Was wird aus dem Kurfürstlichen Schloss in Mainz? Voraussichtlich 2020 zieht das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) aus seinen Räumen im Schloss aus, der Rheinflügel wird damit für eine öffentliche Nutzung frei. Der Mainzer Stadtvorstand beschloss nun: Das gesamte Schloss soll als Kongresszentrum genutzt werden, gleichzeitig aber soll es auch für die Mainzer zugänglich bleiben: Abiball, Fastnacht, Feiern, das Schloss soll die „Gute Stubb“ von Mainz bleiben. Von einem „Bürgerschloss“ sprach Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Der Mainzer Altertumsverein indes wünscht sich, die Geschichte des Schlosses mit seiner Bedeutung für Mainz endlich wieder sichtbar und für die Mainzer erlebbar zu machen – und träumt von der Wiedersichtbarmachung der alten Martinsburg und einer Rekonstruktion der früheren Wohnräume des letzten Mainzer Erzbischofs.
2015 hatte die Stadt eine Machbarkeitsstudie zum Kurfürstlichen Schloss vorgelegt, das wesentliche Ergebnis: Das Schloss soll ein Kongresszentrum werden. In Teilen ist es das heute schon, der Isenburg-Flügel genannte, vom Rhein wegführende Teil des Schlosses mit Spiegelsaal und großem Saal wird schon heute für Tagungen, Kongresse und natürlich die Fastnacht genutzt. Auch der Rheinflügel des Schlosses solle ab 2020 als Kongresszentrum genutzt werden, bekräftigte nun Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) nach einer Sitzung des Mainzer Stadtvorstands. Das habe der Stadtrat im Dezember 2015 beschlossen, und das wolle die Stadt nun umsetzen. 2,8 Millionen Euro stellte der Stadtrat im Februar 2018 für die weitere Planungen zur Verfügung, damit soll nun eine bauhistorische Untersuchung in Auftrag gegeben, insgesamt rund 100.000 Euro für Gutachten und Expertisen ausgegeben werden.
Denn das Mainzer Schloss ist nicht irgendein Bau: Es gebe kein anderes Gebäude in Mainz außer dem Dom, das von einer so hohen historischen und architektonischen Bedeutung für die Stadt sei, sagte Ebling. Das Schloss stehe für ein früheres Machtzentrum, „es hat mit diesem Gebäude aber auch immer eine hohe Identifikation der Mainzer gegeben“, betonte der OB. Und so solle das Schloss auch künftig den Mainzern zugänglich bleiben, Ort für Abibälle und Feiern, und natürlich für die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“. „Eine öffentlich zugängliche Nutzung steht über allem“, sagte Ebling: „Es ist die Gut Stubb, und es wird die Gut Stubb bleiben.“
Das war nicht immer so: 2015 hatte Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) gefordert, das Schloss mit einem Hotel zu flankieren, ein 4-Sterne-Haus sei nötig, um Übernachtungskapazitäten für Tagungsgäste zu schaffen. Anstelle des heutigen Anbaus aus den Nachkriegsjahren, der die Werkstätten des RGZM enthält, oder auf dem Parkplatz neben dem Schloss nannte Sitte als Optionen. Inzwischen aber sind in Mainz neun Hotels neu entstanden, der Druck hat nachgelassen. Und so mochte Sitte nun die Forderung nach einem Schlosshotel nicht erneuern.
Mainz habe sich in Sachen Kongresse gut entwickelt und inzwischen eine Million Übernachtungen, sagte Sitte. Allein im Schloss habe man in diesem Jahr 165 Veranstaltungstage, Ende 2018 würden voraussichtlich 65.000 Besucher erreicht. Mit noch mehr Räumen sei das Potenzial „deutlich höher“, betonte Sitte, das Schloss mit seinem „einmaligen Blick auf den Rhein“ solle die Vermarktung als Tagungsort beflügeln.
„Ich kann mir eine weitere Bebauung nicht vorstellen“, sagte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) auf die Frage, ob das Schlosshotel noch aktuell sei. Überhaupt gebe es „viele Fragen, die wir in der Öffentlichkeit diskutieren wollen“, betonte Grosse, vor allem zum Umfeld des Schlosses: Wie solle mit der Steinhalle umgegangen werden und wie mit dem Parkplatz? Wie könne man der alten Martinsburg Rechnung tragen, und was passiere mit dem Jubiläumsbrunnen an der Großen Bleiche? Dazu werde es Planungswettbewerbe sowie Wettbewerbe zur Freianlagengestaltung und zum Hochbau geben müssen, sagte Grosse, man wolle unbedingt aber die Bürger bei der Planung des Umfeldes einbinden. Im März 2019 sei deshalb ein Symposium zum Umfeld des Schlosses und der Frage des Denkmalschutzes geplant, sie sei mit den Denkmalschützern bereits im Gespräch.
Der Mainzer Altertumsverein träumt indes noch von weit mehr: Das Schloss sei eigentlich der wichtigste nicht-kirchliche Bau für die Geschichte von Mainz als Jahrhunderte lange Residenz der Erzbischöfe, sagte Georg Peter Karn vom Mainzer Altertumsverein, der eine Denkschrift zum Mainzer Schloss erstellt hat. In dem Schloss kristallisiere sich auf hochprägnante Weise die Geschichte des Erzbistums Mainz, das Schloss sei zudem einer der bedeutendsten Bauten der Renaissancegeschichte in Deutschland.
All das sei derzeit aber für die Mainzer kaum erfahrbar, klagte Karn, die Außenanlagen um das Schloss herum „ein Anblick langjähriger Vernachlässigung“. Schon im Frühjahr forderte der Altertumsverein deshalb, das Schloss aus seinem Dornröschenschlaf und seiner isolierten Lage zu befreien und regte eine neue Gestaltung des gesamten Viertels an der Großen Bleiche einschließlich des Deutschhauses gegenüber an. „Wir regen die Gründung eines Schlossbeirats an“, forderte Karn, nur mit Hilfe von Fachleuten könne „eine Sanierung fachlich kompetent erfolgen und die Anlage aus ihrem Dämmerzustand erlöst werden.“
Bei einer Sanierung gelte es, „die Geschichte des Schlosses wieder sichtbar zu machen“, wünschte sich Karn. Der Altertumsverein schlägt eine historische Rekonstruktion mancher Räume vor, etwa der Wohnräume des letzten Mainzer Erzbischofs. Alte Möbelbestände könnten vielleicht noch in bayrischen Archiven gefunden werden, mutmaßt der Verein, dort, wohin einst der vorletzte Mainzer Erzbischof Friedrich von Erthal vor den Franzosen floh. Auch eine Wiedersichtbarmachung der alten Martinsburg, dem Vorläuferbau des Schlosses, wünschen sich die Historiker. Von der sei im Erdgeschoss sogar noch eine alte Fensterfront erhalten, die aber derzeit in einer Innenwand verbaut ist, auch ein alter Toilettenbau findet sich hier, versteckt in Büroräumen, oder das noch original erhaltene Direktorenzimmer des 1852 im Schloss gegründeten RGZM.
„Wir bitten die Stadt dringend, dass wir endlich erfahren, was sich unter dem Rasen vor dem Schloss befindet“, sagte der Historiker Ralph Melville vom Altertumsverein, und wies auf den Bereich Richtung Rheinufer. Ausgrabungen könnten helfen, ein Modell der Martinsburg zu erstellen, auch könne man so vielleicht eine direkte Verbindung zur Rheinpromenade und den Schiffsanlegern schaffen. „Das Schloss ist ein großes Angebot, die Identität der Bürger mit Schloss und Stadt zu vertiefen“, betonte Melville. Und so schlägt der Verein vor, ein Teil des Rheinflügels könne doch zum Museum werden, in dem die Baugeschichte des Schlosses dokumentiert werde. Andere Städte wie Mannheim oder Karlsruhe machten es vor, und dort seien die Schlösser große touristische Anziehungspunkte geworden.
Doch die Mainzer Stadtspitze mochte sich zu solchen Ideen noch nicht festlegen: „Das ist ein Vorschlag, und der ist gut, aber es wird viele Vorschläge geben“, sagte Ebling. In Sachen Renovierung Rheinflügel sollen die Planungen direkt und ohne Wettbewerb starten, „damit wir 2020 sofort handlungsfähig sind“, betonte Grosse. Bis Ende 2019 könnte die Pläne für den Umbau zum Kongresszentrum bereits vorliegen. 2009 war zudem mit der Fassadensanierung begonnen worden, die inzwischen am Isenburgflügel angelangt ist. 4,29 Millionen Euro flossen bereits in die Arbeiten, davon knapp 700.000 Euro von der Stadt. Bis Ende dieses Jahres soll die Fassadensanierung beendet sein.
Auch die künftige Schlosssanierung werde eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land, Stadt und gesellschaftlichem Engagement sein müssen, stellte Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) klar – die Kosten bemisst der Dezernent inzwischen auf 65 Millionen Euro. „Wir kriegen eine Finanzierung hin, wenn sich die Welt nicht total ändert“, zeigte sich Beck zuversichtlich. Ebling schätzte die Dauer für die Sanierung des Rheinflügels auf drei Jahre. „Schaffen Sie einen Identifikations- und Erinnerungsort“, mahnte Karn, „ein Tagungsort allein ist für die Mainzer zu wenig.“
Info& auf Mainz&: Unseren Bericht von der Vorstellung der Machbarkeitsstudie zum Kurfürstlichen Schloss in Mainz aus dem Oktober 2015 könnt Ihr hier noch einmal nachlesen (und dabei gleich auch sehen, wie sich unsere Berichterstattung in den drei Jahren gewandelt hat… ;-)). Die Machbarkeitsstudie selbst findet Ihr zum Download hier bei der Stadt Mainz.