Er ist der Tag der Frauen, der Tag, der an Gleichberechtigung und selbstbestimmtes Leben gemahnt – der Internationale Frauentag. Und doch ist der Tag in den vergangenen Jahren eher in den Hintergrund gerückt: Sind wir denn hier in Deutschland nicht schon alle so gleichberechtigt? Die Stadt Mainz macht nun mit einer Aufkleberaktion vor dem Stadthaus in der Großen Bleiche auf den wichtigen Gedenktag aufmerksam, immerhin feiert das Frauenbüro der Stadt in diesem Jahr sein 50. Jubiläum. Und die Gleichberechtigung ist noch immer fern – bei Bezahlung, Kinderbetreuung, Haushalt und Karriere.

Historisches Plakat zum Internationalen Frauentag 1914. - Foto: DGB
Historisches Plakat zum Internationalen Frauentag 1914. – Foto: DGB

Es war bereits im August 1910, als die deutsche Sozialistin Clara Zetkin auf einer Frauenkonferenz in Kopenhagen etwas Revolutionäres vorschlug: Einen internationalen Frauentag. Der erste Frauentag wurde tatsächlich am 19. März 1911 gefeiert, und zwar in Dänemark, Österreich-Ungarn, der Schweiz und Deutschland. Verknüpft war er mit einer ganz besonderen Bewegung: Dem Kampf um die Einführung des Frauenwahlrechts. Im November 1918 wurde es in Deutschland endlich eingeführt, der Frauentag indes lebt weiter – aus guten Gründen.

Vor allem im Berufsleben sind Frauen weiter erheblich benachteiligt im Vergleich zu Männern: Sie arbeiten häufiger halbtags, sie haben deutlich seltener Führungspositionen und knapp 80 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Im Haushalt leisten Frauen noch immer deutlich mehr als Männer, gerade bei der Kinderbetreuung: Sogar in Paarhaushalten ohne Kinder verbringen Frauen demnach unter der Woche doppelt so viel Zeit mit Kochen und Haushalt wie ihre männlichen Partner. Das Schlimme dabei: Seit Jahren ändert sich an diesen Zahlen – praktisch nichts. Die Rollenverteilung gerade in Deutschland hinkt weiter anderen europäischen Ländern weit hinterher.

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Gleichberechtigung „immer noch eine Schnecke statt ein Turbo“

Die Gleichberechtigung sei „immer noch eine Schnecke statt ein Turbo“, klagt nun die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Rheinland-Pfalz, Sabine Wingertszahn, und betont: „Mit einem Gender Pay Gap von 18 Prozent gehört Deutschland dabei zu den Schlusslichtern in der Europäischen Union.“ Das gilt auch für Rheinland-Pfalz: Auch hier verdienen Frauen im Durchschnitt 15 Prozent weniger Lohn für die gleiche Arbeit – trotz einer seit 33 Jahren von den Sozialdemokraten geführten Regierung.

Fakten Gender Pay Gap der Albright-Stiftung 2023.
Fakten Gender Pay Gap der Albright-Stiftung 2023.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienten Frauen 2023 in Rheinland-Pfalz pro Stunde 20,40 Euro, Männer hingegen 24,04 Euro – für die gleiche Arbeit, wohlgemerkt. In Gesamt-Deutschland war der Unterschied sogar noch höher mit 20 Euro zu 25 Euro, in Ostdeutschland liegen die Gehälter für beide Geschlechter übrigens nahezu gleichauf.  Dabei sei Entgeltgleichheit ein wichtiger Faktor beim Fachkräftemangel und der Gewinnung von Frauen für Vollzeitjobs, sagte Wingertszahn: „Die hohe Entgeltlücke ist nicht nur ein eklatantes Gerechtigkeitsproblem, sie ist auch zunehmend ein echter Wettbewerbsnachteil für das Land Rheinland-Pfalz.“

Seit Jahren fordern Gewerkschaften und Verbände, Frauenbeauftragte und Frauenbüros gleiche Bezahlung für Frauen und gleiche Rechte – doch die echte Gleichstellung kommt nicht voran. So sind Frauen in Rheinland-Pfalz bei den Professorenstellen mit einem Anteil von 25 Prozent „deutlich unterrepräsentiert“, ihr Anteil unter Führungskräften beträgt weniger als 28 Prozent, teilte das Statistische Landesamt 2023 in seinem neu aufgelegten Flyer zum Frauentag mit. Dabei sind Frauen deutlich besser ausgebildet als Männer: Knapp 43 Prozent der jungen Frauen machen Abitur, bei den jungen Männern sind es nur rund 33 Prozent. Und 56 Prozent der bestandenen Abschlussprüfungen an Hochschulen werden von Frauen abgelegt.

Motto des Internationalen Frauentags 2024: „Frauen Wählen“

Frauenrechte sind Menschenrechte“, betont man beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): „Wir wollen, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben und die gleichen Möglichkeiten, ihr Leben frei von finanziellen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu
gestalten.“ Das könne nur gelingen durch eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben, durch die faire Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Familienarbeit zwischen Frauen und Männern, gute öffentliche Angebote für die Betreuung von Kindern und die Versorgung von Pflegebedürftigen sowie eine Arbeitswelt und ein Leben frei von Gewalt.

Aktion der Stadt Mainz zum Internationalen Frauentag mit OB Nino Haase (parteilos) und der Leiterin des Frauenbüros, Corinna Appelhäuser. - Foto: Stadt Mainz auf Instagram
Aktion der Stadt Mainz zum Internationalen Frauentag mit OB Nino Haase (parteilos) und der Leiterin des Frauenbüros, Corinna Appelhäuser. – Foto: Stadt Mainz auf Instagram

„Frauen Wählen!“ heißt denn auch das Motto des Internationalen Frauentags 2024 – der Blick geht dabei auf die Europawahl am 9. Juni. Am gleichen Tag ist in Mainz aber auch Kommunalwahl, doch die Anzahl der Frauen in Parlamenten sinkt ebenfalls: So sank etwa der Anteil weiblicher Abgeordneten im rheinland-pfälzischen Parlament auf lediglich 27,72 Prozent, damit sind nur 28 von insgesamt 101 Abgeordneten Frauen. „Leider müssen wir nach wie vor feststellen, dass Frauen im Parlament deutlich unterrepräsentiert sind“, sagte Landtagspräsident Hendrik Hering: „Dabei ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am politischen Prozess eine grundlegende Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie.“

In Mainz will die Stadt in diesem Jahr mit einer besonderen Aktion an die Bedeutung von Frauenrechten und den Internationalen Frauentag erinnern: Vor dem Stadthaus in der Großen Bleiche brachte Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und die Leiterin des Frauenbüros, Corinna Appelhäuser, Klebestreifen auf dem Boden an. Damit wolle die Stadt auch die weitere konsequente Umsetzung von Frauenrechten anmahnen, denn in weiten Bereichen hinke die Gleichberechtigung ihrem Anspruch noch hinterher, sagte Haase dabei.

Haase: Nachholbedarf bei Frauen in Führungspositionen

„Selbstbestimmt, gleichberechtigt und gewaltfrei zu leben, das ist auch heute für viele Frauen, die politisch und gesellschaftlich häufig den Löwinnenanteil der schlecht oder gar nicht bezahlten Arbeit leisten, nicht selbstverständlich“, betonte der Mainzer Oberbürgermeister: „Auch nicht gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“ Von tatsächlicher Gleichberechtigung könne selbst heute noch nicht die Rede sein, etwa im Arbeitsleben, sagte Haase weiter: „Wenn heutzutage selbst in Unternehmen und Betrieben, in denen überwiegend Frauen arbeiten, die Führungspositionen und Leitungsaufgaben oft noch fest in Männerhand sind, spricht das nicht für gleiche berufliche Aufstiegschancen von Frauen und Männern.“

Aktion Bodenkleber der Stadt Mainz zum Internationalen Frauentag mit OB Nino Haase (parteilos) und der Leiterin des Frauenbüros, Corinna Appelhäuser. - Fotos: gik, Reel: Stadt Mainz via Instagram
Aktion Bodenkleber der Stadt Mainz zum Internationalen Frauentag mit OB Nino Haase (parteilos) und der Leiterin des Frauenbüros, Corinna Appelhäuser. – Fotos: gik, Reel: Stadt Mainz via Instagram

Das habe sich auch bei der Coronakrise gezeigt, in der insbesondere Frauen ihre Arbeitszeit reduziert oder sogar ihre Arbeit gekündigt hätten, um die Betreuung ihrer Kinder zu gewährleisten, sagte Haase und kritisierte: „Hier haben Rollenstereotype dann doch wieder Oberhand gewonnen.“ Die schlechtere Bezahlung von Frauen zementiere die traditionelle Rollenverteilung, und auch bei der partnerschaftlichen Aufteilung von Betreuungsaufgaben gebe es Nachholbedarf, findet Haase: „Solange die Betreuung überwiegend Frauensache ist, führen unterbrochene Berufsverläufe, sozialversicherungsfreie Beschäftigung oder Teilzeitarbeit zu wirtschaftlicher Abhängigkeit und Altersarmut von Frauen.“

In Mainz feiert das Mainzer Frauenzentrum – eine Beratungs- und Anlaufstelle für Frauen in schwierigen Situationen – in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen, es ist damit eines der ältesten Frauenzentren von Deutschland. Und natürlich begeht auch das Frauenbüro der Stadt Mainz den Frauentag mit einer Reihe von Veranstaltungen. Die Stadt Mainz sei bei Frauenrechten übrigens „vielen anderen Betrieben weit voraus“, sagte Appelhäuser – doch es gebe noch immer viel zu tun.

Info& auf Mainz&: Zum Internationalen Frauentag gibt es übrigens auch eine Stadtführung „Starke Frauen in Mainz“, die am 8. März und noch einmal am 17. März stattfindet. Die Kunsthistorikerin Anke Sprenger nimmt dabei berühmte Mainzer Schriftstellerinnen, Widerstandskämpferinnen und Frauenrechtlerinnen in den Blick, die Führung kostet allerdings 28,- Euro, Infos dazu gibt es hier.

Achtung&: Die Führung hat nichts mit dem Buch „Starke Frauen“ von Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein zu tun! In unserem Buch findet Ihr 30 Porträts von starken Frauen aus Mainz, Wiesbaden und dem Rhein-Mainz-Gebiet – darunter eine Schifffahrts-Kapitänin und eine Nonne, die Chefin einer Baufirma, Winzerinnen, die N’Eis-Gründerinnen und viele mehr – bis hin natürlich zu Margit Sponheimer. Mehr zu dem Buch und wo man es kaufen kann, findet Ihr hier bei Mainz&.