Am 2. Juni lockerte Rheinland-Pfalz seine Corona-Regeln in großem Stil: Innengastronomie, Kulturveranstaltungen mit bis zu 250 Zuschauern im Freien, Zuschauer bei Sportveranstaltungen wieder erlaubt, keine Testpflicht im Freien mehr – und all das schon ab einer stabilen Inzidenz unter 100. Nur ein großer Bereich kam bei den Lockerungen überhaupt nicht vor – private Feiern sind in Rheinland-Pfalz weiter verboten. Kritik daran kommt nun vor allem von Hochzeitsplanern: „Jeder Gastronom darf im Prinzip eine Hochzeit durchführen, aber wir dürfen nicht“, kritisiert der Bodenheimer Unternehmer Ali Sanli. Und die Koblenzer Hochzeitsplanerinnen Katja und Sina Reiner klagen: „Wir stehen ja für Amore und Dolce Vita, aber eine Perspektive haben wir bis heute nicht.“
Ali Sanli betreibt gemeinsam mit seiner Frau Eda ein Eventzentrum in Bodenheim bei Mainz, das Hauptgeschäft von „Harmony Events“ sind Hochzeiten – doch genau die darf er noch immer nicht ausrichten. „Wir dachten, am 2. Juni würde was passieren“, berichtet Sanli im Gespräch mit Mainz&, „aber da kam wieder nichts.“ Am 1. Juni verkündete Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zahlreiche Öffnungsschritte für Rheinland-Pfalz: Die Innengastronomie darf seither wieder öffnen, bei Kulturveranstaltungen im Freien und sogar beim Sport dürfen 250 Zuschauer teilnehmen, in der Außengastronomie entfiel gar die Testpflicht – und all das schon ab einer stabilen Inzidenz unter 100.
Doch ein wichtiger Bereich, der sehnsüchtig herbeigesehnt wird, kam überhaupt nicht vor: private Feiern und vor allem Hochzeiten. Das sorgte im Internet prompt für erboste Reaktionen: „Und was ist mit den Hochzeiten? Darauf wurde gar nicht eingegangen“, kritisierten prompt mehrere Facebook-Zuschauer der Pressekonferenz. In anderen Bundesländern gehe das doch auch, kritisierten andere Leser, und eine Braut schimpfte: „Meine Schwester darf nicht zur Hochzeit kommen, weil wir sonst 6 Personen (trotz Test) wären, aber mit 250 Fremden darf ich ins Stadion?!“
Auch Ali Sanli versteht das alles nicht mehr. „Im Rheingau ist es erlaubt, in Wiesbaden, in NRW, Bayern, überall – nur bei uns nicht“, das sei doch nicht mehr zu verstehen, schimpft der Unternehmer. In Bodenheim bei Mainz betreibt er eine Event-Location, mehr als 90 Prozent seiner Veranstaltungen sind Hochzeiten. 500 Personen gingen in seine Halle, aber auch mit nur 250 Personen oder einer noch kleineren Gruppe dürfe er nicht planen, sagt Sanli: „Wir haben jetzt am 12.6. eine kleine Hochzeit, die wir auch schon vier Mal verschoben haben“, klagt er: „Jeder Gastronom darf im Prinzip eine Hochzeit durchführen, aber wir dürfen nicht.“
In Hessen hingegen seien unter einer Inzidenz von 50 Hochzeiten mit bis zu 100 Personen im Innenbereich erlaubt, außen dürfen es sogar 200 sein, rechnet Sanli vor. Auch Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg erlaubten in bestimmtem Rahmen Hochzeiten, in NRW sei gerade sogar die Maskenpflicht gefallen, berichtet er – nur in Rheinland-Pfalz gebe es nicht einmal eine Aussage dazu. Am 31. Mai schrieb Sanli deshalb sogar einen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), eine Antwort hat er bisher nicht bekommen. In Rheinland-Pfalz sind bisher weiter nur Treffen von maximal fünf Personen aus fünf Haushalten im öffentlichen Raum erlaubt, private Feiern bisher gar nicht.
Und dabei, sagt Sanli, laufe bei ihm alles hoch professionell ab: „Wir haben ein strengstes Hygienekonzept und eine komplette Dokumentation mit allen Namen, und wer wo sitzt“, erklärt er. Im Corona-Lockdown habe er eine Belüftungsanlage einbauen lassen, „die bereinigt die Luft elfmal in der Stunde“, sagte er, „das ist alles mit Prüfprotokoll versehen und testiert.“ Um die 120 Hochzeiten hätte Sanli eigentlich 2020 durchführen sollen, doch dann kam Corona, seither steht seine Veranstaltungshalle weitgehend leer.
Sanli zog gar bis vor das Oberverwaltungsgericht, weil er erreichen wollte, dass seine professionell ausgerichteten Hochzeiten nicht länger als private Veranstaltungen eingestuft würden – vergeblich. „Hochzeiten müssen wieder zugelassen werden“, fordert Sanli: „Als professioneller Ausrichter von Hochzeiten sind wir nicht mit normalen Vermittlern von Räumen für private Hochzeiten zu vergleichen.“
Das sehen auch die Zwillingsschwestern Katja und Sina Reiner so, sie sind seit fünf Jahren als professionelle Hochzeitsplaner in Koblenz und Italien tätig – und auch sie verstehen nicht, wieso Rheinland-Pfalz sich nicht bewege. Es gebe ausgefeilte Hygienekonzepte, viele Menschen seien inzwischen geimpft oder genesen, es gebe Teststrategien, und trotzdem gebe es weiter keine Perspektive, kritisiert Katja Reiner: „Die ganze Branche kann es nicht verstehen, dass in den ganzen Monaten nicht einmal ein Konzept erarbeitet wurde.“
Fotografen, Künstler, Floristen, Tortenbäcker, an der Hochzeitsbranche hingen so viele kleine Unternehmer, sagt Katja, „da sind viele Existenzen, die auch bei den Überbrückungshilfen hinten runterfallen, die wenig bis gar nichts bekommen. Die ganze Hochzeitsbranche ist einmal komplett hinten runtergefallen.“
„Wir haben für dieses Jahr nur zwei Hochzeiten“, sagt Schwester Sina, alles andere würde schon wieder verschoben, meist auf 2022. Und das sei jetzt schon die zweite Saison, „das kann man auch wirklich nicht mehr auffangen – und das trifft die ganze Branche“, sagt Sina, und gesteht: „Letztes Jahr haben wir schon überlegt, ob wir aufhören – nur mit Hochzeitsplanung wären wir längst Bankrott.“ Die Schwestern machten aus ihrem Showroom in Koblenz eine „Bodega d’Amore“, einen kleinen Laden mit Café, gaben ein Hochzeitsmagazin heraus, um zu überleben – und veranstalten inzwischen Hochzeiten in anderen Bundesländern.
Dass es jetzt wieder solche Unterschiede zwischen den Bundesländern gebe, sei doch nicht zu verstehen, sagt Katja Reiner. „Wir brauchen jetzt mal konkrete Rahmenbedingungen zum Arbeiten“, fordert sie: „Es würde ja schon helfen, wenn Feiern bis 50 Personen wieder stattfinden dürften, damit die Brautpaare in einem sicheren Rahmen feiern können.“
Info& auf Mainz&: Am Mittwoch will sich um 14.00 Uhr Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu weiteren Öffnungsschritten für Rheinland-Pfalz äußern – im Mittelpunkt sollen nach der bisherigen Ankündigung aber Familien mit Kindern und die Umsetzung des Bundes-Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ stehen. Die Pressekonferenz wird im Internet auf der Facebookseite der Landesregierung rlp live gestreamt.