Ein schön gedeckter Tisch auf dem Gutenbergplatz, wie gerne würde man sich jetzt hier niederlassen und speisen, in der Sinne, mit Blick auf den Dom. Doch nein: Deutschland ist immer noch im Lockdown, und genau dagegen protestierte am Mittwoch in Mainz die Gastronomieszene. Rund 200 Hoteliers, Restaurantbesitzer und Kneipenbetreiber waren dem Aufruf des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA zu einer Mahnwache vor dem Mainzer Staatstheater gefolgt, Adressat: die Politik. Und die reagierte: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) stellte in Aussicht, die Außengastronomie wieder zuzulassen, und das wohl schon im März. Auch CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf sprach sich dafür aus und forderte zudem Konzepte mit Schnelltests als Chance für die Gastronomie.
„Es ist schwer“, sagt Sarah Wilok, Geschäftsführerin des Restaurants Bergschöns im Mainzer Kirschgarten, „wer bestellt sich denn gerade ein Schnitzel?“ In der Altstadt gebe es derzeit wenig Bewegung, dadurch gebe es auch wenig To Go-Geschäft, sagt Wilok: „Wir hören von allen, es läuft schleppend.“ Erst 2018 startete das Bergschön im Kirschgarten seinen Betrieb, 2020 kamen das bergschön auf dem Lerchenberg und das Popup-Restaurant im Hechtsheimer Bachhof hinzu. „Wir sind sehr, sehr jung, und als junges Unternehmen greift man nach jedem Strohhalm“, sagt Wilok: „Es wäre schön zu wissen, wie lange wir noch durchhalten müssen.“
Das forderte auch Dehoga-Landeschef Gereon Haumann: „Wir bitten um einen verbindlichen Öffnungsplan“, sagte er an die Adresse der Politik. Seit vier Monaten seien Hotels und Restaurants geschlossen, die Branche brauche nun endlich eine Perspektive: „Wir wollen und wir können – lasst uns endlich wieder öffnen!“ Hotels und Gaststätten hätten schon nach dem ersten Lockdown alle jeweils geltenden Hygiene- und Schutzregeln umgesetzt, betonte Haumann: „Die Gäste waren und sind in unseren Betrieben jederzeit sicher.“ 135 „Hoffnungslichter“ habe man dafür heute auf dem Gutenbergplatz angezündet, stellvertretend für rund 13.500 Familienbetriebe in Rheinland-Pfalz, sagte Haumann.
Tatsächlich waren am Mittwoch Teilnehmer aus allen Teilen des Landes nach Mainz gekommen, Hotelbetreiber, Restaurantbesitzer, Kneipenwirte. „Scheiße ist es“, sagt Burkhard Geibel-Emden, Wirt der Mainzer Kultkneipe „Zur Andau“. Seine Kneipe ist derzeit ein Corona-Testcenter, das zahle die Hälfte der Miete, sagt Geibel-Emden. Demnächst werde er rund 300 Liter Bier in den Ausguss gießen müssen – abgelaufene Ware. Martina Jordan wiederum bekommt derzeit den Blues, wenn sie durch ihre menschenleere Untermühle im rheinhessischen Köngernheim läuft. „Ich habe innerlich alle Gäste begrüßt, die sonst im Wellnessbereich säßen“, berichtet die Hotelchefin von Jordan’s Untermühle, „in meinem Herzen laufen dauernd Tränchen.“ Ja, sei halte noch durch, sagt sie noch, „aber seelisch ist das eine Herausforderung.“
Haumann betonte, spätestens, wenn sich am 3. März Bund und Länder wieder zum Corona-Gipfel träfen brauche die Branche einen verbindlichen Fahrplan, wer wann dauerhaft wieder öffnen könne. „Die Gäste wollen endlich wieder in unsere Betriebe“, sagte Haumann, und wer am Wochenende unterwegs gewesen sei, habe ja gesehen, wieviel da losgewesen sei. „Wir sind überzeugt, die Infektionen würden weniger schlimm sein, wenn unsere Außengastronomie geöffnet wäre“, sagte Haumann. Der Inzidenzwert dürfe nicht länger „das Maß aller Dinge“ sein, kritisierte er: „50, 35, 20, 10, das geht so nicht weiter, es gibt keinen Grund, jede Woche die Wurst immer höher zu hängen.“
Dem widersprach allerdings die Ministerpräsidentin persönlich: Man müsse sich durchaus „an Inzidenzen orientieren“, betonte Malu Dreyer, die SPD-Frontfrau war persönlich auf den Gutenbergplatz gekommen. „Leider ist das Virus da, und auch die Mutation ist da, wir können das nicht wegzaubern“, mahnte Dreyer, und es sei nun einmal ein Fakt, dass sich die Infektion „im Innenbereich viel, viel schneller verbreitet.“ Die Lage der Branche lasse sie aber nicht kalt, betonte die Ministerpräsidentin: „Es ist sehr berührend zu sehen, wie Sie hier stehen, das geht auch persönlich sehr stark an mich ran.“ Sie habe im Blick, dass gerade die Osterzeit für die Szene sehr wichtig sei.
Und so stellte die Regierungschefin Hotels und Gaststätten zumindest eine erste Lockerung in Aussicht: „Ich werde mich einsetzen, dass wenigstens die Außengastronomie öffnen kann“, versprach Dreyer mit Blick auf das Bund-Länder-Treffen kommende Woche, das solle noch im März geschehen. Zudem forderte Dreyer Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen, die Regelung, dass nur eine Person einen weiteren Haushalt besuchen dürfe, mache jetzt keinen rechten Sinn mehr. Wenn es keine bundesweite Regelung gebe, sei Rheinland-Pfalz auch bereit, eigene Wege zu gehen, fügte Dreyer hinzu.
Geladen hatte die Dehoga aber angesichts der Landtagswahl auch CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf, auch er betonte, es müsse am 3. März eine Öffnungsperspektive für das Gastgewerbe geben. Die Erlaubnis zum Öffnen der Außengastronomie müsse „in den nächsten Tagen kommen“, sagte Baldauf, „es hilft keinem von uns, wenn Betriebe in Insolvenz gehen.“ Er habe gerade gestern ein längeres Telefonat mit einem befreundeten Gastronom aus Frankenthal gehabt, berichtete Baldauf weiter, der habe 45 Minuten lang sein Leid geklagt: die Ersparnisse seien aufgebraucht, die Finanzen am Ende, „wie soll es weiter gehen, Christian?“
Baldauf betonte, die Inzidenzen könnten nicht der einzige Messwert sein, die Einhaltung der AHA-Regeln sei wichtig, schnelleres Impfen, aber vor allem „Testen, Testen, Testen, das wäre auch eine Chance für die Gastronomie.“ Zudem sprach sich der CDU-Fraktionschef für eine einheitliche Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent für alle Speisen und Getränke aus – das fordert auch die Dehoga: Es dürfe auf keinen Fall nach Corona Steueranhebungen geben, betonte Haumann, die reduzierte Mehrwertsteuer müsse für alle Leistungen der Gastronomie, auch für die Wellnessleistungen gelten. „Wir brauchen das Geld, um Schulden zurückzuzahlen“, sagte er, „viele von uns sind durch alle Raster gefallen, haben Rücklagen aufgezehrt und mussten Kredite aufnehmen.“
Die DEHOGA hatte deshalb kürzlich einen Vier-Stufen-Plan vorgelegt, danach sollten Beherbergung und Außengastronomie schon ab einer Inzidenz von 75 geöffnet werden, ab einer 50er-Inzidenz dann die Speisegastronomie sowie Tagungen ermöglicht werden. Unterhalb einer 35er-Inzidenz sollte auch die Getränke-Gastronomie wieder geöffnet werden, unter 20 sogar Diskos, Bars und Clubs. „Ohne Gastgeber wird es trostlos, geschmacklos und schlaflos“, betonte Haumann noch und überreichte den Politikern noch ein kleines Geschenk: Ein Tütchen Samen der Sorte Vergissmeinnicht.
Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) kündigte am Ende noch an, die Stadt Mainz werde ein neues Paketauflegen: „Mainz startet durch“ solle Initiativen starten und unterstützen, die wieder Leben in die Mainzer Innenstadt bringen solle. Dazu gehöre auch die Fortsetzung der begünstigten Außenbewirtschaftung sowie die Kulturevents in den Kultur-Biergärten wie im Jahr 2020. „In der Kombination Impfen plus Testen haben wir die Möglichkeit, flächendeckend wieder aufzumachen“, sagte Matz. Die Stadt bekomme dieses und im kommenden Jahr jeweils 250.000 Euro vom Land für die Innenstadtförderung, damit würden verschiedene Aktionen finanziert und angestoßen, etwa im Bereich Tourismus. „Wir müssen Menschen nach Mainz bringen, und wir werden das tun“, fügte Matz hinzu.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Problemen der Gastronomie im Lockdown haben wir auch schon vor einem Jahr beschrieben, im April 2020, den Artikel zur Aktion „Leere Stühle“ findet Ihr hier auf Mainz&.