Das Jahr 2023 wartet mit einer weiteren wichtigen Wahl auf: Die Hessen wählen ein neues Landesparlament. Nun steht fest: Die Landtagswahl in Hessen findet am 8. Oktober 2023 statt. Das legte am Dienstag das hessische Landeskabinett fest. Damit steigt die Spannung im Nachbarland – vor allem in Sachen SPD: Erwartet wird, dass SPD-Landeschefin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin antritt – doch die ist zurzeit (noch) Bundesinnenministerin. Doch auch CDU und Grüne haben Probleme in Hessen: Ihnen laufen gleich vier amtierende Minister weg.

Staffelübergabe im Mai 2022: Boris Rhein (CDU, links) beerbet Volker Bouffier (CDU, rechts). - Screenshot: gik
Staffelübergabe im Mai 2022: Boris Rhein (CDU, links) beerbet Volker Bouffier (CDU, rechts). – Screenshot: gik

In Hessen regiert seit Januar 2014 eine schwarz-grüne Koalition, der damalige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) schmiedete nach der Landtagswahl am 22. September 2013 völlig überraschend eine Koalition mit den Grünen – und die hielt auch nach der Landtagswahl am 28. Oktober 2018. Die CDU kam 2018 auf 27 Prozent der Stimmen, SPD und Grüne lagen mit jeweils 19,8 Prozent gleichauf – für die SPD war das Abschneiden ein Debakel erster Güte.

Der damalige Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel zog sich nach der Wahlniederlage aus der Politik zurück, seither heißt die hessische SPD-Chefin: Nancy Faeser. Bundeskanzler Olaf Scholz machte die profilierte Innenpolitikerin im Dezember 2021 zur Innenministerin von Deutschland. Seither hat sich die gebürtige Bad Sodenerin und studierte Juristin als entschiedene Innenministerin profiliert – doch Faeser steht vor einem Dilemma: Tritt sie als Spitzenkandidatin bei der Hessenwahl an – oder bleibt sie als Innenministerin in Berlin?

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Tritt Faeser als Spitzenkandidatin bei der Hessenwahl an?

Ob Faeser als Innenministerin in den Wahlkampf in Hessen einsteigt, gilt immer noch als Rätsel: Die Doppelbelastung würde Angriffspunkte im Wahlkampf bieten, der politische Gegner könnte der Ministerin vorwerfen, ihr Amt zu vernachlässigen – oder gar nicht wirklich Ministerpräsidentin von Hessen werden zu wollen. Bei einer Niederlage läuft Faeser zudem Gefahr, als Ministerin in Berlin angeschlagen zu sein – so erging es etwa 2012 Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der als Spitzenkandidat in NRW scheiterte, und danach auch sein Ministeramt in Berlin unter Angela Merkel (CDU) verlor.

Nancy Faeser (SPD) als Bundesinnenministerin. - Foto: Peter Jülich /BMI
Nancy Faeser (SPD) als Bundesinnenministerin. – Foto: Peter Jülich /BMI

Gleichzeitig ist Faeser aber die überzeugendste Kandidatin für die Hessen-SPD bei der anstehenden Landtagswahl: Die langjährige Landtagsabgeordnete gilt als überzeugende Frontfrau sowie als ausgewiesene Fachpolitikerin, durch ihr Amt als Bundesministerin hat sie erheblich an Bekanntheit und auch an Standing als Amtschefin gewonnen. Zudem würde die SPD mit Faeser als einzige der größeren Parteien eine Frau ins Rennen schicken: Für die CDU tritt Ministerpräsident Boris Rhein an, für die Grünen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

Der Ausgang der Hessen-Wahl ist zudem alles andere als eindeutig: Mit Rhein tritt ein Amtsinhaber an, der erst seit Mai 2022 Ministerpräsident ist – Rhein beerbte den aus Altersgründen zurückgetretenen Bouffier, und muss sich nun seiner ersten Bestätigung durch die Wähler stellen. Kurz nach seinem Amtsantritt sank die Zustimmung zur Politik seiner Regierung allerdings deutlich – Gründe waren aber vor allem die explodierenden Energiepreise und die galoppierende Inflation, wie der „Hessentrend“ des HR ausmachte.

Boris Rhein laufen die Minister weg

Boris Rhein hingegen lag beim letzten Hessentrend im Oktober 2022 mit 30 Prozent Zustimmung deutlich vor Al-Wazir (21 Prozent) und Faeser (17 Prozent), doch mit einem Ministerpräsidenten der Grünen könnte sich auch eine Option auf Grün-Rot eröffnen. Gleichzeitig war in den vergangenen Wochen ein kurioser Trend zu besichtigen: Gleich vier seiner derzeitigen Minister kündigten an, nach der nächsten Hessenwahl nicht weitermachen zu wollen.

Kollegen in der Regierung, Konkurrenten im Wahlkampf: Ministerpräsident Boris Rhein (CDU, links) und sein Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne, rechts). - Foto: gik
Kollegen in der Regierung, Konkurrenten im Wahlkampf: Ministerpräsident Boris Rhein (CDU, links) und sein Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne, rechts). – Foto: gik

Rhein liefen die Minister weg, ätzte die Opposition angesichts der wirklich ungewöhnlichen Häufung – zumal unter denen, die ihren Rückzug ankündigten, auch jüngere Politiker sind: Der gerade 49 Jahre alt gewordene Kai Klose (Grüne) ist erst seit Januar 2019 Hessischer Gesundheitsminister, trotzdem gab er im Dezember 2022 seinen Rückzug aus der Politik bekannt, gemeinsam mit seiner grünen Ministerkollegin Priska Hinz. Die 63-Jährige Hinz ist allerdings deutlich länger in Spitzenämtern unterwegs gewesen und will nun mehr Zeit für ihre Enkel haben.

Fast gleichzeitig kündigten zudem zwei amtierende CDU-Minister ihren Rückzug an: Mit der 61 Jahre alten Lucia Puttrich, derzeit Bundesbevollmächtigte von Hessen und frühere Umweltministerin, geht eine altgediente Ministerin, mit Innenminister Peter Beuth ein gerade erst 54 Jahre alter Politiker, der allerdings schon seit 1999 in der Landespolitik  aktiv ist. Beuth hatte bei der Nachfolge Bouffiers den Machtkampf gegen Rhein verloren, der Rheingauer gilt als Hardliner, der als Innenminister zudem immer wieder Skandale und Pannen zu verantworten hatte – etwa beim Kampf gegen Rechtsextreme in der hessischen Polizei.

Wahltermin in Wiesbaden am 8. Oktober 2023

Rhein bietet also ebenfalls Angriffspunkte im Wahlkampf, die Opposition redet schon jetzt von „Stillstand“ unter seiner Führung. Die SPD will ihre Entscheidung zur Spitzenkandidatur am 3. Februar verkünden – alles andere als eine Kandidatur von Nancy Faeser wäre trotz allem eine große Überraschung.

Der neue Hessische Landtag in Wiesbaden wird am 8. Oktober 2023 gewählt. - Foto: Martin Kraft via Wikipedia
Der neue Hessische Landtag in Wiesbaden wird am 8. Oktober 2023 gewählt. – Foto: Martin Kraft via Wikipedia

Die Grünen kritisierten denn auch bei der Neubesetzung des Amtes des Bundesverteidigungsministers am Dienstag, es sei doch „skurril“, dass sich Faeser noch immer nicht erkläre: Faeser müsse „endlich Klarheit schaffen, statt der Öffentlichkeit und der Bundesregierung eine weitere Hängepartie zuzumuten“, kritisierte die Grünen-Landesspitze: Das Amt der Bundesinnenministerin sei ja „kein Teilzeit-Job oder eine Verfügungsmasse für parteitaktische Überlegungen.“

Die Hessenwahl verspricht also spannend zu werden, fest steht immerhin nun: Wahltermin ist der 8. Oktober 2023. Der Oktobersonntag wird damit zu einem Super-Wahltag: Am gleichen Tag wählen auch die Bayern einen neuen Landtag.

Info& auf Mainz&: Mehr zum aktuellen Hessentrend des HR findet Ihr hier im Internet, eine ausführliche Analyse der Kollegen zur Rolle Nancy Faesers könnt Ihr hier bei der Hessenschau lesen. Wer Boris Rhein ist, könnt Ihr hier in unserem Mainz&-Bericht zum Wechsel von Bouffier auf Rhein nachlesen.