Rund 150 Mainzer hatten sich am Dienstagabend vor dem Mainzer Staatstheater versammelt, „Frieden jetzt – kein Einmarsch in die Ukraine“ lautete das Thema des Abends. Gekommen waren Vertreter aller demokratischer Parteien im Mainzer Stadtrat, aber auch in Mainz lebende Ukrainer – und sogar der Generalkonsul der Ukraine aus Frankfurt. „Russland hat 130.000 Soldaten an den Außengrenzen zusammengezogen, nur ein kleiner Funke reicht aus, damit diese in die Ukraine einmarschieren“, sagte der Initiator, der Mainzer CDU-Chef Thomas Gerster. Es gehe darum, ein Zeichen zu setzen – für den Frieden und für die Solidarität mit der Ukraine. Am Samstag gibt es dazu erneut eine Kundgebung in Mainz.

Die Mainzer Parteien hatten zur Mahnwache für Frieden in der Ukraine aufgerufen. - Foto: CDU
Die Mainzer Parteien hatten zur Mahnwache für Frieden in der Ukraine aufgerufen. – Foto: CDU

Seit Wochen zieht der russische Präsident Wladimir Putin immer mehr russische Truppen in einem Halbkreis an den Außengrenzen der Ukraine zusammen. Das Land im Osten Europas kämpft seit 2013 gegen zunehmenden Druck aus Russland, seit die Bevölkerung in der Maidan-Revolution den alten Präsidenten Viktor Janukowitsch vertrieb, der die Ukraine wieder enger an Russland binden wollte. Janukowitsch floh am 22. Februar 2014 aus der Ukraine, der heutige Präsident Wolodymyr Selenskyj will die Ukraine enger an den Westen binden – so, wie es die Mehrheit der Ukrainer auch will.

Experten zufolge will der russische Präsident Wladimir Putin das mit allen Mitteln verhindern – der amerikanische Geheimdienst CIA sagte gar für Mittwoch dieser Woche konkret den Angriff Russlands auf die Ukraine vorher. Rund 13.000 Soldaten stehen derzeit kampfbereit entlang der ukrainischen Grenze, auch auf der Halbinsel Krim, die Russland 2014 einfach von der Ukraine annektierte. Im Osten der Ukraine, in den Provinzen Donezk und Luhansk haben mutmaßlich von Russland gesteuerte Söldnertruppen „unabhängige Volksrepubliken“ ausgerufen, in dem hier seit 2014 geführten Krieg starben bereits mehr als 10.000 Menschen.

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Zur Mahnwache auf den Gutenberg-Platz waren am Dienstagabend rund 150 Menschen gekommen. - Foto: gik
Zur Mahnwache auf den Gutenberg-Platz waren am Dienstagabend rund 150 Menschen gekommen. – Foto: gik

Die starken Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze zeigten, „dass die Kriegsgefahr quasi mit den Händen zu greifen ist“, sagte CDU-Kreischef Gerster in seinem Aufruf zur Mahnwache. Dass ein solche Szenario „nicht unrealistisch ist, hat Putin bereits 2014 mit der Annektion der Krim bewiesen“, warnte Gerster am Dienstag nun: „Gerade wir hier in Mainz, dessen Zerstörung sich in wenigen Tagen zum 77. Mal jährt, wissen, wie es ist, wenn Krieg und Zerstörung über ein Land kommen.“

Gerade die Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg Russen, aber auch Ukrainern Leid zugefügt hätten, „tragen eine besondere Verantwortung dafür, dass es in Europa keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr gibt“, betonte Gerster: „Aus diesem Grund fordern wir Putin auf, dass er jegliche kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine unterlässt, seine Truppen sofort zurückzieht, und die Besetzung der Krim beendet.“ Die Botschaft, die von der Mahnwache ausgehen müsse sei: „Krieg kann und darf in unserer heutigen Zeit kein Mittel der Politik sein“, unterstrich Gerster: „Uns alle verbindet die Hoffnung, dass es nicht zu einem kriegerischen Konflikt kommt.“

Ganz ähnlich äußerten sich am Abend auch Vertreter von Grünen, SPD, FDP und ÖDP. „Ich hätte nicht gedacht, dass es zu meinen Lebzeiten noch einmal um Krieg in Europa geht“, sagte der ÖDP-Politiker Walter Konrad: „Lasst uns ein Licht anzünden, dass unsere Befürchtungen nicht Wahrheit werden und sich die Kriegsgefahr in Europa nicht verwirklicht.“ Es gehe „um tausende Einzelschicksale von Menschen“, sagte die Mainzer Grünen-Chefin Christin Sauer, entscheidend sei jetzt, dass die Diplomatie Erfolg habe.

„Wir stehen an der Seite derer, deren Leben in Frieden und Freiheit in Gefahr ist“, heißt es zudem in einer gemeinsam Erklärung von CDU, SPD, Grünen und FDP: „Die Bedrohung der Ukraine ist real, und es ist eindeutig, wer dafür die Verantwortung trägt. Die Menschen in der Ukraine haben ein Recht auf ein Leben ohne Angst und Bedrohung, auf Selbstbestimmung und Souveränität, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede am vergangenen Sonntag sagte. Dies ist unsere gemeinsame Haltung in Mainz wie überall in der Europäischen Union.“

„Wir wollen ein wichtiges Zeichen setzen, wir müssen es“, sagte auch FDP-Fraktionschef David Dietz, er habe „kein Verständnis für Säbelrasseln“ das Auffahren von Panzern und Soldaten an der Grenze zur Ukraine. „Wer wie ich in den 1080ern aufgewachsen ist, für den ist es unvorstellbar, dass wir heute hier stehen müssen“, sagte Dietz. Es gelte nun auch, Solidarität mit dem Volk der Ukraine zu demonstrieren: „Ihr seid nicht alleine, wir stehen an eurer Seite und bleiben an eurer Seite“, rief er den Ukrainern zu.

Der der Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt, Vadym Kostiuk, war eigens zur Mahnwache nach Mainz gekommen. - Foto: gik
Der der Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt, Vadym Kostiuk, war eigens zur Mahnwache nach Mainz gekommen. – Foto: gik

Die freuten sich über die Unterstützung: „Ich bin sehr froh, dass solche Initiativen hier im Zentrum Deutschlands stattfinden“, sagte der Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt, Vadym Kostiuk, und dankte für die Unterstützung der Parteien. „Wir sind sehr beunruhigt, wir bereiten uns auf das Schlimmste vor“, sagte Kostiuk im Gespräch mit Mainz&, „wir tun das besonnen, ruhig, mit kaltem Kopf und heißem Herzen.“ Russland habe mit seiner Aggression seit 2014 die Hinwendung der Ukraine zum Westen selbst verursacht, betonte Kostiuk: „Nicht die Nato will sich nach Osten ausdehnen, das ist eine Lüge – wir sind Europäer, wir möchten Mitglieder der Nato und der EU werden, das steht sogar in unserer Verfassung.“

Und die Bedrohung der Ukraine durch Russland ist noch nicht vorbei: Am Dienstag sendete Putin just zum besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) zwar Signale der Entspannung, Russland behauptete, man würde Truppen von der Grenze der Ukraine abziehen. Doch Experten haben dafür bis heute keinen Beleg gefunden, im Gegenteil: Putin habe statt weniger Truppen inzwischen rund 7000 Soldaten mehr an die Grenze zur Ukraine verlegt, sagte der britische Außenminister am Donnerstag in Brüssel.

Das renommierte Recherche-Kollektiv „Bellingcat“ betonte am Donnerstagabend im Heute Journal des ZDF: Russland Behauptung eines Truppenabzugs sei „irreführend, wenn nicht komplett falsch“, sagte Christo Grozev: Man sehe in etwa dieselbe Zahl an russischen Truppen, die sich von der Grenze weg und zur Grenze hin bewegten. „Es scheint, als hätten die Bewegungen vor allem ein Ziel: Verwirrung zu stiften“, sagte Grozev.

US-Präsident Joe Biden sagte gar, er befürchte einen Überfall auf die Ukraine in den nächsten Tagen – im Osten der Ukraine gab es am Donnerstag neue Gefechte. US-Außenminister Antony Blinken warnte vor dem UN-Sicherheitsrat, Russland könne unter einem Vorwand einen Anlass für einen Überfall auf die Ukraine heraufbeschwören. Das könne ein fungierter Terrorangriff in Russland sein, die Entdeckung eines erfundenen Massengrabes mit russischen Toten in der Ukraine oder sogar ein echter Angriff mit Chemiewaffen, beschrieb Blinken mögliche Szenarien. Experten halten solche „False Flag“-Operationen für absolut denkbar und möglich – so, wie auch 2014 auf der Krim.

Aufruf "Stand with Ukraine" für eine Kundgebung am Samstag in Mainz. - Foto: Ukrainischer Verein Mainz
Aufruf „Stand with Ukraine“ für eine Kundgebung am Samstag in Mainz. – Foto: Ukrainischer Verein Mainz

Die Ukrainer in Deutschland wollen deshalb am Samstag erneut auf die Straße gehen, um für Frieden in ihrem Land und gegen einen Einmarsch Russlands zu protestieren. Am Samstag, dem 19.02. planen wir von 16.00 bis 17.00 Uhr eine länderübergreifende Kundgebung, die in Mainz auf dem Gutenbergplatz stattfinden wird, sagte die Vorsitzende des Ukrainischen Vereins in Mainz, Viktoriya Jost, gegenüber Mainz&. Die friedliche Kundgebung werde gleichzeitig in mehreren deutschen und österreichischen Städten stattfinden, darunter Wien, Graz, München, Leipzig, Frankfurt, Heidelberg und Mainz.

„Wir verurteilen den geplanten Krieg Russlands gegen die Ukraine, und wir stehen  gemeinschaftlich für die Wahrung unserer Souveränität ein“, betonte Jost. Die Ukraine sei „ein friedliches, eigenständiges Land, das keinen Krieg will“, sagte die in Mainz lebende Ukrainerin weiter. Am Samstag werde deshalb „in allen Städten die ukrainische Hymne läuten, und Menschen mit ukrainischen Wurzeln mit ihren Freunden zusammenkommen, um Einheit und Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.“

Info& auf Mainz&: Das ganze Heute Journal vom 17. Februar findet Ihr hier beim ZDF in der Mediathek, der Beitrag zur Ukraine ist gleich der erste in der Sendung. Ausführliche und fundierte Hintergründe mit exzellenten Experten zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, seine Entstehung und die Motivation der Beteiligten, könnt Ihr in der Sendung „Markus Lanz“ vom 15. Februar erfahren – wir empfehlen die ganz ausdrücklich.