UPDATE& — Ein Jahr deutlich gestiegene Inflation sowie stark gestiegene Preise bei Energiekosten und Lebensmitteln haben in den Portemonnaies der Rheinland-Pfalz offenbar große Löcher hinterlassen: Einzelhandel und Gastgewerbe mussten hier in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 besonders deutliche Einbußen hinnehmen. Und auch dabei macht sich die Teuerungsrate besonders deutlich bemerkbar: Die Erlöse in der Gastronomie stiegen zwar um 6,1 Prozent, real aber machten die Betriebe ein Minus von 1,8 Prozent. Das ist besonders brisant vor dem Hintergrund der kommenden Wiederanhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 19 Prozent zum Januar 2024 – der Gaststättenverband DEHOGA warnte am Freitag noch mal deutlich vor den Folgen.
Schon im Juli warnte der rheinland-pfälzische Dehoga-Chef Gereon Haumann: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 wäre „eine Katastrophe mit fatalen Folgen.“ Die finanzielle Situation der Betriebe sei auch nach Corona weiter angespannt, wegen der galoppierenden Inflation sowie den stark gestiegenen Energiepreisen blieben die Gäste noch immer weg. Steige die zu Corona-Zeiten auf 7 Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie im Januar 2024 wirklich wieder auf 19 Prozent, drohe ein Preisschock – Schnitzel, Pizza & Co würden dann vielerorts erheblich teurer.
Laut einer DEHOGA-Umfrage gaben im November dann 97,7 Prozent der befragten rheinland-pfälzischen Unternehmer an, sie wären dann gezwungen, ihre Preise anzuheben. „Nur mit den 7% ist es bisher gelungen, die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal zumindest teilweise aufzufangen“, betonte Haumann. Auch Mainzer Gastronome berichteten, die Lage sei weiter sehr schwierig: „Die Menschen leiden unter der Inflation und haben oft kein Geld mehr zum Weggehen“, sagte Ata Delbasteh, Gastronom aus Mainz und Vorsitzender der Mainzer SPD im Gespräch mit Mainz&.
Deutliches Umsatzminus in der Gastronomie in 2023
Die DEHOGA warnt deshalb seit Monaten vor einer Pleitewelle in der Gastronomie und dem Verlust vieler Gaststätten, die als soziale Treffpunkte schließlich auch „die Wohnzimmer der Republik“ seien. Viele Kommentatoren kritisierten das als völlig überzogen – doch nun bestätigen neueste Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Bad Ems: Die Lage in Einzelhandel und Gastronomie ist tatsächlich schlecht – und in Rheinland-Pfalz noch ein Stück schlechter als im Bundesvergleich.
Real habe das rheinland-pfälzische Gastgewerbe von Januar bis September 2023 weniger Erlöse erzielt als im Vorjahreszeitraum, teilten die Statistiker am Mittwoch mit: Nach vorläufigen Berechnungen seien die realen Umsätze im Vergleich zum ersten Dreivierteljahr 2022 um 1,8 Prozent gesunken. Das betraf vor allem die speisengeprägte Gastronomie, zu der Restaurants, Cafés, Eissalons und Imbissstuben zählen: Hier gingen die realen Umsätze um 1,5 Prozent zurück. Caterer und Lieferdienste erzielten hingegen 0,8 Prozent mehr Erlöse. Die Hotellerie musste hingegen 2,7 Prozent Minus hinnehmen.
Besonders augenfällig ist dabei die Diskrepanz zwischen nominellen und realen Erlösen: Nominal stiegen die Erlöse nämlich „aufgrund der deutlichen Preissteigerungen um 6,1 Prozent“, meldet die Statistikbehörde. Nach Abzug der Inflation aber steht unter dem Strich das Minus von 1,8 Prozent, damit stehen die rheinland-pfälzische Betriebe im bundesweiten Vergleich schlecht da: Deutschlandweit nahmen die Umsätze im Gastgewerbe preisbereinigt mit 0,2 Prozent leicht zu, in jeweiligen Preisen sogar um 8,2 Prozent. Die Ausweisung von realen und nominalen Erlösen ist bei Wirtschaftszahlen üblich.
Erlöse im Einzelhandel sanken 2023 – in Rheinland-Pfalz stärker
Das Bild bestätigt sich beim Blick auf die gleichen Zahlen beim Einzelhandel: Auch hier stehen die rheinland-pfälzischen Einzelhändler schlechter da, als ihre Kollegen bundesweit. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Landesamtes in Bad Ems lagen die realen Erlöse im Einzelhandel von Januar bis September 2023 um 4,6 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Und auch hier klafft wieder die Lücke zwischen nominalen und realen Umsätzen: Nominal stiegen die Umsätze um 2,3 Prozent.
Deutschlandweit erzielten die Einzelhändler nominal 2,8 Prozent höhere Erlöse, die aber real auf Minus 3,8 Prozent sanken. Den größten preisbereinigten Rückgang gab es dabei in Rheinland-Pfalz dem Landesamt zufolge mit minus 13 Prozent im umsatzstarken Einzelhandel mit sonstigen Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf. Aber selbst die umsatzstärkste Branche, der Handel mit Lebensmitteln, verzeichnete ein Umsatzminus von 4,3 Prozent – nominal gab es hier wegen der hohen Preissteigerungen ein Plus von 6,6 Prozent.
Der Handel mit Bekleidung, Schuhe und Lederwaren registrierte real 2,9 Prozent weniger Erlöse, die Umsätze im Verkauf mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik stiegen dagegen an – sogar real auf plus 5,7 Prozent. Die Rheinland-Pfälzer mussten im Jahr 2023 also offensichtlich stark sparen und investierten in Technik für ihr Zuhause – das Nachsehen hat vor allem die Gastronomie.
Warnung vor Preisschock und Pleitewelle in 2024
Damit aber bestätigen sich die Warnungen vor Preisschock und Pleitewelle im kommenden Jahr: Nach dem Desaster mit dem Bundeshaushalt, hat die Berliner Ampel die Wieder-Anhebung der Mehrwertsteuer nun endgültig beschlossen. Für die Gastronomie und die Verbraucher ist das keine gute Nachricht: Wenn die Branche 12 Prozent mehr zahlen müsse, „dann ist das definitiv existenzbedrohend“, warnte Delbasteh.
Denn die Umsätze in der Branche seien zwar hoch, aber die Gewinnmarge gering – eine Rückkehr zu den 19 Prozent Mehrwertsteuer könne deshalb gravierende Auswirkungen haben: „Es wird einen schleichenden Niedergang der Gastronomie geben“, befürchtet Delbasteh: „Die Spirale geht komplett nach hinten los – das könne auch zu einer Verödung von Innenstädten führen.“
UPDATE&: An diesem Freitag, dem 8. Dezember, warnte die DEHOGA noch einmal eindringlich vor den Folgen einer Mehrwertsteueranhebung: „Diese Maßnahme stellt unsere Branche vor unlösbare Herausforderungen, die nicht nur finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen haben werden, sondern auch zu einem erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen führen könnten“, sagte Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern. Millionen von Menschen werden von den Folgen betroffen sein.
„Wir sind fest davon überzeugt, dass die geplante Steuererhöhung nicht nur die Unternehmen unserer Branche, sondern auch die gesamte Wirtschaft nachhaltig belasten würde“, betonte Inselkammer weiter. Das gelte insbesondere auch für jeden einzelnen Bürger und die Gäste. Die Folgen wären unvermeidliche Preiserhöhungen, Umsatzverluste, eine Reduzierung der Lebensqualität und tausende von Insolvenzen. „Auch wenn es fünf vor zwölf ist: Wir hoffen auf ein Einlenken seitens der Regierung“, sagte der Rheinland-Pfälzer Gereon Haumann – es brauche ein Lösung, „die sowohl die Interessen der Branche als auch die der gesamten Wirtschaft und der Bürger berücksichtigt.“
Info& auf Mainz&: Die Pressemitteilungen des Statistischen Landesamtes könnt Ihr Euch selbst hier im Internet ansehen. Einen ausführlichen Bericht über die Sorgen der Gastronomie lest Ihr hier auf Mainz&.