Der Streit um die Finanzierung der geplanten „Kulturbäckerei“ in der Mainzer Neustadt erreicht am heutigen Mittwoch nun den Mainzer Stadtrat. Gleich zwei Anträge drehen sich um die Finanzierung des künftigen sozio-kulturellen Zentrums, das in der ehemaligen Kommissbrotbäckerei an der Rheinallee entstehen soll. Die Grünen wollen dabei die Förderung für die Kulturbäckerei auf knapp 60 Prozent einfrieren, ein Gegenantrag von SPD und Linken fordert die volle Förderung von 350.000 Euro pro Jahr. Björn Rodday, 1. Vorsitzender des BBK Rheinland-Pfalz kritisiert, die Grünen wollten „eine Rakete mit halbem Tank“ losschicken, das reiche nicht aus, um das Projekt zum Fliegen zu bringen.

Das Gebäude der alten Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt: Hier soll auf 1.400 Quadratmetern die "Kulturbäckerei" entstehen. – Foto: gik
Das Gebäude der alten Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt: Hier soll auf 1.400 Quadratmetern die „Kulturbäckerei“ entstehen. – Foto: gik

Die Nachricht erschütterte die Kultur- und Politikszene in Mainz wie ein mittleres Erdbeben: Die finanzielle Unterstützung der Kulturbäckerei stehe „vor dem Aus“, warnte die SPD Mainz-Neustadt: „Die Stadtratsfraktion der Grünen verweigert ihre Zustimmung für eine jährliche Förderung in Höhe von 350.000 Euro.“ SPD-Ortsvorsteher-Kandidatin Yvonne Wuttke sprach prompt von einem „kulturpolitischen Desaster“, und der frühere Neustadt-Ortsvorsteher Johannes Klomann (SPD) schimpfte: „Jetzt auf den letzten Metern das Projekt an die Wand zu fahren, wäre fahrlässig und würde der Landeshauptstadt Mainz als Kulturstandort schaden.“

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Tatsächlich bestätigte die Ortsvorsteherin des Stadtteils Hartenberg-Münchfeld, Christin Sauer (Grüne), wenige Tage später auf einer Kulturdebatte im Ollohof das Nein der Grünen. Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) soll nach Mainz&-Informationen eine Vorlage für den Stadtrat am 15. Mai im Stadtvorstand abgelehnt haben, die einen Beschluss des Stadtparlaments für einen Zuschuss von 350.000 Euro zugunsten des Projektes „Kulturbäckerei“ vorsah. Die Grünen argumentieren, die städtischen Einnahmen seien zuletzt eingebrochen, eine solche Zusage könne vor den nächsten Haushaltsberatungen im Herbst nicht getroffen werden.

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Projekt Kulturbäckerei droht ohne feste Zusage der Stadt zu platzen

Komme die Zusage aber nicht, „wäre das Projekt Kulturbäckerei geplatzt“, warnte hingegen Jürgen Waldmann, Geschäftsführer des Vereins „Kulturbäckerei“ bei der Podiumsdiskussion im Ollohof. Das Projekt sei gerade jetzt „in einer entscheidenden Phase“, der Verein müsse jetzt Verträge unterschreiben für die Miete, sagte Waldmann im Gespräch mit Mainz& weiter: Um das tun zu können, brauche man aber verlässliche Zusicherungen der Stadt – und die hatte dem Projekt einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 350.000 Euro zugesagt.

Die alte Kommissbrotbäckerei: Ob hier ein sozio-kulturelles Zentrum entstehen kann, entscheidet am Mittwoch der Stadtrat. – Foto: gik
Die alte Kommissbrotbäckerei: Ob hier ein sozio-kulturelles Zentrum entstehen kann, entscheidet am Mittwoch der Stadtrat. – Foto: gik

Mit dem Geld soll die Miete für das Zentrum sowie Tageskontingente für die Nutzung der großen Halle im Erdgeschoss sowie einer kleinen Bühne im Keller enthalten sein. Das sozio-kulturelle Zentrum selbst wollte auf rund 1.400 Quadratmetern, verteilt über zwei Stockwerke der alten Kommissbrotbäckerei, Arbeits- und  Präsentationsräume bespielen, sowie temporär nutzbare Räume für Menschen aus Quartier und Stadtteil anbieten.

Im Stadtrat am 15. Mai steht nun als erstes ein Antrag der SPD gemeinsam mit den Linken auf der Tagesordnung, darin fordern SPD und Linke die vereinbarte institutionelle Förderung für die Kulturbäckerei festzuschreiben. „Die bereits im laufenden Haushalt 2024 verankerte institutionelle Förderung für die Initiative Kulturbäckerei e.V. soll im kommenden Haushalt für das Jahr 2025 in der Höhe von 150.000 Euro verstetigt werden“, heißt es im Antrag im Wortlaut: „Ab dem Jahr 2026 soll sie für fünf Jahre auf 350.000 Euro angehoben werden.“

SPD: Kulturbäckerei „zentrales Anliegen“ – Antrag mit Linke

„Für uns als SPD ist die Kulturbäckerei in der Mainzer Neustadt ein zentrales Anliegen“, betonte SPD-Fraktionschefin Jana Schmöller. Seit mehr als 30 Jahren gebe es die Idee, klar sei: „Wenn es nicht bei der Stadtratssitzung am 15. Mai ein klares und belastbares Bekenntnis des Stadtrats zur Kulturbäckerei gibt, dann scheitert die Kulturbäckerei und 30 Jahre Engagement waren vergeblich“, warnte Schmöller, und kritisierte: „Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Kulturschaffenden, der Menschen in der Neustadt und aller anderen, die sich für dieses Projekt so lange eingesetzt haben. Das kommt für uns nicht in Frage.“

Deutlicher Abstand zwischen den Koalitionspartnern Grüne (3. von links) und SPD (3. von rechts) bei der Kulturdebatte im Ollohof. - Foto: gik
Deutlicher Abstand zwischen den Koalitionspartnern Grüne (3. von links) und SPD (3. von rechts) bei der Kulturdebatte im Ollohof. – Foto: gik

Interessant dabei: Den Antrag stellen die Sozialdemokraten gemeinsam mit der Linken, die bisher in der Opposition saß – und eben nicht gemeinsam mit ihren bisherigen Koalitionspartnern Grüne und FDP. Die Liberalen melden sich in den Anträgen gar nicht zu Wort, ihr kulturpolitischer Sprecher Friedel Hofmann hatte im Ollohof betont, die FDP stehe zur Kulturbäckerei, hoffe aber, „dass sich die Parteien bis zur Stadtratssitzung einigen.“

Die Grünen wiederum stellen in einem eigenen Antrag nun die Forderung, die institutionelle Förderung für die Kulturbäckerei „auf einen Betrag von 200.000 Euro pro Jahr für die Dauer von fünf Jahren anzuheben.“ Das wären pro Jahr 150.000 Euro weniger, als die Kulturbäckerei benötigen würde – einen Grund für ihre Absenkung der Förderung nennen die Grünen in ihrem Antrag indes nicht.

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Rodday: „Grüne wollen Rakete starten mit halbem Tank“

„Wenn das so käme, wäre die angedachte Raumkonzeption nicht mehr zu halten“, kritisiert derweil Björn Rodday, 1. Vorsitzender des Verbands Bildender Künstler (BBK), im Gespräch mit Mainz&: Dann sei die Probenbühne ebenso in Gefahr wie die Workshopräume sowie die Büros und die Räume für die kulturelle Nutzung, für Besprechungen und Teile des Lagers – der gesamte linke Flügel sei dann nicht mehr finanzierbar. „Der Generalmieter Norbert Schön würde sich dann einen anderen Mieter suchen müssen“, macht Rodday klar.

Björn Rodday 2019 bei seinem Amtsantritt als Kulturberater des Landes Rheinland-Pfalz. - Foto: gik
Björn Rodday 2019 bei seinem Amtsantritt als Kulturberater des Landes Rheinland-Pfalz. – Foto: gik

Rodday, heute Geschäftsführer des Kulturdenkmals Sayner Hütte und BBK-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz, hatte das Projekt „Kulturbäckerei“ bereits 2019 in seiner Eigenschaft als Kulturberater des Landes Rheinland-Pfalz beraten. In der neuen Kulturbäckerei wollte der Berufsverband BBK seinen Geschäftssitz einrichten, gerade auch wegen der interessanten Kombination mit Ausstellungs- und Workshop-Räumen.

„Wenn wir da unten nicht einmal ein Büro haben können, und keine Vernetzung stattfinden kann, ergibt das keinen Sinn“, sagte Rodday nun, und übte scharfe Kritik an dem Antrag der Grünen: „Das ist ein Feigenblatt, was die Grünen abziehen.“ Die jetzige Konstruktion mit dem Betrag von 350.000 Euro sei „der niedrigste Orbit, den man fliegen kann, das Mindeste, was man an Sprit braucht, um die Flughöhe zu erreichen“, erklärte Rodday weiter: „Die Grünen wollen eine Rakete starten mit einem halben Tank – damit erreichst Du aber nicht einmal die Stratosphäre.“

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht über das Projekt „Kulturbäckerei“ und die Finanzierungsdebatte lest Ihr hier bei Mainz&. Wie der Streit um die Finanzierung ausgeht, werden wir natürlich berichten – Ihr könnt die Sitzung des Mainzer Stadtrats aber auch selbst im Livestream verfolgen, gestreamt wird hier auf der Homepage der Stadt Mainz.