Nur noch wenige Tage, dann geht’s los – das 49. Open Ohr Festival startet! Das politische Jugendkulturfestival geht in diesem Jahr ein ausgesprochen diffiziles Thema an: Was ist psychische Gesundheit, wer ist krank, wer ist gesund und wie lässt sich das entscheiden? Unter dem Titel „Irr:relevant“ geht es auf der Zitadelle 24in Mainz an Pfingsten um das Thema psychische Gesundheit. Vom 26. bis zum 29. Mai 2023 wird auf der Zitadelle in Mainz aber nicht nur gegrübelt und debattiert, es wird auch getanzt und abgehangen, Theater, Kabarett und  Filme geschaut – Open Ohr eben.

Das Open Ohr Festival 2022. - Foto: gik
Das Open Ohr Festival 2022. – Foto: gik

2022 kehrte das Open Ohr Festival nach zwei Jahren Corona-Pause zurück, damals drehte sich das Thema „Gegensteuern“ um Steuern, Finanzen und das Grundthema der Gerechtigkeit. In diesem Jahr nimmt sich das politische Festival hingegen ein höchst privates Thema vor: die psychische Gesundheit. Das hat auch etwas mit der Corona-Pandemie zu tun: In der Krisenzeit nahmen – wenig erstaunlich – Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit deutlich ab. Vor allem aber bei Kindern und Jugendlichen war ein deutlicher Anstieg psychischer Störungen zu beobachten.

„Das Thema psychische Gesundheit betrifft uns alle, und der Austausch darüber gewinnt, nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft, immer mehr an Aufmerksamkeit“, begründet Laura Acksteiner von der Freien Projektgruppe des Open Ohrs die Themenwahl. „Trotz ihrer Häufigkeit sind psychische Probleme und Krankheiten in weiten Teilen der Gesellschaft aber immer noch ein Tabuthema“, betont auch Projektgruppenmitglied Yannik Weigelt: „Deshalb möchten wir dem Thema psychische Gesundheit auf dem OPEN OHR Festival 2023 eine Bühne geben und es ins Rampenlicht stellen. Wir laden ein, offen über mentale Gesundheit zu sprechen und vor allem Stigmatisierungen kritisch zu beleuchten.“

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Thema Psyche: Was ist krank, was gesund – und wer entscheidet das?

Es ist ein mutiges und ein keineswegs einfaches Thema, denn: Wer entscheidet eigentlich, was genau psychische Gesundheit definiert, wer krank ist, wer gesund ist – und was genau der Unterschied? Zustände wie „geistige Verwirrtheit“, oder gar „geisteskrank“ sind keine feststehenden Krankheiten, sondern werden – wie keine andere Krankheit – in einem sozialen Kontext von der Gesellschaft definiert. Im viktorianischen Zeitalter galten selbstständige Frauen, die mehr wollten als herumsitzen, gerne mal als „hysterisch“, in der Antike wurden Epileptiker als von Göttern berührt verehrt – zu anderen Zeiten aber als „irre“ weggesperrt.

Plakat des 49. Open Ohr-Festivals zum Thema psychische Gesundheit. - Grafik: Open Ohr
Plakat des 49. Open Ohr-Festivals zum Thema psychische Gesundheit. – Grafik: Open Ohr

Zur Eröffnung des Open Ohr will deshalb gleich das Eröffnungspodium die Frage beleuchten: Krank oder Gesund? – was sind die Vor- und Nachteile von Diagnosen: Was ist psychische Gesundheit, wer ist krank, wer ist gesund und wie lässt sich das entscheiden?  In weiteren vielfältigen Podiumsveranstaltungen werde das Thema psychische Gesundheit dann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und gemeinsam mit dem Publikum diskutiert, so die Ankündigung weiter.

Einen Überblick über die verschiedenen Hilfsangebotsformen liefert das Podium „Der Letzte zahlt“, das auch erörtert, wie das Gesundheitssystem dem hohen Bedarf an professioneller Hilfe begegnen kann, wer die finanzielle Last trägt, und wie diese in Zukunft verteilt werden kann. „Das Erreichen eines höchstmöglichen Gesundheitsniveaus sollte nicht nur für die körperliche, sondern auch für die psychische Gesundheit ein Grundrecht für jeden Mensch sein“, betont die Freie Projektgruppe. Ein Blick auf die Versorgungslandschaft zeige aber, dass diesem Recht anscheinend nur unzureichend nachgekommen werde – wie sieht es aus mit der Versorgung für alle!?

Sucht, Leistungsgesellschaft, Social Media: Was macht uns krank?

Das Podium „Der Staat und seine süchtige Bevölkerung“ wiederum will sich dann mit der Frage beschäftigen, was der Staat unternimmt, um Menschen vor Suchterkrankungen zu schützen und bereits Erkrankten zu helfen. Vermutlich wird dabei auch die aktuelle Debatte um die geplante Freigabe des Cannabis-Konsums eine Rolle spielen – gerade erst forderten Linke und JuLis, Mainz solle sich als eine Modellregion für die Erprobung des Cannabis-Verkaufs bewerben. Es dürfte spannend sein, wie hierauf die Resonanzen sind.

Einsamkeit, Druck, Krisen - es gibt viele Auslöser für psychische Erkrankungen. - Foto: gik
Einsamkeit, Druck, Krisen – es gibt viele Auslöser für psychische Erkrankungen. – Foto: gik

Die Auswirkungen der Leistungsgesellschaft auf die psychische Gesundheit, sowie mögliche Ansätze diesen entgegenzuwirken, sollen schließlich unter der Überschrift „Arbeitest du noch oder lebst du schon??“ diskutiert werden. Welche Rolle Instagram und Co. für Jugendliche, für ihr psychisches Wohlbefinden und ihre Entwicklung spielen, damit beschäftigt sich das Podium „Fluch oder Segen? Coming of age mit Social Media“ – dabei werden die Erfahrungen junger Menschen mit sozialen Medien in den Mittelpunkt gestellt.

Das Podium „Im Krisenmodus – Aktiv gegen die Klimaangst“ thematisiert schließlich den Umgang mit überwältigenden Krisen wie dem Klimawandel und stellt die Frage, was Klimaangst mit uns und unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt macht. Fernern soll es auf dem Festival auch um das Thema Stigmatisierung und Benachteiligung von Betroffenen psychischer Krankheiten gehen: Was sind Gründe und Folgen von Stigmatisierung und was kann dagegen unternommen werden? Diesen Fragen widmet sich das Podium „Das ist ja nicht normal“.

Interviewreihe „Offenes Ohr“, Punkrock, Kabarett, Theater

Neben den Podiumsdiskussionen stellt die Interviewreihe „Ein offenes Ohr für…“ die Betroffenenperspektive in den Fokus und beleuchtet die Erfahrungen vom Leben mit einer Diagnose. Darüber hinaus blickt die Poster-Session „Den Umständen entsprechend gesund?!“ auf den Einfluss von Sozialisationsfaktoren auf die psychische Gesundheit. Neben den politischen Debatten findet sich das Thema wie immer aber auch auf dem gesamten Festivalgelände in Ausstellungen, Workshops, auf der Leinwand und auch auf der Bühne wieder.

Großartige Konzerte sind ein wichtiger Bestandteil des Open Ohr. - Foto: gik
Großartige Konzerte sind ein wichtiger Bestandteil des Open Ohr. – Foto: gik

Darüber hinaus gibt es genug Platz zum Tanzen und Feiern, versprechen die Organisatoren: Als Local Opener wird die Band Ahtapot aus Mainz mit Türkisch-Psychedelic-Rock das Festival musikalisch eröffnen. Inspiriert durch slawische Folklore ist mit den vier experimentierfreudigen Damen von Iva Nova zwischen gefühlvollen Songs und kraftvollem Punkrock alles möglich. Die Besucher dürfen sich außerdem auf Bia Ferreira, Kiara Mali, Pano und ELL sowie viele weitere Acts freuen. In diesem Jahr wird es weiterhin eine Newcomer Stage geben, bei der unter anderem Kontraire und Return to Monkee vertreten sein werden.

Im Bereich Kabarett können sich die Besucher auf einen echten Star der Szene freuen: Friedemann Weise, bekannt unter anderem aus der „Heute Show“ ist zu Gast, und zwar mit einem Bingo zu Alles und Nichts. Neben klassischem politischem Kabarett erwartet das Publikum zudem aber auch Musikkabarett, ein multimediales Comedy-Ensemble sowie eine Mixshow im Stand-Up-Format.

Im Theater findet das Festivalthema seine Aufbereitung unter anderem mit der „Comic On! Theaterproduktion“ mit r@usgemobbt 2.0: Was würdest Du alles tun, um dazu zu gehören? Was erträgst Du? Und wann ist man eigentlich cool? Diesen Fragen geht die Produktion nach, und bietet darüber hinaus für das Publikum eine 45-minütige Diskussion mit den pädagogisch geschulten Schauspielern nach der Veranstaltung. Das Hessische Landestheater Marburg präsentiert das Stück WIR, „KINSKI“ UND ICH – AUSNAHMEZUSTAND IM THEATER.

Info& auf Mainz&: Das 49. Open Ohr Festival findet vom 26. bis zum 29. Mai 2023 – also an Pfingsten – auf der Zitadelle in Mainz statt. Karten kosten in diesem Jahr im Vorverkauf 47,20 Euro inklusive aller Gebühren, an der Tageskasse 52,00 Euro – es gibt diverse Ermäßigungen. Eine Dauerkarte mit Zeltplatz (4 Tage) kostet 75,80 Euro inklusive aller Gebühren, an der Tageskasse 80,00 Euro. Der Vorverkauf läuft bereits, Tickets könnt Ihr hier im Internet buchen. Mehr zum Open Ohr Festival findet Ihr ansonsten hier im Internet.