Bei einer Aufräumaktion an der Mündung der Ahr sind am Sonntag Knochenreste gefunden worden – nach Mainz&-Informationen handelt es sich dabei um menschliche Überreste. Helfer vermuten, es könne sich um den bis heute vermissten Frank aus Heppingen handeln, der in der Nacht der Flutkatastrophe an der Ahr vom 14. auf den 15. Juli 2021 von der Flutwelle mitgerissen wurde. Gefunden wurden nun offenbar die Reste eines menschlichen Skeletts in einer Anschwemmung an der Ahrmündung zwischen Sinzig und Remagen. Fluthelfer sagen: Die Überreste hätten schon vor zwei Jahren geborgen werden können – der Fundort sei schon damals als möglicher “Hotspot” markiert worden.
Am Sonntag hatte sich eine Gruppe von rund 20 freiwilligen Helfern in den Kripper Auen an der Ahrmündung zu einer Müllsammelaktion getroffen – man wollte “möglichst viel Material herausbekommen”, sagte Organisator Lars Boes in einem Internet-Video. In der Aue lagert noch immer Müll aus der Ahrflut: Massen an Wasserkästen, Europaletten, Plastikflaschen, aber auch noch Überreste von Hausschutt wie Fensterrahmen oder Holzreste – auch zwei Jahre nach der Flut finden sich in der Aue Überreste, die von der gigantischen Flutwelle bis zur Ahrmündung in den Rhein transportiert wurden.
Doch was die Helfer dann fanden, schockierte sie gewaltig: Unter einer Anhäufung von Flutmüll fanden die Helfer Knochen. “Es wurde der Großteil eines menschlichen Torsos gefunden, darunter auch der Hauptteil eines Schädels”, sagt Tibor Schady, Fluthelfer und Organisator des Baustoffzelts Erftstadt, im Gespräch mit Mainz&. Schady war bei der Aktion am Sonntag dabei, der Fund sei in einer großen Anschwemmung von Müll aus der Flutkatstrophe gemacht worden, die Polizei sei sofort informiert worden. “Als ich kam, war der Fundort nicht abgesperrt und wurde auch nicht bewacht”, betont Schady.
Koblenzer Polizei bestätigt den Fund menschlicher Knochen
Die Koblenzer Polizei bestätigte am Montag zunächst nur, es seien “mehrere Knochen aufgefunden worden, die möglicherweise menschlichen Ursprungs sind.” Ein Pressesprecher bestätigte gegenüber Mainz& am Nachmittag: “Man muss davon ausgehen, dass es menschliche Knochen sind” – es sei auch “Teil eines Unterkiefers gefunden worden.” Die bisher aufgefundenen Knochen seien am Montag der Rechtsmedizin in Mainz zur weiteren Überprüfung übergeben worden. Dort sollen die Funde genauer untersucht werden, dabei geht es auch darum, ob mittels DNA-Abgleich eine Zuordnung zu einer bestimmten Person möglich ist. Bei der großen Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 starben 136 Menschen, davon werden zwei Personen bis heute vermisst.
Die Polizei hatte am Montagnachmittag den Bereich um den Fundort noch einmal mit Kräften der Bereitschaftspolizei abgesucht, auch die Spurensicherung war den Angaben zufolge vor Ort. Zum Einsatz kam dabei auch ein Leichenspürhund sowie eine Drohne. “Vermutungen, dass es sich um eines der noch vermissten Flutopfer handeln könnte, können derzeit weder bestätigt noch dementiert werden”, betonte die Polizei weiter.
Doch genau das vermuten die Fluthelfer: Bei der Leiche könnte es sich um den seit der Flutnacht 2021 vermissten Frank aus Heppingen handeln, sagte Markus Wipperfürth. Der Landwirt aus Pulheim bei Köln hatte im Herbst 2021 maßgeblich Aufräumaktionen entlang der Ahr mit organisiert und mit seinen schweren Geräten wie Baggern begleitet. “Wir haben die Ahr entlang aufgeräumt, immer in Abstimmung und enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Förster”, berichtete Wipperfürth nun gegenüber Mainz&.
Spürfuchs “Shadow” markierte schon 2021 Hotspots
Zum Einsatz kam damals auch ein Spürfuchs mit Namen “Shadow”, der abgerichtete, zahme Silberfuchs ist darauf spezialisiert, Aas zu erschnuppern. Mehrere Wochen lang durchsuchte der Fuchs im Herbst 2021 mit seinem Herrchen Marko Weber von der “Wildtierhilfe Loreley e.V.” die Ahr-Auen nach Vermissten – in Abstimmung mit den Behörden und auf Wunsch der Angehörigen. Auch der Bereich der Ahrmündung sei damals untersucht und kartiert worden, berichtet Wipperfürth: “Marko ging mit Shadow voraus, die suchten Wärmequellen und markierten ‘Hotspots’, also Bereiche von möglichen Fundstellen.”
Auch im Gebiet der Ahrmündung seien damals vier Hotspots definiert worden, genau in der Kripper Aue berichtet Wipperfürth – doch einige der Hotspots hätten die Helfer damals nicht mehr anpacken dürfen. “Wir durften dort nicht räumen, das wurde uns von der Unteren Naturschutzbehörde untersagt”, berichtet Wipperfürth – die Begründung sei gewesen, dass die schweren Bagger dort im Naturschutzgebiet zu viel Schaden anrichten würden. Auch andere Helfer aus dem Ahrtal bestätigen die Darstellung: Kreisverwaltung und Politik hätten damals dafür gesorgt, dass in den Kripper Ahrauen nicht aufgeräumt werden durfte, da es sich um ein Naturschutzgebiet handele.
“Der Hotspot damals lag sechs Meter neben dem Spot, wo jetzt die Knochen gefunden wurden”, sagt Wipperfürth, dafür gebe es Kartenbelege: “Dieser Hotspot war definitiv festgelegt, damals schon.” Wipperfürth ist deshalb überzeugt: “Man hätte die Reste schon vor zwei Jahren bergen können.” Und womöglich hätten dann bereits die Angehörigen von Frank Gewissheit bekommen. Denn vor zwei Jahren seien genau in dem gleichen Gebiet bereits Häuserteile und Möbel aus dem gleichen Ort gefunden worden, dazu auch die Leiche eines Hundes aus der Nachbarschaft des Vermissten.
Handelt es sich um den vermissten Frank aus Heppingen?
“Frankie”, wie ihn seine Familie nannte, war Anfang 20 und lebte noch bei seinen Eltern, auch sie wurden von der Flutwelle in den Tod gerissen. Die Leichen der Eltern fand man wenige Tage nach der Flut, Franks Leiche aber blieb bis heute verschollen – erst im Sommer war er für tot erklärt worden.
“Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich hier um den Vermissten handelt, ist aus meiner Sicht sehr groß”, betont Wipperfürth nun, und kritisiert: “Wir wussten immer, dass da noch etwas ist in der Aue. Hätte man uns vor zwei Jahren gelassen, wir hätten den damals schon gefunden.” Er denke dabei vor allem an die Angehörigen, betonte der Landwirt, die hätten schon vor zwei Jahren um Hilfe bei der Suche gebeten – ihre dringlichste Bitte sei, dass Franks Leiche gefunden werde, wie auch ein ARD-Film belegt.
“Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen”, sagt auch Schady, und kritisiert die Arbeit der Polizei scharf: “Niemand hat den Fundort bewacht, der Fundort war auch nicht abgesperrt” – die Helfer hätten dort einfach weiterarbeiten können, auch nachdem die ersten Knochenfunde gemeldet worden seien. Bei der Polizei heißt es indes, “die Kollegen waren vor Ort, die haben die Absuche unterstützt”, so der Polizeisprecher auf Mainz&-Anfrage: “Ein Auftrag, da weiter zu suchen, ist von der Polizei nie erfolgt.” Es sei auch gesagt worden, dass in dem abgesperrten Bereich die Polizei weitersuche, das sei aber offensichtlich zu den Helfern nicht richtig durchgedrungen.
Freie Wähler: Wurde Fundort nicht fachgerecht von Polizei gesichert?
Die Freien Wähler im Mainzer Landtag wollen hingegen nun von der Landesregierung wissen: “Warum wurde der Ort nicht fachgerecht gesichert, und aus welchem Grund wurde die weitere Bergung des Fundes nicht von geeigneten Fachkräften der Polizei übernommen?” Was sage die Landesregierung zu der Entscheidung der zuständigen Polizeidienststelle, “die weitere Bergung den freiwilligen Helfern zu überlassen” und inwieweit verstoße ein solche Entscheidung gegen dienstliche Vorschriften?
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FW-Fraktion, Stephan Wefelscheid, bezieht sich bei seiner Kleinen Anfrage auf einen Bericht der Rhein-Zeitung vom Montag, auch darin werde geschildert, dass die Helfer “beim Ausgraben des, so anzunehmen, menschlichen Skeletts allein gelassen wurden.” Demnach hätten die Helfer am späten Nachmittag die weiteren gefundenen Überreste der Polizei übergeben, diese habe sich bedankt mit der Aussage “Vielen Dank, super Arbeit!” Wefelscheid will nun wissen: Stimmt der Bericht?
Schady bestätigte, Polizisten seien beim Bergen der Knochenreste nicht dabei gewesen, der Einsatz eines Notfallseelsorgers sei wohl angeboten worden, aber nicht erfolgt. Es wundere ihn, dass die Polizei erst am Montagnachmittag, und damit 24 Stunden nach dem Fund, eine Suchaktion an der Fundstelle durchgeführt habe, sagte Schady weiter: “Wie lange wollte man die Leiche denn dort liegen lassen?”
Info& auf Mainz&: Mehr zur Flutkatastrophe im Ahrtal findet Ihr auch in unserem großen Mainz&-Dossier genau hier. Alle Informationen in diesem Artikel wurden selbstverständlich gründlich gecheckt und beruhen auf mehreren unabhängigen Quellen.