Überraschung am Dienstag: Die Mainzer Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) hört auf und zieht sich aus der Politik zurück. „Ich werde mich 2026 im Februar nicht mehr zur Wahl stellen“, sagte Grosse am Dienstag im Gespräch mit der Internetzeitung Mainz&. Sie sei dann 16 Jahre als Dezernentin in Mainz im Amt gewesen und wolle künftig den Ruhestand gemeinsam mit ihrem Mann genießen. Die Nachricht kommt genau in die derzeit laufenden Sondierungsgespräche für eine Koalition im neuen Stadtrat, damit werden für eine zentral wichtige Position in Mainz die Weichen neu gestellt.

Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bei einer Pressekonferenz. - Foto: gik
Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bei einer Pressekonferenz. – Foto: gik

Die Nachricht kam überraschend, kommuniziert hatte sie Grosse selbst, und zwar zunächst nur an die Allgemeine Zeitung. Das löste weithin Irritationen aus: Selbst Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) wusste von dem Rückzug der Dezernentin offenbar nichts: „Die Nachricht, dass unsere Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse zum Ende ihrer Amtszeit nicht erneut für das Amt zur Verfügung steht, hat mich überrascht“, sagte Haase am Dienstag. Er könne ihre Gründe „aber sehr gut nachvollziehen“ und freue sich auf die „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ in den nächsten eineinhalb Jahren

Grosse selbst sagte gegenüber Mainz&, sie habe am Montagabend die neue SPD-Stadtratsfraktion über ihrer Entscheidung informiert: Sie wolle sich am Ende ihrer Amtszeit als Bau- und Kulturdezernentin der Stadt Mainz im Februar 2026 nicht mehr zur Wiederwahl stellen, sondern sich ins Privatleben zurückziehen, sagte Grosse im Gespräch mit Mainz&. „Es sind ausdrücklich private Gründe“, betonte die SPDF-Politikerin zugleich: Ihr Mann – ein Arzt – gehe in diesem Sommer in den Ruhestand, „und wir haben uns entschieden, dass wir dann ein Leben außerhalb der Politik und des Krankenhauses führen.“

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Grosse: „Ich gehe, weil ich das entschieden habe“

Mit ihrem Mann als Akutmediziner im Krankenhaus und ihren eigenen Tätigkeiten zuerst als Landtagsabgeordnete und dann als Dezernentin der Stadt Mainz „haben wir wenig Zeit miteinander gehabt“, sagte Grosse weiter, das solle sich nun ändern. Die Entscheidung sei bereits vor drei Monaten gefallen, verriet Grosse weiter, sie habe sie aber nicht vor der Kommunalwahl und nicht vor der Stichwahl am Sonntag öffentlich machen wollen.

Kulturdezernentin Marianne Grosse mit der damaligen Museumsdirektorin Annette Ludwig bei der Präsentation der Pläne für den Bibelturm. - Foto: gik
Kulturdezernentin Marianne Grosse mit der damaligen Museumsdirektorin Annette Ludwig bei der Präsentation der Pläne für den Bibelturm. – Foto: gik

„Ich gehe, weil ich das entschieden habe“, betonte Grosse zudem: „Es ist, wie immer im Leben: Wenn es am meisten Spaß macht, soll man aufhören.“ Sie gehe noch immer „jeden Morgen gut gelaunt ins Büro, aber nach 16 Jahren als Dezernentin sei jetzt der richtige Zeitpunkt aufzuhören. „Ich hätte die Entscheidung nicht getroffen, wenn noch ein großes Projekt in der Schwebe gewesen wäre“, sagte Grosse weiter. Mit dem Satzungsbeschluss zum Neubau auf der Ludwigsstraße und dem Grundsatzbeschluss zur Stadterweiterung in Hechtsheim und Ebersheim seien nun aber wichtige Weichen gestellt.

„Wir haben noch was zu tun mit dem Gutenberg-Museum in den nächste anderthalb Jahren“, räumte Grosse ein, insgesamt aber freue sie sich auf die Aussicht, „im übernächsten Jahr mit einem guten Gefühl zu gehen.“ Auf die Frage, ob sie vielleicht darüber nachdenke, ihr Amt früher niederzulegen, reagierte die SPD-Politikerin entsetzt: „Das kommt mir überhaupt nicht in den Sinn, nein null!“, betonte sie: „Auf keinen Fall – ich mache meine Amtszeit zu Ende!“ Grosse war 2017 im Mainzer Stadtrat für weitere acht Jahre wiedergewählt worden, bei ihrem Ausscheiden wird sie 63 Jahre alt sein.

Zentrale Projekte: Ludwigsstraße und Gutenberg-Museum

Wenn Grosse 2026 geht, hat sie eine lange Karriere in der Politik hinter sich: Die gebürtige Rendsburgerin lernte zunächst Wirtschaftsprüferin und studierte dann Politikwissenschaften, neue Geschichte und Anglistik. Nach dem Studium arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des SPD-Bundestagsabgeordneten Eckart Pick, und danach als Referatsleiterin für Reden und Öffentlichkeitsarbeit beim damaligen rheinland-pfälzischen Arbeitsminister Florian Gerster (SPD).

Marianne Grosse im Juni 2020 bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitswerkstatt zum Neubau des Gutenberg-Museums. - Foto: gik
Marianne Grosse im Juni 2020 bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitswerkstatt zum Neubau des Gutenberg-Museums. – Foto: gik

2001 zog sie als Abgeordnete für Ingelheim in den rheinland-pfälzischen Landtag ein, 2010 wählte sie der Mainzer Stadtrat zur hauptamtlichen Dezernentin für Bauen, Denkmalpflege und Kultur. In ihre Amtszeit fallen sämtliche große Neubauprojekte der vergangenen Jahre wie der Mainzer Zollhafen, das Heiligkreuz-Areal, die Neugestaltung zahlreicher Plätze in Mainz wie den Vorplatz der Johannes-Gutenberg-Universität oder den Neubau des archäologischen Zentrums LEIZA.

Eine zentrales Projekt war die Neugestaltung der Mainzer Ludwigsstraße, auf der nach Jahrzehnte langen Diskussionen und dem Aus für die ECE-Shopping Mall 2023 die Weichen für den Neubau des „Boulevard LU“ gestellt wurden. Ihre größte Niederlage erlebte Grosse 2018 mit dem „Bibelturm“: Der von der Stadt gewollte Erweiterungsbau für das Gutenberg-Museum auf dem Liebfrauenplatz scheiterte krachend am Votum der Mainzer in einem Bürgerentscheid mit 77,3 Prozent Ablehnung – Grosse hatte vehement für das Projekt gekämpft, dabei aber den Widerstand der Mainzer Stadtgesellschaft massiv unterschätzt.

Römisches Erbe nicht voran gebracht, Kritik an Stadtneubauten

Danach setzte Grosse aber mit einer breit angelegten Arbeitswerkstatt und unter Einbeziehung aller Interessensgruppen den Neubau des Gutenberg-Museums neu aufs Gleis. Den Abgang der geschätzten Museumsdirektorin Annette Ludwig verhinderte Grosse aber nicht, auch der Erhalt des reichhaltigen Römischen Erbes von Mainz kam unter ihr zehn Jahre lang nicht voran – ein Konzept für die Präsentation und Vermarktung der „Römerstadt Mainz“ gibt es bis heute nicht. Auch die „Gedenkstätte Deportationsrampe“ an der Mombacher Straße lässt weiter auf sich warten.

Marianne Grosse (SPD, 2. von rechts) bei der Eröffnung der 55. Johannisnacht vergangenen Freitag - als Kulturdezernentin war sie auch für die Johannisnacht zuständig. - Foto: gik
Marianne Grosse (SPD, 2. von rechts) bei der Eröffnung der 55. Johannisnacht vergangenen Freitag – als Kulturdezernentin war sie auch für die Johannisnacht zuständig. – Foto: gik

Zuletzt hatte sich Grosse für den Erhalt des Programmkinos im Bleichenviertel stark gemacht, bei der Unterstützung des neuen Kulturcampus „Ollohof“ in der Neustadt zeigte sie sich aber wenig flexibel. Kurz vor der Kommunalwahl am 9. Juni hatte es zudem deutliche Kritik an der Frage der Mainzer Stadtentwicklung gegeben: Der Koalitionspartner FDP forderte ein komplett neues Wohnungsbau-Programm für Mainz, die Neufassung der alten Bebauungspläne, Ideenwettbewerbe für grüne Lungen und neuen Schwung für die Stadtentwicklung – kurz: einen neuen Stadtentwicklungsplan für Mainz.

Die Frage der Nachfolge dürfte deshalb nun eine zentrale Rolle in den derzeit laufenden Sondierungsverhandlungen für eine neue Koalition im Mainzer Stadtrat spielen: Nach der Stadtratswahl hat die bisherige Ampel-Koalition keine Mehrheit mehr im neuen Rat, es könnten sich daher neue Konstellationen oder auch eine V-Ampel bilden – die Vergabe des zentral wichtigen Baudezernats dürfte dabei eine gewichtige Rolle spielen. Interesse daran könnte nun nicht nur die SPD, sondern auch die FDP anmelden – Ausgang offen.

Info& auf Mainz&: Die Mainz&-Analyse zum Ausgang der Stadtratswahl in Mainz findet Ihr hier auf Mainz&.