Das ist mal ein besonderes Jubiläum: Mainz feiert am Freitag einmal nicht primär sich, sondern die Region, zu der zu gehören man sich erst langsam besinnt. 200 Jahre Rheinhessen heißt es am Freitag – am 8. Juli ist es genau 200 Jahre her, dass die Region der Reben und Tausend Hügel zu einer Verwaltungsregion ausgerufen wurde. Und die Great Wine Capital Mainz feiert das gebührend: Mit einem Festakt im Staatstheater, vor allem aber mit einem großen Bürgerfest in der Innenstadt. Von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr heißt es rund ums Staatstheater Feier frei mit Wein, Livemusik, Weinproben und Stadtrundgängen.

fotografiert in der Umgebung von Alzey-Weinheim
Land der tausened Hühel und Weinberge: Rheinhessen bei Alzey-Weinheim – Foto: Rheinhessenwein

Es ist die Weinregion Nummer eins, das Land der tausend Hügel und noch mehr Weinberge, aber auch das Land von Genuss, französischer Lebensart, Toleranz und Völkervielfalt: Rheinhessen gehört zu den ältesten Kulturregionen Deutschlands. Es war genau am 8. Juli 1816, als in Mainz im Erthaler Hof das Gebilde „Rheinhessen“ ins Leben gerufen wurde. Ein Jahr zuvor hatten die Siegermächte auf dem Wiener Kongress die europäische Landschaft nach dem Sieg über Napoleon Bonaparte neu geordnet.

Das galt ganz besonders auch für die Rheinprovinzen, schließlich waren vor allem die linksrheinischen Gebiete von den Franzosen besetzt worden – das Départment du Mont-Tonnerre war von 1798 bis 1814 französische Provinz. Auf dem Wiener Kongress wurde das Department Donnersberg dem Großherzog von Hessen zugesprochen, als Ausgleich für das Herzogtum Westfalen, das die Hessen an Preußen abtreten mussten.

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Und so kommt das Kuriosum zustande, dass eine der ältesten Kulturregionen Deutschlands in diesem Jahr ihren 200. Geburtstag feiert. Entlang des Rheins siedelten schließlich schon von alters her die Kelten, die Römer errichteten 9 vor Christus mit Mogontiacum eine ihrer wichtigsten Festungen am Rhein. Jahrhundertelang war die Region zwischen Mainz, Worms, Bingen und Alzey Aufmarschgebiet von Feldherren und Durchzugsgebiet wandernder Völker. Römer, Franken, Franzosen, Schweden und Preußen – welcher Krieg auch immer gerade herrschte, in Rheinhessen standen Heere und Söldner, wurde besetzt, erobert und nicht selten auch verwüstet.

Römische Narrencohorte - Foto: gik
Römer, Fastnacht, Bütt – die Schnorreswackler brachten das auf die Bühne – Foto: gik

So wurde die Region zwar einerseits zum Schmelztiegel der Völker, die ständigen Bedrohungen hinterließen aber auch Spuren: Bis heute sind rheinhessische Dörfer eher abweisend, stehen die Hoftore nicht so selbstverständlich offen, wie etwa in der Pfalz. Dazu kommt eine Mentalität, die ihr Licht eher unter den Scheffel stellt, als Erfolge selbstbewusst zu Markte zu tragen – Rheinhessen ist bescheiden, zu bescheiden oft.

Dabei ist die Region zwischen Bingen, Alzey, Worms und Mainz ein Land großer Innovationen und starker Wirtschaft, hier sitzt mit Boehringer Ingelheim einer der größten Pharmakonzerne Deutschlands und mit der Universität Mainz eine der fünfzehn besten Hochschulen des Landes. Der Landkreis Mainz-Bingen ist einer der reichsten, wenn nicht gar der reichste der Republik, in Rheinhessen werden Windräder gebaut (Juwi) und Wohnmobile (in Sprendlingen) – und Glasprodukte erfunden, die Küchentechnik revolutionierten und bis in den Weltraum reisen (Schott).

Vor allem aber sind es die Winzer, die in den vergangenen Jahren langsam, aber stetig einen Imagewechsel der Region herbei führen: Bis vor zehn Jahren war Rheinhessen vor allem das Land der Fasswein-Weine, Massenprodukten mit vergleichsweise wenig Qualität. Das hat sich gründlich geändert: Zwar ist Rheinhessen mit rund 26.5000 Hektar bestockten Weinbergen noch immer das größte Weinbau treibende Bundesland in Deutschland, werden hier fast zwei Drittel der deutschen Weine produziert.

Foto Brüder Braunewell mit Hängematte - Foto Weingut Braunewell
Neue Coolness, geile Weine – junge rheinhessische Winzer wie die Brüder Braunewell mischen die Weinszene auf – Foto: Braunewell

Doch inzwischen schaut die ganze Weinbauszene nach Rheinhessen, denn vor allem die jungen Winzer haben eine wahre Revolution eingeläutet – auf den Schultern von Qualitätspionieren. Heute gehören die jungen Winzer Rheinhessens zu den innovativsten in Deutschland, ihre Weine heimsen weltweit Preise ein – und die rheinhessischen Weine gehören zu den mineralisch-feinsten, hochwertigsten und vielfältigsten weltweit. Und das sagen nicht wir: Junge Winzer mit dem Namen Lisa Bunn, Mirjam Schneider, Braunewell, Dreissigacker, Huff, Pfannebecker, Schätzel, Thörle…. werden inzwischen in Weingazetten bis nach Frankreich und New York hoch gelobt und schwer bestaunt. „Die Rheinhessen sind meine Vorbilder“, sagte jüngst ein Jungwinzer zu uns – und der saß am Kaiserstuhl, einer der besten Weinregionen Deutschlands und Europas.

Das Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen soll denn auch nicht nur die Region bundesweit mehr in den Fokus rücken, sondern auch nach innen wirken: Rheinhessen brauche mehr Selbstbewusstsein und mehr Bewusstsein für die eigene Identität, fordert Peter Eckes, Chef des Rheinhessen-Marketings, das sei nämlich „noch nicht so entwickelt, wie wir uns das wünschen.“ Rheinhessen brauche Visionen für seine Zukunft – und auch die eigene Bevölkerung müsse noch stolzer darauf werden, in welch schöner, kreativer und lebenswerter Region man lebe.

Denn schließlich sind in den vergangenen Jahren viele Menschen aus der Rhein-Main-Region nach Mainz und Rheinhessen gezogen – die Identifikation mit der Region selbst aber fällt noch schwer. Denn was ist eigentlich typisch rheinhessisch? Nun, wir haben das für uns mal so definiert: Eigensinnige Querköpfe mit hoher Kreativität und noch höherem Genusssinn, der mit Sicherheit von den Franzosen beeinflusst wurde. Eine bodenständige Weltläufigkeit, die gelassen (auf-)nimmt, was immer da gerade vorbei kommt – und genau weiß: Wir sind immer noch hier. Entlang des Rheins. Die Völkermühle Europas von Carl Zuckmayer.

Jugendmaskenzug 2016: Diese innovativen Rheinhessen mit ihren Windrädern!  - Foto: gik
Jugendmaskenzug 2016: Diese innovativen Rheinhessen mit ihren Windrädern! – Foto: gik

Und eine Region, in der das freie Wort und die Demokratie immer eine große Rolle spielten – nicht umsonst wurde mit der Mainzer Republik 1792 in Mainz die erste demokratische Republik auf deutschem Boden ausgerufen. Sie währte nur wenige Monate, aber sie hinterließ einen Durst nach Freiheit und eine innere Unabhängigkeit gegen die Obrigkeit, die auch zum Erstarken der Fastnacht führte: Die freie Rede, mit der man der Obrigkeit die Leviten las und Volkes Stimme laut kund tat, sie ist bis heute die Keimzelle der politisch-literarischen Fastnacht, für die Mainz in aller Welt berühmt ist.

Literaten, Buchdruck-Erfinder, Kabarettisten und Fastnachter – sie stehen in derselben Tradition und prägen bis heute die Rheinhessen-Hauptstadt Mainz. Und wer jetzt auf Alzey verweist, der heimlichen Hauptstadt Rheinhessens, nun, die kleine Weinstadt in Rheinhessen ist die Heimat von Volker von Alzey, Minnesänger und Kämpfer im Nibelungenlied.. Und damit wären wir beim Meister Heinrich Frauenlob… Und des Teufels General… und Anne Seghers… und dem Mainzer Unterhaus.

Wunderschöne Bilder auf der LU am Staatstheater - Foto: gik
Party rund ums Staatstheater in Mainz gibt’s am Freitag zum 200. Geburtstag Rheinhessens – Foto: gik

Es ist denn auch ein Kabarettist, der am Freitag durch den großen Festakt zum 200. Bestehen Rheinhessens führt: Lars Reichow wird die Veranstaltung im Staatstheater moderieren, bei der unter anderem Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) persönlich gratuliert. Ansonsten aber wird am Freitag vor allem gefeiert: Von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr steigt rund um Staatstheater und Dom ein großes Bürgerfest.

Jaminfive, Urban Fox, Jules n’Art, Jay Schreiber , Gretchens Pudel und TheVibes sorgen auf dem Leichhof für den musikalischen Schwung, diverse Führungen zeigen ein Stück Rheinhessen in Mainz, und an neun Pavillons rund um den Dom präsentieren sich rheinhessische Winzer – und die Gewinner der Best ofGreatWineCapitalAwards. Die haben auch raffinierte rheinhessische Köstlichkeiten für den Teller im Gepäck.

Besondere Höhepunkte sind die FrühSchoppen, DämmerSchoppen und SpätSchoppen – drei Themenweinproben, moderiert von Zauberkünstler Oliver de Luca und jeweils einer rheinhessischen Weinmajestät. Fünf ausgesuchte rheinhessische Weine der mit dem Best Of-Award von Great Wine Capitals ausgezeichneten Weingüter gilt es dabei auf dem Leichhof zu probieren. Die Teilnahme pro Themenweinprobe und Person beträgt 15,- Euro, Tickets gibt’s beim Tourist Center im Brückenturm.

Info& auf Mainz&: Freitag, 8. Juli, Geburtstag 200 Jahre Rheinhessen. Der Festakt von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr im Staatstheater Mainz ist leider nur für geladene Gäste. Aber zwischen 11.00 Uhr und 23.00 Uhr Bürgerfest rund um Staatstheater und Dom in der Mainzer Innenstadt. Mehr Infos und das genaue Programm findet Ihr unter www.mainz.de.

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