Nach seiner Bundespräsidentenkandidatur für die Linke strebt der Mainzer Arzt Gerhard Trabert nun gen Europa: Der Parteivorstand der Linken schlug den Sozialmediziner am Montag für Platz vier ihrer Liste zur Europawahl im Juni 2024 vor. Trabert setze sich „konsequent für die Unteilbarkeit von Menschenrechten ein“, das passe gut zu einer Linken, die für ein anderes, ein solidarisches Europa der Gerechtigkeit, der Menschenrechte und der Demokratie eintreten wollen, sagte Linken-Bundeschefin Janine Wissler am Montag in Berlin.

Der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert will für die Linke bei der Europawahl 2024 antreten. - Foto: Trabert
Der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert will für die Linke bei der Europawahl 2024 antreten. – Foto: Trabert

Es ist bereits das dritte Mal, dass der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert für die Linke antritt: 2021 kandidierte er bei der Bundestagswahl als Direktkandidat für die Linke in Mainz, 2022 machte ihn die Linke gar zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Trabert beeindruckte mit seinem Wahlkampf, bei dem er das Engagement für Obdachlose und sozial benachteiligte Menschen in den Mittelpunkt stellte, sogar Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Bei der Wahl erhielt er 96 Stimmen, deutlich mehr als die Linke an Wahlmännern und -frauen gestellt hatte.

Nun also soll Trabert erneut für die Linke antreten – dieses Mal bei der Europawahl am 9. Mai 2024. Der inzwischen 67 Jahre alte Professor für Sozialmedizin wurde bundesweit bekannt als „Obdachlosenarzt“ und tritt weiter als Parteiloser an, die Europawahlliste wird allerdings erst im November auf einem Bundesparteitag der Linken offiziell gewählt. „Wir machen heute einen Vorschlag für die Spitzenkandidatur zur Europawahl“, sagte Linken-Parteichefin Janine Wissler am Montag in Berlin.

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Carola Rakete und Trabert als prominente Kandidaten für die Linke

Danach soll Linken-Ko-Parteichef Martin Schirdewan auf Platz eins der Liste bei der Europawahl kandidieren, Schirdewan sitzt bereits seit 2017 im Europaparlament. Auf Platz zwei will die Partei die bekannte Seenotretterin Carola Rakete setzen, Platz drei ist für die Linken-Europaabgeordnete Özlem Demirel vorgesehen, Platz vier für Trabert. Damit würde der Mainzer auf einem durchaus aussichtsreichen Platz kandidieren: Bisher stellen die deutschen Linken fünf Abgeordnete im Europaparlament, obwohl sie bei der letzten Wahl 2019 lediglich 5,5 Prozent einfuhren.

Linken-Parteichefin Janine Wissler (Mitte) auf der Pressekonferenz am Montag in Berlin mit Martin Schirdewan und Carola Rakete. - Screenshot: gik
Linken-Parteichefin Janine Wissler (Mitte) auf der Pressekonferenz am Montag in Berlin mit Martin Schirdewan und Carola Rakete. – Screenshot: gik

„Unser Vorschlag ist ein Angebot an die Partei und an die Wähler“, betonte Wissler: „Die Linke will die Adresse für alle sein, die sich eine andere, eine solidarische EU wünschen, und die wollen, dass soziale Gerechtigkeit und Demokratie, Menschenrechte und Klima im Vorwärtsgang verteidigt werden.“ Die Linke wolle die Partei für diejenigen sein, die Superreichen und Konzernen Grenzen setzen, die in frieden statt Aufrüstung investieren,  und die sich „nicht damit abfinden wollen, dass das Mittelmeer zum Massengrab wird und sich Europa immer mehr abschottet.“

Für eine andere Flüchtlingspolitik steht dabei vor allem Carola Rakete, die als Kapitänin eines Rettungsschiffs im Mittelmeer bekannt wurde. Aber auch Trabert war bereits mehrfach mit der Sea Watch als Arzt bei der Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer im Einsatz, zudem setze sich der Mainzer „konsequent für die Unteilbarkeit von Menschenrechten ein“, betonte Wissler. Mit diesen beiden Nominierungen wolle man auch deutlich machen: „Die Linke öffnet sich – für Engagierte, für Aktive aus den sozialen Bewegungen und der Zivilgesellschaft“, sagte Wissler weiter: Es sei eine Einladung an alle Engagierten, „mit uns einen starken Pol der Hoffnung von Links aufzubauen.“

Linke: Einladung für neuen „linken Pol der Hoffnung“

Damit setzt Wissler als Linkenchefin im Bund nun konsequent die Linie fort, die sie bereits in Hessen begonnen hatte: In Hessen machte Wissler die Linken nicht nur mit rhetorischer Brillanz und Angriffslust im Wiesbadener Landtag zu einer starken Oppositionsstimme, die Frankfurterin setzte auch konsequent auf die Einbindung von gesellschaftlichen Initiativen und suchte die Linke so, zum Sprachrohr linker Initiativen zu machen. „Wenn die Zeiten rauer werden, müssen Linke zusammenrücken“, betonte Wissler. Mit der Einbindung gesellschaftlicher Initiativen zeige die Partei: „Die Linke ist Teil eines linken Pols der Hoffnung, der größer ist als sie selbst.“

Gerhard Trabert am Montag bei der Pressekonferenz der Linken in Berlin. - Screenshot: gik
Gerhard Trabert am Montag bei der Pressekonferenz der Linken in Berlin. – Screenshot: gik

„Ich möchte mich bedanken, dass mir die Linke erneut die Gelegenheit gibt, das Thema Armut und soziale Gleichheit wieder so fokussiert in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagte Trabert selbst in Berlin. Denn seit seiner Kandidatur für das Bundespräsidentenamt sei „nichts besser geworden, sondern vieles schlechter“. Es werde viel über die Sicherung der Demokratie nach außen geredet, die Sicherung nach innen aber viel zu wenig berücksichtigt – dabei sei die Bekämpfung von Ungerechtigkeit absolut zentral.

„Die aktuelle Stärke von Rechtspopulisten in Europa hat auch etwas damit zu tun, dass Menschen sich nicht mehr wahrgenommen fühlen“, sagte Trabert weiter. Seine Kandidatur habe auch etwas damit zu tun, dass er dem neuen Nationalismus und Rassismus noch vehementer bekämpfen wolle. Er wolle zudem gerade den politischen Verantwortlichen etwas entgegen setzen, „die so weit weg von der Lebensrealität der Menschen sind“, betonte der Arzt weiter. Er wolle für mehr Austausch mit Armutsbetroffenen kämpfen, und natürlich für seine Themen Armut und Gesundheit eintreten.

Trabert: EU tut zu wenig gegen Armut in Europa

Die Zahl der Obdachlosen in der EU habe zwischen 2010 und 2020 um 70 Prozent zugenommen, 700.000 lebten in Armut – das seien doch unglaubliche Zahlen und unerträgliche Verhältnisse, kritisierte Trabert weiter. „Die EU muss die Armut in Europa angehen, und das tut sie zu wenig“, betonte er – das Problem sei die ungerechte Verteilung von Reichtum in der Gesellschaft. „Keine Partei greift diese Themen so authentisch und kompetent auf wie die Linke“, fügte Trabert hinzu,

Gerhard Trabert 2020 bei der Versorgung von Flüchtlingen in Lesbos. - Foto: Trabert
Gerhard Trabert 2020 bei der Versorgung von Flüchtlingen in Lesbos. – Foto: Trabert

Die erneute Kandidatur Traberts für die Linke ist allerdings nicht ganz ungetrübt: Im Oberbürgermeisterwahlkampf in Mainz 2023 hatte Trabert nicht den Linken-Kandidaten Martin unterstützt, sondern stattdessen den Grünen Christian Viering, der am Ende deutlich gegen den Parteilosen Nino Haase unterlag. „Wir sind da nicht nachtragend“, sagte dazu der Linken-Fraktionschef im Mainzer Stadtrat, Tupac Orellana auf Mainz&-Anfrage. Trabert begründe seine Engagements ja immer inhaltlich. „Gerhard ist so ziemlich der Letzte, dem man vorwerfen kann, dass er sich nach einer Parteilinie richtet“, sagte Orellana weiter, „deshalb halte ich ihn nach wie vor für sehr glaubwürdig.“

Trabert sei „das absolute Exempel für praktisch gelebte Solidarität“ sowohl mit Armen als auch mit Geflüchteten, sagte Orellana weiter, der auch Mitglied im Bundesvorstand der Linken ist. „Gerhard weiß, dass Solidarität nicht teilbar ist, das zeigt er jeden Tag und weltweit, deshalb gehört er in die politische Arbeit eingebunden“, unterstrich Orellana: „Das ist aus meiner Sicht ein sehr gutes Zeichen.“

Wissler sagte, das Personaltableau solle im September in eine offiziellen Listenvorschlag gegossen werden, über den dann im November ein Bundesparteitag abstimmen muss. Gegen die einzelnen Personen auf den Listenplätzen sind Gegenkandidaturen möglich.

Info& auf Mainz&: Mehr zu Traberts Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.