An diesem 24. Dezember möchten wir vor allem eines: Danke sagen. Dieses Land ist im Jahr 2015 zu einem Land der Willkommenskultur geworden. Deutschland hilft, und zwar auf eine uneigennützige, großzügige Weise, wie wir uns das nie hätten vorstellen können. In Mainz hat die Willkommenskultur ein besonderes Zuhause: den Layenhof. Seit angekündigt wurde, dass hier 500 Flüchtlinge in Containern leben werden, rollt eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft. Mainz& war auf dem Layenhof – und würdigt mit diesem Bericht stellvertretend ALLE Ehrenamtlichen, die ihre Zeit, Energie und auch Geld investieren, um Fremden bei uns zu helfen. Das ist groß – und unser Türchen Nummer 24 im Mainz-Adventskalender. Unsere Mainz&-Weihnachtsgeschichte.
Wir hatten den Mainz&-Adventskalender ja dieses Jahr den Guten Sachen gewidmet – und wir haben soooo viele gefunden: Kleine Spendenaktionen für Flüchtlinge, Bücher-Sammel-Aktionen, Fahrkarten-Spende-Aktionen, Turnschuh-Aktionen, Miteinander-Aktionen. Mainz hilft, oft ganz unspektakulär. Und von vielen Aktionen waren wir tief berührt.
Ganz besonders angerührt aber waren wir von der Hilfsbereitschaft der Menschen auf dem Layenhof. Rund 450 Menschen wohnen auf dem ehemaligen Militärflugplatz gerade einmal. Als die Ankündigung kam, dort würden demnächst 500 Flüchtlinge in Containern untergebracht, gab es nicht etwa einen Aufschrei – ein ganzer Stadtteil (samt angrenzenden Finthern) stand auf und sagte: Wie können wir helfen? Mainz& hat im Dezember den Layenhof besucht und sich angesehen, was daraus geworden ist. Dieses ist unsere Reportage dazu.
Vier Räume voller Kleidung, Windelsäcke, Shampoo
Pullover, Mützen, Jacken, die Klamotten stapeln sich bis zur Decke. Nebenan ist ein ganzer Raum voller Schuhe, davor riesige Windelsäcke, Shampoo, ein großer Stapel mit Geschenken. „Und wir haben noch vier Räume davon“, sagt Dagmar Seitz-Klippel. Wir stehen in Gebäude 5876 auf dem Mainzer Layenhof, einer ehemaligen US-Kaserne. Fünf zugige, kalte Räume hat das Projekt Sachspenden für Flüchtlinge hier, der Platz reicht hinten und vorne nicht.
An der Tür klopft es, ein älterer Mann mit Rollator steht vor der Tür, will unbedingt die Winterjacken abgeben, die seine Frau eingepackt hat. Vorhin waren die Wirtschaftsjunioren da und haben liebevoll gepackte Geschenke gebracht, für Flüchtlingskinder. „Wir habe noch locker 1.000 davon“, sagt Seitz-Klippel. Am Eingang zur Kleiderkammer stehen mehrere Kisten mit Äpfeln – ein lokaler Apfelproduzent hat sie gespendet. Deutschland im Herbst 2015.
Deutschunterricht, Willkommensfeste, Begrüßungscafés, Solidarkonzerte
Seit Anfang des Jahres die Flüchtlingszahlen explodierten, rollt eine beispiellose Hilfswelle durch das Land. Menschen standen mitten in der Nacht an Bahnhöfen, um ankommende Flüchtlinge mit Getränken zu versorgen, ihnen einen Apfel zu schenken, ein nettes Wort, ein Lächeln. Menschen, die in ihrer Freizeit endlose Kleiderspenden sortieren. Menschen, die Deutschunterricht geben, Willkommensfeste, Begrüßungscafés. Die Solidarkonzerte organisieren, Pakete packen, Kinder betreuen. Die Flüchtlinge kommen – und Deutschland hilft.
Die Bilder von überfüllten Booten auf dem Mittelmeer, von Kindern, die bei der Überfahrt sterben, schließlich von Tausenden Flüchtlingen, die in Zügen in Ungarn festsaßen – das Jahr 2015 war das Jahr, in dem Deutschland sein Mitgefühl entdeckte. Und seine Tatkraft: Spontan, über Nacht, bildeten sich Hilfsvereine, Flüchtlingsnetzwerke, Gruppen im Internet.
„Da ist Not am Mann, da gehste mal hin“
40 Tonnen Spenden haben sie auf dem Layenhof bisher gesammelt – in nur drei Monaten. Werner Schamal-Conrad steht vorne am Tresen der Kleiderkammer auf dem Layenhof. „Ich hab‘ gesagt, da ist Not am Mann, da gehste mal hin und guckst, ob du gebraucht wirst“, sagt der Ingenieur, der seit anderthalb Jahren in Rente ist. Die Flüchtlinge, das sei „einfach unser brennendstes Problem“ gerade, „man steht nicht unnütz rum“, sagt er. Jetzt sammelt er Erfahrungen – mit Kleidergrößen und Menschentypen. Die fremdenfeindlichen Demonstrationen von Pegida haben ihn motiviert, sagt er noch – anzupacken, zu helfen. „Irgendjemand muss ja was tun“, sagt Helfer Jörg im Vorbeigehen.
„Ich kann leider nur einmal pro Woche bei der Kleiderausgabe helfen“, sagt Uta Holzer bedauernd, während sie T-Shirts und Pullover nach den Wünschen der Flüchtlinge vorne am Tresen durchforstet. Das Engagement für die „Fremden“, „ich empfinde das als sehr wichtig“, sagt die Leiterin eines Lerncenters für Englisch und Mathematik, „das gehört für mich als Bürger einfach dazu.“
Ehrenamtliche schaffen Strukturen – die der Staat nicht schafft
Mehr als 40.000 Flüchtlinge wird Rheinland-Pfalz 2015 aufgenommen haben, mehrere Tausend Menschen, schätzt das Mainzer Integrationsministerium, engagieren sich landesweit für sie. Was eigentlich würde das Land ohne die ehrenamtlichen Helfer tun? „Das frage ich mich auch“, bekennt Seitz-Klippel, für die die Kleiderkammer inzwischen ein Fulltime-Job ist. Stadt, Land, Dienstaufsicht, „die verlassen sich schon auf uns.“
Denn die Freiwilligen sorgen nicht nur für ein warmes Willkommen, sie schaffen auch Strukturen: Die Initiative Freifunk installierte kostenloses Wlan auf dem abgelegenen Layenhof, das Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie gab alte Regale für die Kleidung. Die Kleiderkammer ist hoch professionell organisiert, die Flüchtlinge kommen mit Gutscheinen des Sozialen Trägers zu festgelegten Uhrzeiten. Dazu Deutschkurse, Ämtergänge, Stadterkundung – die Ehrenamtlichen leisten das, was die Menschlichkeit ausmacht.
„Hier kann ich fast vergessen, dass ich Flüchtling bin“
Der Staat, er bemüht sich, aber er kommt nicht hinterher. „Am Anfang hatten wir unsere Sachen in der ehemaligen Kartbahn“, erzählt Seitz-Klippel, „dort war es eiskalt, feucht, und in der Halle standen Schafe.“ Erst vor fünf Wochen bekamen sie die neuen Räume, sie könnten schon wieder neue gebrauchen. An Weihnachten fand zum zweiten Mal eine Friseur-Aktion statt, Friseure kamen kostenlos auf den Layenhof, um Flüchtlinge zu frisieren – und alle hatten wahnsinnigen Spaß dabei. „Es geht ja nicht nur um warme Kleidung“, sagt Seitz-Klippel, „es geht auch um Würde.“
Viele Flüchtlinge aus dem Camp helfen in der Kleiderkammer, dolmetschen, sortieren Waren. So wie Sako aus Damaskus, der bei einem amerikanischen Radiosender moderierte. „Wir alle lieben Mainz“, sagt der junge Syrer, „hier gibt es eine wunderbare Gastfreundschaft.“ Aus München sei er regelrecht geflohen, unmenschlich sei es dort gewesen. „Sie haben uns wie in Lagern gehalten, keine einzige Frage beantwortet“, sagt der junge Mann. In Mainz hingegen sei er aufgenommen worden wie von einer großen Familie. Freunde habe er gefunden, fühle sich fast schon wie zuhause, sagt Sako noch: „Hier kann ich fast vergessen, dass ich Flüchtling bin.“
Info& auf Mainz&: Wer die Flüchtlingshilfe Layenhof unterstützten möchte, findet die Infos dazu hier auf Facebook. Bitte haltet Euch unbedingt an die Bedarfslisten – die Helfer ersticken nämlich sonst in Spenden 😉