fernhandels-Verbindungen bis weit nach Konstantinopel und ins Morgenland gewesen.

Im 10. Jahrhundert sei in einem Reisebericht eines Ibrahim bin Jakub zu lesen gewesen, in Mainz gebe es besonders fremdländische Gewürze und Münzen, berichtete Witteyer: „Die Gewürze stammten aus dem fernsten Morgenland.“ Die Friesen hatten eine Handelsniederlassung in Mainz, es waren wohl diese versierten Händler sowie die Juden, die Handel bis in fernste Regionen führten, „das können wir nachweisen anhand von Münzen und einer Feinwaage“, sagt die Archäologin. So ist unter den gezeigten Stücken auch jene Goldmünze aus der Byzantinerzeit, die 2017 bei Ausgrabungsarbeiten auf der Baustelle für den neuen Landtag gefunden wurde – die ganze Geschichte dazu lest Ihr hier bei Mainz&.

Byzantinische Goldmünze in der Ausstellung "Aus dem Schatten der Antike" über das mittelalterliche Mainz. - Foto: gik
Byzantinische Goldmünze in der Ausstellung „Aus dem Schatten der Antike“ über das mittelalterliche Mainz. – Foto: gik

Gesichert ist heute auch: das mittelalterliche Mainz war deutlich kleiner als die Siedlung zur Römerzeit – in der Ausstellung sind erstmals sogenannte Phasenpläne über die Siedlungsentwicklung des mittelalterlichen Mainz zu sehen. Nach dem Abzug der letzten römischen Truppen schrumpfte Mainz im Mittelalter auf gut die Hälfte zusammen, man lebte in einem Streifen entlang des Rheins von der heutigen Neustadt bis nach Weisenau. „Die Siedlung hatte sich stark reduziert und in die Flussnähe verlagert“, sagte Witteyer, „der Rest der Stadt ist unbewohnt, landwirtschaftlich genutzt und sicher am Anfang auch eine Ruinenlandschaft – man haust in Resten von römischen Ruinen und nutzt die Steine als Abbruchmaterial.“

Von der mittelalterlichen Bausubstanz sei heute praktisch nichts mehr erhalten, weil die meisten Häuser aus Holz waren, erklärt die Expertin. Abseits des bebauten Streifens sei die Stadt kaum erschlossen gewesen, nur Kirchenbauten wurden in die Tiefe gesetzt. Es waren die Bischöfe, die Mainz im Mittelalter zu neuer Größe führten, an diese Zeit erinnern zwei Neufunde päpstlicher Bullen, Siegelstücke, die erst kürzlich bei Grabungen in der Neustadt an der Wallaustraße gefunden wurden – hier war wohl einst ein wichtiges Handwerkerviertel, die Bullen stammten aus der verlorenen Bibliothek eines Klosters.

Jüdischer Grabstein aus dem 11. Jahrhundert vor einem Foto des jüdischen Friedhofs von Mainz. - Foto: gik
Jüdischer Grabstein aus dem 11. Jahrhundert vor einem Foto des jüdischen Friedhofs von Mainz. – Foto: gik

Spätestens um das Jahr 1000 war Mainz zudem als eine der drei Schum-Städte etabliert: Speyer, Worms und Mainz waren in jener Zeit die wichtigsten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit, von hier aus wurde das abendländische Judentum definiert und entwickelt. An diese Zeit erinnert in der Ausstellung der Grabstein eines im 11. Jahrhundert verstorbenen Mitglieds der Jüdischen Gemeinde Mainz. Dessen gemauerte Grabstätte überraschte die Archäologin bei ihrer Entdeckung im oberen Teil des großen jüdischen Friedhofs an der Mombacher Straße – der Grabstein war Teil eines gemauerten Grabmals, eine bislang nicht bekannte Form jüdischen Bestattungsbrauchtums.

Mit dem Ausblick ins hohe Mittelalter endet die kleine Präsentation, es lohnt sich, mit Zeit in die Schau und ihre Fundstücke einzutauchen. Mitglieder der Initiative Römisches Mainz stehen für Fragen und Führungen zur Verfügung.

Info& auf Mainz&: Die kleine Ausstellung „Aus dem Schatten der Antike – Moguntia Metropolis Germaniae“ findet Ihr im Untergeschoss der Römerpassage, der Zugang erfolgt durch die Taberna Archaeologica in der Einkaufspassage, der Eintritt ist frei. Die Ausstellung ist bis 21. April 2021 zu sehen und ein Rahmenprogramm der großen Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“, die aber dem 9. September im Landesmuseum Mainz zu sehen ist. Wegen der Corona-Pandemie gelten Hygiene- und Abstandsregeln sowie eine Maskenpflicht, die Taberna ist derzeit Montag bis Samstag von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Und wenn Euch das Foto vom jüdischen Friedhof irgendwie bekannt vorkommt – Ihr könntet es hier auf Mainz& gesehen haben 😉 Das Original samt der Geschichte des jüdischen Friedhofs findet Ihr hier bei Mainz&.

 

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