Überraschung in der Nachtkulturszene in Mainz: Der Mainzer Nachtkulturbeauftragte Timo Fritzinger hat offenbar seinen Rücktritt erklärt. Das gab Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) am Rande eines Gastronomen-Stammtischs auf Instagram bekannt. Die Stelle als „Nachtbürgermeister“ soll wiederbesetzt werden, die Linke mahnt nun, die Chance des Neuanfangs zu nutzen: Der bisherige Amtsinhaber habe sich bei keiner wichtigen Debatte zuletzt noch zu Wort gemeldet, das Amt sei in dieser Form gescheitert und müsse nun neu diskutiert und gestärkt werden. Verantwortlich dafür macht die Linke aber auch Ex-OB Michael Ebling und dessen „Hau-Ruck-Attitüde“.
Timo Filtzinger war im Juli 2020 als erster Nachtkulturbeauftragter der Stadt Mainz vorgestellt worden, nachdem der damalige Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) die Schaffung eines solchen Amtes im OB-Wahlkampf angekündigt hatte. Der damals 35 Jahre alte Vertriebsexperte sollte als Vermittler zwischen Clubs, Anwohnern und Stadt Mainz Wogen glätten und dem Mainzer Nachtleben neue Impulse geben.
Filtzinger startete mit großer Begeisterung und Elan in seinen Job, der aber zunächst einmal nur auf ein halbes Jahr befristet und zudem als Ehrenamt angelegt war. Ende 2020 dann verlängerte die Stadt den Job zunächst um ein halbes Jahr und schließlich unbegrenzt – doch das Kernproblem war ein anderes: Filtzinger trat sein Amt mitten in der Hochphase der Coronapandemie an. Anstatt sich um Clubleben und neue Formen der Ausgehkultur zu kümmern, musste Filtzinger als Kummerkasten aktiv werden und den Gastronomen vor allem bei Konflikten mit den Anwohnern wegen neuer Außengastronomieflächen helfen.
Filtzinger erklärt Rücktritt – Linke: Chance für Neuanfang nutzen
Doch auch nach der Corona-Pandemie blieb es um den Nachtkulturbeauftragten seltsam ruhig: Zu Konflikten wie der Auseinandersetzung um feiernde Jugendliche am Rheinufer war von ihm nichts zu hören, ebenso wenig zu dem kurzzeitig geplanten Aus für das „Caveau“ oder zuletzt die Probleme des Rockclubs „Alexander the Great“, die letztlich zur Schließung des Clubs Ende 2024 führten. Von Filtzinger gab es weder Statements noch Vorschläge, auch das einstmals groß angekündigte Nachtkulturkonzept blieb komplett auf der Strecke.
Nun teilte die Stadt Mainz in einem Instagram-Post diese Woche überraschend und im Nebensatz mit: Timo Filtzinger habe seinen Rücktritt bekanntgegeben, offenbar beim ersten Gastronomen-Stammtisch des Jahres 2025. Zu den gründen sagte die Stadt Mainz in dem Post nichts, kündigte aber an, die Position wieder besetzen zu wollen: „Wer sich als neue ‚Nachtbürgermeister:in‘ bewerben will, kann sich an die Verwaltung wenden“, hieß es lapidar.
Die Linke im Mainzer Stadtrat nahm das nun zum Anlass, eine grundlegende Neubewertung der Stelle zu fordern: „OB Haase muss die Chance jetzt nutzen und die Ausgestaltung des Amtes des Nachtkulturbeauftragten komplett auf neue Füße stellen“, forderte die Linke in der Mitteilung. Stadtrat, Jugendvertretungen, Studierende, Gastronomie, Clubbetreiber, Kulturschaffende und Anwohner müssten „jetzt die Chance bekommen, gemeinsam Ideen für einen Nachkulturbeauftragten zu sammeln, um dann eine Person mit
einem klaren und starken Mandat auszustatten.“
Linke: Stimme des Nachtbürgermeisters zuletzt komplett gefehlt
Die Linke verbindet die Forderung mit einer deutlichen Kritik am bisherigen Amt und seinem Inhaber: Filtzinger sei zwar für seine Pionierarbeit zu danken, habe doch „die Stimme des Nachtkulturbeauftragten bei wichtigen Debatten in Mainz in den letzten
Jahren komplett gefehlt“, kritisiert die Stadtratsfraktion: „Beim Clubsterben, den Auseinandersetzungen um Lärm durch Jugendliche und vielen anderen Themen wartete man vergeblich auf eine Meldung des Nachtkulturbeauftragten.“
Allerdings habe der Start des Amtes im Jahr 2020 ohnehin „unter keinem guten Stern“ gestanden, moniert die Linke weiter – denn Ex-OB Ebling habe damals „die Besetzung und Ausgestaltung des Amtes des Nachtkulturbeauftragten komplett am Stadtrat und der Stadtöffentlichkeit vorbei umgesetzt.“ Eine breite Diskussion über Verständnis und Rolle des Beauftragten sei so nie möglich gewesen, „dieser Makel konnte nie ganz abgeschüttelt werden“, kritisiert die Linke: „Der Nachtkulturbeauftragte scheiterte auch an Eblings Intransparenz und Hau-Ruck-Attitüde.“
Filtzinger selbst kritisierte hingegen im Gespräch mit dem „Merkuristen“, zu Beginn habe der Austausch mit der Stadt Mainz noch gut funktioniert. OB Ebling habe das Amt des Nachtbürgermeisters wertgeschätzt und sich „auch von sich aus gemeldet“, sagte Filtzinger dem Online-Magazin. Mit dem Nachfolger Haase verstehe er sich persönlich zwar gut, habe aber zuletzt zu wenig Rückmeldung und echte Wertschätzung verspürt – und deshalb ans Aufhören gedacht.
Nachtbürgermeister hauptamtlich und „mit starkem Mandat“
In seiner Kritik bezieht sich Filtzinger allerdings auch auf eine höchst veraltete Gastronomieverordnung des Landes Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 1971 und übt zudem Kritik an der Unflexibilität und Unbeweglichkeit des Mainzer Bauamtes bei Fragen zu Nutzungsänderungen, das von SPD-Dezernentin Marianne Grosse geführt wird. Auch habe er „nicht den Eindruck, dass Menschen, die etwas gründen wollen, in Mainz ausreichend unterstützt werden“, sagte Filtzinger dem Merkurist.
Die Linke forderte, ein neuer Amtsinhaber müsse „mit einem klaren und starken Mandat“ ausgestattet werden – ähnlich hatten sich im Kommunalwahlkampf 2024 schon die Mainzer Jusos geäußert: Die Jugendorganisation der SPD hatte deutliche Kritik an der Entwicklung des Mainzer Nachtlebens geäußert und gefordert, die Position des Nachtkulturbeauftragten in eine hauptamtliche Stelle umzuwandeln. Eine Belebung des Mainzer Nachtlebens sei „mehr als dringend notwendig“, der vermehrten Schließung von Clubs und Kneipen müsse entgegengewirkt werden, forderten die Jusos – das konnte auch als Kritik an Filtzinger verstanden werden.
Die Forderung nach der Hauptamtlichkeit hatte im Übrigen auch schon Ordnungsdezernentin Manuela Matz im OB-Wahlkampf unterstützt – und auch für OB Haase war das bereits Thema: Haase hatte bei seiner ersten Pressekonferenz als designierter Oberbürgermeister im März 2023 einen „Neustart“ für den Job des Nachtbürgermeisters angekündigt an – passiert war allerdings bislang nichts.
Info& auf Mainz&: Mehr zu der Debatte um das Nachtleben in Mainz sowie den Nachtkulturbeauftragten lest Ihr hier auf Mainz&.