2017 führte das Nachbarland Hessen ein landesweites Schülerticket ein, nun zog Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) eine zufriedene Bilanz: Das Schülerticket habe die Erwartungen erfüllt, bilanzierte Al-Wazir zufrieden, das Ticket habe rund 20 Prozent mehr Schüler und Auszubildende konstant zum Umstieg auf Bus und Bahn gebracht. Im gleichen Umfang sank auch das sogenannte „Elterntaxi“. In Rheinland-Pfalz ist dagegen das 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis noch immer nur eine Hoffnung.

ESWE-Bus am Wiesbadener Hauptbahnhof. - Foto: ESWE Verkehr
ESWE-Bus am Wiesbadener Hauptbahnhof. – Foto: ESWE Verkehr

Mit dem Schülerticket können seit dem 1. August 2017 Schüler und Auszubildende für 365 Euro jährlich Busse und Bahnen in ganz Hessen benutzen – Hessen war damit eines der ersten Länder, das ein solches Ticket einführte. Nun zog Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) Bilanz, Anlass: Eine wissenschaftliche Begleitstudie, die die Umsetzung und Entwicklung des Tickets in den ersten drei Jahren begleitete. Das Ergebnis fällt verhalten positiv aus: Im Schuljahr 2019/20 – dem letzten Jahr der Studie – wurden 418.000 Schülertickets verkauft, damit hatten mehr als die Hälfte der Schüler und Azubis ein solche Ticket in der Tasche.

Zahl der Nutzer steigt mit Schülerticket um 20 Prozent

Mehr noch: Die Zahl der Schüler und Auszubildenden mit ÖPNV-Ticket kletterte mit Einführung des Schülertickets um etwa 20 Prozent, teilte das Ministerium vergangene Woche mit – die Studie selbst veröffentlichte es nicht. Vor allem der freie Verkauf habe deutlich zugelegt. „Das hat zur Refinanzierung der Preissenkung beigetragen und stärkt den ÖPNV, weil sich dessen Einnahmen und die Nutzung damit verstetigen und verbessern“, betonte Al-Wazir. Bis zu 20 Millionen Euro hatte das Land Hessen in der Anfangszeit für die Finanzierung des Schülertickets bereitgestellt, wie viel das Ticket inzwischen kostet, sagte das Ministerium nicht.

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Das Fazit des Ministers fiel aber positiv aus: „Die Idee, Jugendlichen selbstständige und klimafreundliche Mobilität zu verschaffen, ist aufgegangen“, kommentierte der Minister: „Das Schülerticket Hessen ist bekannt und beliebt. Es hat sich durchgesetzt – ein voller Erfolg.“ Tatsächlich sind die Zahlen von 20 Prozent Steigerung als landesweiter Durchschnitt zu sehen. Im ersten Jahr nach der Einführung verzeichneten die hessischen Verkehrsverbünde landesweit 60 Prozent mehr verkaufte Monatstickets, insgesamt 407.000 Stück.

Bilanz in Hessen nach einem Jahr Schülerticket. - Foto: Hessisches Verkehrsministerium
Bilanz in Hessen nach einem Jahr Schülerticket. – Foto: Hessisches Verkehrsministerium

In manchen Landkreisen gerade in ländlichen Regionen Hessens habe es gar Steigerungen von 229 Prozent (Waldeck-Frankenberg) oder 244 Prozent (Hersfeld-Rotenburg) gegeben, hieß es nach zwei Jahren. Gerade im ländlichen Raum sei das Ticket attraktiv, selbst im Rhein-Main-Gebiet verzeichnete der RMV 40 Prozent mehr verkaufte Schülertickets. Jeder vierte Schüler in Hessen gab 2019 an, seither häufiger mit Bus und Bahn unterwegs zu sein. Das 365-Euro-Ticket ist deutlich günstiger, Monatsticket für Schüler können sonst mehr als das Doppelte kosten.

In Rheinland-Pfalz schauen die Schüler und Jugendlichen deshalb sehr neidisch über den Rhein – hier gibt es nach wie vor noch immer kein solches Angebot. Der Mainzer Stadtrat hatte noch im Oktober 2019 die Einführung eines 365-Euro-Tickets für die Landeshauptstadt abgelehnt – die Mainzer SPD sprach damals von „Show in Sachen OB-Wahl“, inzwischen fordert sie es selbst. Die Neuauflage der Ampel-Koalition auf Landesebene hat nun zwar auch für Rheinland-Pfalz ein solches Ticket beschlossen, doch passiert ist bislang nicht viel: Zuletzt hieß es aus dem Mainzer Verkehrsministerium, man habe eine Tarifstudie als Vorbereitung in Auftrag gegeben.

Die Freien Wähler hatten deshalb zuletzt im Landtag kritisiert, die Vorstellungen der Ampel zur versprochenen Umsetzung seien weiter „nebulös“. Dabei rechneten die rheinland-pfälzischen Grünen schon im Januar 2021 vor: Ein landesweites Schülerticket würde Rheinland-Pfalz vermutlich 5 bis 15 Millionen Euro pro Jahr kosten. Das sei „weitaus geringer als das, was bislang vom FDP-Verkehrsministerium kommuniziert wurde“, betonte die Landtagsfraktion – im Verkehrsministerium hatte man bislang immer von 60 Millionen Euro gesprochen.

FDP-Verkehrsministerium bremste 365-Euro-Ticket aus

Tatsächlich hatte sich gerade das FDP-geführte Verkehrsministerium als Bremser in Sachen 365-Euro-Ticket erwiesen. Noch 2019 antwortete Verkehrs-Staatssekretär Andy Becht auf eine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner, die „Effekte einer Tarifreduzierung“ seien „verkehrspolitisch relativ gering“, der Mehrverkauf an Tickets doch nur ein „Einmaleffekt“. Zudem hätten „zahlreiche Versuche seit den 1970er Jahren gezeigt“, dass Preisreduzierungen im ÖPNV „zwar für Mitnahmeeffekte sorgen“, der echte Effekt, Autoverkehr zu verringern, „aber kaum eintritt.“

Auch beim RMV im Rhein-Main-Gebiet wird das hessische Schülerticket sehr begrüßt. - Foto: RMV
Auch beim RMV im Rhein-Main-Gebiet wird das hessische Schülerticket sehr begrüßt. – Foto: RMV

Die hessische Begleitstudie zeigt nun, dass das nicht stimmt: Die Nutzerzahlen stiegen nicht nur dauerhaft um 20 Prozent, sie haben auch einen Effekt auf den Autoverkehr. Denn nach der Studie wird seither nun rund ein Fünftel der Schüler, die ein Schülerticket haben, seltener mit dem Pkw zum Unterricht gebracht oder von dort abgeholt – die Zahl der Fahrten sank um rund 18 Prozent.

Auch sei die große Reichweite des Tickets „keineswegs exzessiv genutzt“ worden, hält die Studie weiter fest: Zwar werde das Schülerticket gelegentlich auch für längere Fahrten genutzt, aber die meisten – und zwar mehr als 90 Prozent – nutzen das Ticket vor allem für die alltägliche Mobilität, also im Nahbereich und nicht mehr als zweimal täglich: „Von einem ‚Städtetourismus‘ kann keine Rede sein“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Die Untersuchung basierte im Übrigen auf Vertriebsdaten und Befragungen, die während der dreijährigen Einführungsphase des Tickets erhoben wurden.

 

Fazit: Schülerticket erzielte die erwartete positive Wirkung

Das Fazit der Forscher: „Mit dem Schülerticket Hessen wurde ein einfaches, leicht verständliches Produkt geschaffen, das die große Bevölkerungsgruppe der Schülerinnen, Schüler und Auszubildenden in die Lage versetzt, ihre Alltagsmobilität mit dem ÖPNV durchzuführen.“ Die Wirkungsanalyse zeige, „dass das Schülerticket Hessen die erwarteten positiven Wirkungen tatsächlich erzielen konnte.“ Im laufenden Schuljahr nutzen den Angaben zufolge rund 410.000 Schülerinnen, Schüler und Auszubildende das Angebot, damit haben sich die positiven Anfangszahlen also gehalten und sogar noch leicht gesteigert.

Ein Schülerticket auch für Mainz? Dauert noch. - Foto: gik
Ein Schülerticket auch für Mainz? Dauert noch. – Foto: gik

Die ersten Erfahrungen in Hessen waren so positiv, dass das Nachbarland bereits zum 1. Januar 2020 auch ein Seniorenticket einführte: Seither können Senioren über 65 Jahren in ganz Hessen ebenfalls für einen Euro pro Tag Busse und Bahnen nutzen. Damit seien gegenwärtig rund 67.000 Fahrgäste unterwegs, heiß es nun, dabei kann dieses 365-Euro-Ticket sogar von allen Senioren erworben und genutzt werden, auch wenn man se4inen Wohnsitz nicht in Hessen hat. Beim Schülerticket hingegen muss man Schüler einer hessischen Schule sein – weswegen auch manch ein Mainzer Schüler oder Azubi in den Genuss des Tickets kommt.

„Preisgünstige und einfache Flatrate-Angebote tragen erheblich zur Attraktivität des ÖPNV bei“, betonte Al-Wazir denn nun auch erneut, und versprach: Hessen werde diesen Weg weitergehen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten den ÖPNV „besonders getroffen und müssen jetzt kurz- und mittelfristig bewältigt werden“, räumte der Minister ein. Das langfristige Ziel bleibe aber „das Bürgerticket, also ein preisgünstiges landesweites Jahresticket für alle Hessinnen und Hessen.“ Nun soll erst einmal das 9-Euro-Ticket zur Entlastung der Bundesbürger wegen der explodierenden Energiekosten kommen – nach den Plänen des Bundes ausgerechnet in den Sommermonaten von Juni bis August.

Info& auf Mainz&: Mehr zum hessischen Seniorenticket lest Ihr hier bei Mainz&. Wie ein Mainzer Gymnasiast 2019 vergeblich für ein Schülerticket in Rheinland-Pfalz kämpfte, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen:

Schülerticket auch für Rheinland-Pfalz? – Mainzer Gymnasiast stellte Anfrage im Ministerium, Antwort abweisend – In Hessen große Zuwachsraten