Der Überfall auf die Ukraine durch Russland hat auch in Mainz Schock und Entsetzen ausgelöst. In der Landeshauptstadt kamen am Donnerstagabend spontan mehr als 400 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung mit der Ukraine zusammen und protestierten damit gegen den Einmarsch in die Ukraine und gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Krieg ist Vergangenheit, Frieden ist Zukunft“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) – Putin müsse seine Truppen sofort zurückziehen. Bereits am Dienstag hatte der Mainzer Juso Robert Herr zudem den Parteiausschluss von Ex-Kanzler Gerhard Schröder aus der SPD gefordert.

Letzter vergeblicher Appell von UN-Generalsekretär Antonio Guterres in der Nacht an Putin: "Give Peace a Chance." - Foto: gik
Letzter vergeblicher Appell von UN-Generalsekretär Antonio Guterres in der Nacht an Putin: „Give Peace a Chance.“ – Foto: gik

In den frühen Morgenstunden des Donnerstags hatte Russlands Präsident Wladimir Putin den Befehl zum Einmarsch seiner Truppen in die Ukraine gegeben. Putin behauptete dabei, es gebe einen „Hilferuf“ der Separatisten-Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine, er sprach von einem angeblichen „Völkermord“, den die Ukraine in den Regionen im Donbass begehe und sprach davon, die Ukraine müsse „entnazifiziert“ werden. Nichts davon entspricht der Wahrheit: Teile der beiden Regionen im Donbass wurden 2014 von Truppen aus Russland besetzt, die sich „Separatisten“ nennen. An der Grenze zu den Separatisten-Gebieten gibt es seit 2014 Krieg und Auseinandersetzungen – die Ukraine begeht dort keinerlei Völkermord. An wem auch? Die Gebiete gehören rechtmäßig zur Ukraine, die Bewohner sind Ukrainer, viele mit russischen Wurzeln oder Verwandten – starke neo-faschistische Strömungen gibt es vor allem in Russland selbst.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine beschränkt sich zudem bei Weitem nicht auf die östlichen Regionen: Russische Truppen greifen derzeit die Ukraine von drei Seiten aus an, aus Belarus, Russland, sowie von der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat. Explosionen und Angriffe werden inzwischen aus allen Teilen der Ukraine gemeldet, auch aus der Hauptstadt Kiew. Dort heulten bereits seit den frühen Morgenstunden die Sirenen, Tausende Menschen versuchen seither in Panik und Angst, Kiew zu verlassen. Wer das nicht kann oder will, flüchtet sich in die Kiewer U-Bahn.

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Berichten zufolge gelten die Attacken in erster Linie ukrainischen Militäreinrichtungen, darunter vor allem Flughäfen, Kampfjets und Luftabwehreinrichtungen. Das ZDF meldete am Donnerstagabend aber auch: Das Gebiet rund um das frühere Kernkraftwerk Tschernobyl sei von russischen Truppen erobert worden. Deutschland, die EU und ebenso die USA verurteilten den Angriff auf die Ukraine einhellig und scharf.

Ansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Kriegsausbruch in der Ukraine. - Screenshot: gik
Ansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Kriegsausbruch in der Ukraine. – Screenshot: gik

„Russlands Präsident Putin hat die Entscheidung getroffen, die Ukraine militärisch anzugreifen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Abend in einer Ansprache an die Nation: „Das ist ein Überfall auf ein unabhängiges, souveränes Land. Er ist durch nichts und durch niemanden zu rechtfertigen.“ Putin breche „in voller Absicht mit den Grund-Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und mit der europäischen Friedensordnung“, kritisierte Scholz, und gefährde damit das Leben unzähliger Bürger der Ukraine. Er fordere Putin noch einmal auf: „Stellen Sie die Kampfhandlungen unverzüglich ein, ziehen sie die russischen Truppen aus der Ukraine zurück!“

Gleichzeitig betonte Scholz: „Diese Verletzung der Souveränität der Ukraine durch Russland werden wir nicht hinnehmen.“ Er habe dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj am Morgen in einem Telefonat gesagt: „Das ukrainische Volk und seine frei gewählte Regierung haben unsere volle Solidarität“, betonte Scholz. Gemeinsam mit EU, Nato und den G7-Staaten werde es weitere Sanktionen gegen Russland geben, die die russische Wirtschaft „hart treffen werden“, versprach Scholz. „Putin wird nicht gewinnen“, betonte der Kanzler zudem, er allein trage die Verantwortung dafür: „Dieser Krieg ist Putins Krieg“, sagte Scholz.

Deutschland hatte als eine der ersten Sanktionen bereits den Stopp der Zertfiizierung für die umstrittene Ostsee-Pipeline Nordstream 2 verfügt, weitere Sanktionen sollen folgen. Ein Abschneiden der russischen Wirtschaft von der übrigen Welt würde indes auch Deutschland hart treffen: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2021 zwischen Deutschland und Russland Waren im Wert von rund 59,8 Milliarden Euro gehandelt – 34,1  Prozent mehr als im Vorjahr. Knapp 60 Prozent aller Importe aus Russland machen Erdöl und Erdgas aus, die Bundesregierung versichert indes: Die Energieversorgung in Deutschland sei gesichert, auch ohne russische Lieferungen.

 

In Rheinland-Pfalz wurden nach Angaben des Statistischen Landesamtes 2021 Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 823 Millionen Euro nach Russland exportiert, das waren nur ganze 1,5 Prozent des Gesamtexports von Rheinland-Pfalz. Das Exportvolumen in die Ukraine betrug 2021 rund 194 Millionen Euro, das sind 0,4 Prozent aller rheinland-pfälzischen Exporte. Aus Russland wurden Waren im Wert von 398 Millionen Euro nach Rheinland-Pfalz eingeführt, aus der Ukraine Güter im Wert von 38 Millionen Euro – Haupthandelsgüter in die Ukraine sind Maschinen und Chemie gegen Holz und Glas.

Protest gegen den Überfall auf die Ukraine durch Russland und gegen Krieg in Europa in Mainz. - Foto: Peter zschunke
Protest gegen den Überfall auf die Ukraine durch Russland und gegen Krieg in Europa in Mainz. – Foto: Peter Zschunke

Die jüngsten Entwicklungen markierten „eine Zeitenwende mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West, und versetzt insbesondere unsere vor Ort aktiven Mitgliedsunternehmen in Sorge“, hatte bereits am Dienstag Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz mitgeteilt: „Die Unsicherheit der Betriebe ist spürbar: Erst Corona, Lieferengpässe, steigende Energiepreise und nun die Zuspitzung des Russland-Ukraine-Konflikts.“ Die Sorgen sind groß – nicht nur in der Wirtschaft. Viele in Mainz lebende Ukrainer sind in großer Sorge um ihre Angehörigen in der Heimat, vielfach sind Handynetze ausgefallen, Familien nicht mehr erreichbar. Auch generell wächst die Angst davor, dass sich der Überfall auf die Ukraine zu einem Flächenbrand in Europa ausweiten könnte.

„Wir sind zutiefst erschüttert über die Ereignisse der vergangenen Nacht und des Morgens und verurteilen den Angriff Russlands auf die Ukraine“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag: „Wir erleben einen klaren Bruch des Völkerrechts durch Russland.“ Krieg als Mittel der Politik mitten in Europa sei jahrzehntelang undenkbar gewesen. „Die russische Invasion stellt einen Rückfall in längst vergangen geglaubte Zeiten dar“, betonte Dreyer. Rheinland-Pfalz bereitet sich auf die Aufnahme von Vertriebenen und Geflüchteten aus der Ukraine vor. Experten rechnen mit einer enormen Flüchtlingswelle aus der Ukraine in Richtung Westen.

Protestkundgebung gegen den Krieg in der Ukraine am Donnerstagabend in Mainz. - Foto: Dino Renvert
Protestkundgebung gegen den Krieg in der Ukraine am Donnerstagabend in Mainz. – Foto: Dino Renvert

In Mainz versammelten sich am Donnerstagabend spontan mehr als 400 Mainzer auf dem Gutenbergplatz vor dem Theater, um Trauer, Schock und Entsetzen über den Angriff auf die Ukraine Ausdruck zu verleihen. „Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist ein Angriff auf Europa“, hatte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) schon am Mittag mitgeteilt. Russland breche „mit grundlegenden Regeln der internationalen Ordnung“, betonte Ebling und forderte: „Alle, die für die Werte von Demokratie und Freiheit stehen, müssen jetzt gemeinsam Russland die Stirn bieten. Der Angriff auf die souveräne Ukraine ist mit nichts zu rechtfertigen.“

Schon am Dienstag hatten etwa 50 Mainzer sich zu einer Mahnwache für den Frieden in Mainz zusammengefunden – bereits zum dritten Mal. „Wir müssen jetzt ein Stoppschild setzen“, sagte Jonas Volkmann, Sprecher der Grünen Jugend in Rheinland-Pfalz. Der Einmarsch russischer Truppen sei „eine Völkerrechtsverletzung, ein Bruch des Minsker Abkommens und eine Aggression, die nichts mehr mit Sicherheitspolitik zu tun hat“, betonte Volkmann: „Es geht rein um Machtinteressen.“ Als Europäer gelte es jetzt, die Ukraine zu unterstützen und zu zeigen, dass man sich als Europäer nicht auseinander dividieren lasse.

„Es kann keine zwei Meinungen geben, wer in dieser Lage der Aggressor ist: Putin“, sagte schon am Dienstag Robert Herr von den Jusos. Putin habe Europa die Verteidigung der Demokratie aufgezwungen, „Es gelüstet ihn nicht nur nach der Ukraine“, sagte Roman, das habe Putin in seiner sehr ausschweifenden Rede vor wenigen Tagen sehr deutlich gemacht: Putin wolle alle Länder der ehemaligen Sowjetunion „heim ins Reich“ holen. „Wer glaubt, dass es hier „nur“ um die Ukraine geht, was schlimm genug wäre, geht fehl“, betonte Herr, dies sei „ein Angriff auf die europäische Friedensordnung“, wie es ihn seit dem zweiten Weltkrieg nicht gegeben habe.

Mehr als 400 Menschen am Donnerstag bei der Protestkundgebung gegen den Krieg in der Ukraine in Mainz. - Foto: Peter Zschunke
Mehr als 400 Menschen am Donnerstag bei der Protestkundgebung gegen den Krieg in der Ukraine in Mainz. – Foto: Peter Zschunke

„Das muss Konsequenzen haben“, forderte Herr – und zwar auch für den ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden und Ex-Kanzler Gerhard Schröder. „Für mich ist auch klar, dass man nicht Partei ergreifen und nicht arbeiten kann für einen Mann, der Europa mit Krieg überzieht“, sagte Herr, und forderte den Parteiausschluss des Ex-Kanzlers: „Das heißt für mich: Gerhard, tritt zurück oder tritt aus – sonst muss die Partei dafür sorgen dass Du gehst.“ Auch aus anderen SPD-Ortsvereinen kamen inzwischen gleichlautende Forderungen gegen Schröder, der Chef des Verwaltungsrats des russischen Gasversorgers Gazprom ist, und sich selbst stets als engen Freund Putins bezeichnet hat.

„Mit dem Spiel mit dem Feuer muss Schluss gemacht werden“, forderte auch FDP-Fraktionschef David Dietz, „der russische Aggressor muss Schluss machen mit seinen Großmacht-Phantasien.“ Dass man das im Jahr 2022 noch erleben müsse, sei „blanker Hohn“, kritisierte Dietz, und rief den in Mainz lebenden Ukrainern zu: „Wir stehen an Eurer Seite!“

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