Die Belastung von Seen und Flüssen mit multiresistenten Keimen treibt Politik und Bürger zunehmend auch in Rheinland-Pfalz um. Erst im Dezember 2017 fanden die Gesundheitsbehörden in Frankfurt in gleich fünf Wasserproben multiresistente Keime, gegen die selbst Reserveantibiotika machtlos sind. Die Keime gelangen mit Abwasser in die Gewässer, die Kläranlagen können mit ihrer Technik diese Keime nicht aus dem Wasser filtern – bis jetzt: Die Stadt Mainz lässt nun mittels einer Studie der Technischen Uni Kaiserslautern prüfen, inwiefern die Kläranlage in Mombach nachgerüstet werden kann, um auch solche Keime aus dem Abwasser filtern zu können. Auch Mikroplastik soll dabei der Garaus gemacht werden. Nun, im November 2018, warnt eine neue Studie von Experten: 33.000 Tote könnte es zuletzt in Europa durch multiresistente Keime gegeben haben, drei Viertel davon infizierten sich ausgerechnet in Krankenhäusern. Für Deutschland errechneten die Experten fast 55.000 Infektionen mit rund 2.300 Toten – erschreckende Zahlen. Mainz& hat schon im Mai 2018 über das Problem berichtet – hier noch einmal unser Bericht:

Die Kläranlage in Mainz-Mombach könnte eine der modernsten des Landes werden, die Stadt prüft derzeit die Nachrüstung mit einer vierten Klärstufe gegen multiresistente Keime und Mikroplastik. – Foto: gik

Multiresistente Keime sind keine Lappalie, sie können gefährliche Krankheiten auslösen und bei vorbelasteten Menschen sogar zum Tode führen – auch weil selbst sogenannte Reserveantibiotika gegen sie nichts mehr ausrichten können. Erst im vergangene Jahr war ein Mann in einen Bach bei Frankfurt gefallen und beinahe ertrunken, in seiner Lunge fanden die Ärzte multiresistente Erreger – kurz danach starb der Mann. Die Stadt Frankfurt gab daraufhin bei der Universität Bonn eine umfassende Untersuchung in Auftrag.

Im Dezember 2017 legten die Gesundheitsbehörden die alarmierenden Ergebnisse der Gewässeruntersuchung vor: Danach wurden in gleich fünf Wasserproben multiresistente Keime gefunden, unter anderem in der Nidda, dem Königsbach, dem Urselbach und dem Rebstockweiher. Die Fundstellen waren sowohl mit als auch ohne Einfluss einer Kläranlage, betonte der Frankfurter Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne). Experten zufolge stammen multiresistente Keime meist aus dem Abwasser von Krankenhäusern oder aus der Massentierhaltung, wo die Tiere stark mit Antibiotika behandelt werden. Über deren Dunge, zu Gülle verarbeitet, gelangen die Keime zusätzlich auf die Felder und so ins Grundwasser. Auch in Frankfurt vermutete Majer als Einflussfaktoren Einträge durch die Landwirtschaft, womöglich auch durch den Kot von Wildvögeln.

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Wie stark sind unsere Flüsse mit Mikroplastik und multiresistenten Keimen belastet? Das Mainzer Umweltministerium will das untersuchen. – Foto: Polizei Mainz

Die Frankfurter Ergebnisse lösten wiederum eine umfangreiche Recherche des NDR im Februar an Flüssen und Seen in Niedersachsen aus, auch hier wurden multiresistente Keime gefunden, und zwar in einer Konzentration, die selbst wissenschaftliche Experten überraschte. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) schlug daraufhin Alarm, das Land will nun Untersuchungen starten, ob auch Gewässer in Rheinland-Pfalz belastet sind. Man prüfe, „inwieweit Untersuchungen an möglichen Quellen auf resistente Keime sinnvoll und möglich sind“, heißt es im Umweltministerium. Dazu setze man sich bereits seit Jahren auf Bundesebene dafür ein, die Verwendung von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu reduzieren.

In der Tiermast würden mehr als 700 Tonnen Antibiotika pro Jahr in Deutschland eingesetzt, das seien weitaus mehr als in der Humanmedizin, betonte Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun. Allerdings wurden auch menschlichen Patienten 2014 in 40 Millionen Fällen Antibiotika verschrieben, auch deren Reste gelangen mit dem Abwasser in die Gewässer. Die CDU drängte darauf, sich mehr um die Abwässer aus Krankenhäusern zu kümmern.

Weiteres Problem: Multiresistente Keime können in den meisten Kläranlagen im Land bisher nicht aus den Abwässern gefiltert werden, nur eine Kläranlage in Rheinland-Pfalz, in Ludwigswinkel, ist derzeit dazu in der Lage. Dort werden multiresistente Keime mittels UV-Bestrahlung des Abwassers unschädlich gemacht. Nachrüstungen seien aber nicht Sache des Landes, sondern der Gebührenzahler vor Ort, betont Umweltministerin Höfken. Die Ministerin fordert die Bürger auch dazu auf, Eigenvorsorge zu betreiben: So würden immer noch viele Medikamente zuhause in der Toilette heruntergespült, „das schadet uns allen“, betont sie.

Immer mehr Plastikmüll gelangt auch in unsere Flüsse und sogar bis in unser Trinkwasser. – Foto: gik

In Mainz prüft die Stadt nun die Nachrüstung der Mainzer Kläranlage mit einer sogenannten vierten Reinigungsstufe: Dabei soll das Abwasser zusätzlich mit Ozon behandelt und anschließend durch Aktivkohlefilter geleitet werden, um Mikroschadstoffe wie Hormone, Pestizide und Medikamentenreste aus dem Wasser herauszufiltern. Der Wirtschaftsbetrieb gab dazu im Frühjahr eine Studie bei der TU Kaiserslautern in Auftrag.

Die Studie solle „in erster Linie herausfinden ob ausreichend regenerative Energie in Mainz vorhanden ist, um auf der Kläranlage eine Elektrolyse zu betreiben“, teilte nun Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) im Mainzer Stadtrat mit. Die Elektrolyse würde Wasserstoff und gleichzeitig Sauerstoff erzeugen, mit dem Sauerstoff könnte dann direkt vor Ort eine Ozonierung betrieben werden, die jegliche Art von Mikroschadstoffen, auch multiresistente Keime zerstören würde.

Zwar sei die UV-Bestrahlung ebenfalls eine Möglichkeit, Mikroschadstoffe zu eliminieren, diese Technik sei jedoch eher für kleinere Kläranlagen geeignet, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der ÖDP weiter. Mainz würde derzeit lieber eine Ozonierung sowie eine Kombination mit einer Aktivkohlefiltrierung vorziehen, sagte Eder weiter. Der Grund: Ein mit granulierter Aktivkohle gefüllter, nachgeschalteter Filter würde auch „jegliche Art von Schwebstoffen und auch Mikroplastik zurückhalten“, schreibt Eder weiter. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass Mikroplastik in erheblichem Ausmaß sogar bis in unser Trinkwasser gelangt.

Der Wirtschaftsbetrieb Mainz sehe zudem für eine Kläranlage der Größenordnung von Mainz die Ozonierung als die wirtschaftlichere Variante an. Bei der UV-Bestrahlung müsste viel elektrische Energie zum Einsatz kommen, „und die gesamte Abwassermenge von Mainz – rund 45.000 Kubikmeter pro Tag – mit viel Druckverlust durch einen Rohrreaktor an den UV-Strahlern entlanggeführt werden“, so die Antwort der Stadtverwaltung weiter. „Wir erhoffen uns von der Studie auch einen Hinweis darauf, ob und wie eine Kombination beider Verfahren – Ozonierung und Aktivkohle – möglich ist“, sagte die Vorstandschefin der Wirtschaftsbetriebe, Jeanette Wetterling.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Mainzer Kläranlage findet Ihr hier bei den Wirtschaftsbetrieben der Stadt Mainz. Mehr zum Problem des wachsenden Plastikmülls lest Ihr zum Beispiel hier bei Mainz&.

 

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