Nach der Entscheidung ist vor der Debatte: Zwei Tage nach der Stadtratssitzung vergangene Woche kritisierte die CDU-Opposition das Votum der Ampel-Fraktionen für den neuen Sanierungsplan für das Rathaus scharf. „Das war am Mittwoch ein Freibrief“, sagte die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel im Gespräch mit Mainz&: „Wir sind entsetzt, dass die politischen Akteure das den Mainzern so zumuten wollen.“ Die CDU wirft Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) nichts weniger als Wählerbetrug vor, es müsse Schluss sein mit der „Salamitaktik“, die Kosten scheibchenweise einzuräumen. Und die Opposition forderte „verlässliche, ehrliche und transparente Zahlen“ – und sprach von einem „größenwahnsinnigen“ Vorgehen angesichts der hohen Verschuldung der Stadt.

Der Streit um die Sanierung des Mainzer Rathauses geht jetzt erst so richtig los. - Foto: gik
Der Streit um die Sanierung des Mainzer Rathauses geht jetzt erst so richtig los. – Foto: gik

Vor gut zwei Wochen hatte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) einräumen müssen, die Rathaussanierung werde doppelt so teuer wie ursprünglich geplant: Statt der vom Stadtrat 2017 beschlossenen Kosten von 70 Millionen Euro, werde die Sanierung des denkmalgeschützten Baus am Rheinufer nun samt der vorgesehenen neuen Einbauten wohl 140 Millionen Euro kosten.

Der Oberbürgermeister schlug dem Stadtrat vor, auf Neuerungen wie Bürgerdach und Bürgerfoyer zu verzichten, und die Kosten so auf 98,4 Millionen Euro zu drücken. Die Fraktionen von Grünen, SPD, FDP und ÖDP verabschiedeten jedoch den Sanierungsplan des OBs, forderten zugleich aber auch, Bürgerdach, Bürgerforum und moderne Arbeitswelten trotzdem umzusetzen. „Das ist ‚Wünsch dir was'“, kritisierte Flegel nun, „wir wissen gar nicht, was auf uns zukommt.“

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Die CDU forderte deshalb am Freitag Ebling auf, eine seriöse Kostenprognose vorzulegen. „Der OB muss sich ehrlich machen“, sagte Flegel: „Wir fordern, dass er uns verlässliche, ehrliche und transparente Zahlen auf den Tisch legt.“ Die Bevölkerung werde „geblendet“, mit einer Salamitaktik seien die Kosten scheibchenweise von unter 50 Millionen Euro auf nun knapp 100 Millionen Euro angehoben worden, kritisierte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig: „So sieht keine seriöse Politik aus.“

Marode Stellen im Keller des Mainzer Rathauses. - Foto: gik
Marode Stellen im Keller des Mainzer Rathauses. – Foto: gik

Bei dem Kostenplan zur Gesamtsanierung seien wichtige Kostenpunkte gar nicht dabei – wie etwa der Keller des Rathauses, kritisierte Flegel: „Im Keller grüßt Vater Rhein tagtäglich, die Technik soll aber weiter im Keller drinbleiben –  wenn eine Technik im Nassen steht, das kann nicht gut gehen.“ Dazu habe die Denkmalschutzbehörde der Stadt „sehr strenge Regeln auferlegt, sie gibt etwa vor, dass die Toilettenschüsseln erhalten bleiben und die Wasserhähne“, sagte Flegel weiter: „Aber für die Mitarbeiter eine moderne Bürowelt einzurichten, wie sie mal vorgesehen war, da gibt es keine Bereitschaft, dem entgegen zu kommen – wegen dem Denkmalschutz.“

Auch CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner kritisierte, es würden „falsche Zugeständnisse gemacht“. Einerseits solle die Natursteinfassade – das prägende Gestaltungselement des Rathauses – „aus Kostengründen durch eine Fake-Fassade aus Keramikplatten ersetzt“, kritisierte Schreiner. Andererseits lasse man aber nicht zu, dass das düstere Foyer derart umgebaut werde, dass Tageslicht hineinfallen könne. „Dort hätte das Bürgerforum errichtet werden können – direkt im Eingangsbereich und somit im Herzen des Rathauses, wo es jeder finden und vermuten würde“, sagte Schreiner.

Was wird nun aus den Plänen für ein transparentes Bürgerforum im Mainzer Rathaus? - Grafik: agn
Was wird nun aus den Plänen für ein transparentes Bürgerforum im Mainzer Rathaus? – Grafik: agn

Stattdessen solle das Foyer nun im ersten Stock ohne Tageslicht errichtet werde, die derzeitigen Pläne sähen wieder nur noch Einzelbüros statt Teambüros vor. So werden keine modere Arbeitswelt geschaffen, kritisierte Schreiner, „die überteuerte Sanierung wird keine Verbesserungen bringen.“ Flegel warnte zudem, niemand wisse, wie die Haltbarkeit der bedruckten 3D-Kacheln sei. „Ich erwarte hier keine Mickymausentwürfe mit Fototapete, sondern dass ehrliche Zahlen und Fakten vorgelegt werden“, schimpfte Flegel im Gespräch mit Mainz&, „das ist eine Lachnummer.“

Gleichzeitig stünden mit der Citybahn und dem Neubau des Gutenberg-Museums weitere Millionen schwere Großprojekte an, dazu wolle sich Mainz für die Ausrichtung der Landesgartenschau bewerben, sagte Flegel: „Wir sprechen hier fast von einer Viertelmilliarde Euro an Projekten in einer Landeshauptstadt, in der man aufpassen muss, dass man sich durch die Schlaglöcher nicht die Hacken bricht“, kritisierte sie, „das ist eine brutale Investition, die da einfach mal in den Raum gestellt wird.“

Üben scharfe Kritik an der Rathaussanierung und dem Vorgehen von OB Ebling: CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner und die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel. - Foto: gik
Üben scharfe Kritik an der Rathaussanierung und dem Vorgehen von OB Ebling: CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner und die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel. – Foto: gik

Die CDU-Chefin warnte zudem, in den Kosten seien bisher auch weitere Projekte wie die Sanierung der Rathaus-Tiefgarage gar nicht mit eingerechnet. Die Stadt verweise zwar stets darauf, dass diese Kosten die Parken in Mainz GmbH tragen müsse – aber auch das sei ja eine städtische Gesellschaft. „Wir werden bei 200 Millionen Euro hängen bleiben“, warnte Flegel, „und das ist unser aller Geld, das zahlt der Steuerzahler.“

Flegel kritisierte zudem, dass zu dem Thema im Stadtrat keinerlei öffentliche Debatte stattgefunden habe: „Natürlich gibt es die Ausschüsse, aber da ist kein Livestream“, betonte sie, „und im Plenum wird das einfach so durchgewunken.“ Die Opposition fühle sich „vom Oberbürgermeister in Geiselhaft genommen“, sagte sie, „das ist größenwahnsinnig und grob fahrlässig bei einer Landeshauptstadt, die finanziell dasteht, wie sie dasteht.“

Die CDU habe frühzeitig und immer wieder auf Alternativen hingewiesen, betonte zudem CDU-Bauexperte Thomas Gerster. Mit dem neuen Stadthaus sei eine Alternative gefunden worden, die von den Mitarbeitern gut angenommen werde, mit der Steinhalle des Landesmuseums stehe nach dem Umzug des Landtags „ein gleichwertiger Ersatz für den Ratssaal“ zur Verfügung. „Selbst wenn man diese Alternative nicht nutzen wollte, stünde mit dem Allianzhausareal ab 2025 eine Fläche zur Verfügung, auf der man problemlos ein Rathaus errichten könnte“, sagte Gerster weiter.

Das Mainzer Rathaus liegt wie ein Riegel quer zum Rhein, das dominante Gebäude wird zunehmend zum Problembau. - Foto: gik
Das Mainzer Rathaus liegt wie ein Riegel quer zum Rhein, das dominante Gebäude wird zunehmend zum Problembau. – Foto: gik

Allerdings hätte die Stadt dann das Problem, eine Lösung für den maroden und seit Jahren ungenutzten Arne Jacobsen-Bau am Rhein finden zu müssen – was schwierig werden könnte. Ob und inwiefern ein Käufer für das alte Rathaus gefunden werden könne, könne derzeit niemand sagen, räumte Gerster ein. Das sei aber bei Immobilien mit ähnlichem Sanierungsstau wie dem Osteiner Hof oder dem Dalberger Hof seinerzeit problemlos gelungen. „Wenn kein Investor gesucht wird, kann auch keiner gefunden werden“, sagte Gerster.

Auch die Freien Wähler kritisierten im Nachgang der Stadtratssitzung, die Ampel-Koalition habe der Sanierung „um jeden Preis“ zugestimmt, ohne die genauen Kosten zu kennen. „Die Mainzerinnen und Mainzer haben es verdient, die kompletten Zahlen zu kennen“, forderte auch Stadtrat Erwin Stufler – und dabei müssten Rathaus-Keller, Jockel-Fuchs-Platz und Tiefgarage einbezogen werden. „Diese Gebäude rauszurechnen ist Augenwischerei“, kritisierte Stufler, der selbst gegen den Sanierungsbeschluss stimmte. Die Verwaltung müsse alle Ergebnisse der „Projektgruppe Rathaus“ erläutern.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in der Presskonferenz zur Kostensteigerung der Rathaussanierung. - Foto: gik
Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in der Presskonferenz zur Kostensteigerung der Rathaussanierung. – Foto: gik

Oberbürgermeister Ebling sagte in einer eilig am Freitagnachmittag eingeräumten Pressekonferenz, er wisse sehr wohl, dass es bei der Sanierung „um eine sehr beträchtliche Summe“ gehe. Er sehe sich auch selbst „in hohem Maße in der Pflicht, diese Dinge weiter zu erklären.“ Der Stadtrat habe aber „keine leichtfertige Entscheidung“ getroffen, verteidigte Ebling das neue Konzept, die Zustimmung dazu sei aber ähnlich wie bei dem Grundsatzbeschluss zur Sanierung 2018 auch jetzt „über die Ampelmehrheit hinausgegangen“. Der neuen Vorlage hatte im Stadtrat neben Grünen, SPD und FDP auch die ÖDP zugestimmt.

Es werde zudem keine andere Investition in dieser Stadt unter der Sanierung des Rathauses leiden, versprach der Oberbürgermeister weiter. Die Stadtverwaltung will nun umgehend einen Bauantrag für das Rathaus erarbeiten, der noch dieses Jahr oder Anfang 23021 eingereicht werden soll – dann sollen weitere Fragen geklärt werden. Ihn wundere die Kritik an dem Gebäude und an dem Beschluss nicht, fügte Ebling hinzu: „Dieses Gebäude hat immer, seit es existiert, für Widersprüche in der Stadt gesorgt, das ist ein bisschen auch in der DNA dieses Gebäudes drin.“

Tatsächlich hatten die Mainzer immer erhebliche Probleme, sich wirklich mit dem Rathausbau zu identifizieren, die Meinung in der Stadt ist bis heute zu dem Bau und seiner Architektur tief gespalten. Das könnte nun Konsequenzen haben: In der Bürgerschaft gebe es eine Bewegung, in der doch noch einmal über einen Bürgerentscheid über die Zukunft des Rathauses nachgedacht werden, sagte Flegel gegenüber Mainz&. Die CDU werde einen solchen Bürgerentscheid aber nicht auf den Weg bringen.

Info& auf Mainz&: Ausführliche Informationen zu dem Stadtratsbeschluss am vergangenen Mittwoch und wie er zustande kam, lest Ihr hier bei Mainz& – inklusive einem Mainz&-Kommentar. Alle Einzelheiten zur Kostensteigerung und den kommenden Problemen könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen.

 

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