Nach Monaten der Turbulenzen, nun der Paukenschlag in Mainz: Ein komplett neuer Vorstand soll die Probleme im völlig festgefahrenen Zoff um die Mainzer Universitätsmedizin lösen. Der bisherige Vorstandschef Norbert Pfeiffer wird schon vor Ablauf seiner Amtszeit entmachtet, auch der hoch umstrittene kaufmännische Leiter Christian Elsner muss gehen. Nun soll ein neues Trio die alten Probleme lösen: Neuer Chef wird der bisherige Leiter der Wiesbadener Helios-Kliniken, Ralf Kiesslich. „Es geht um einen Neustart“, betonte Wissenschaftsminister Clemens Hoch – die Opposition sprach von „Scheitern“.

Befreiungsschlag: Die Vorstellung des designierten neuen Vorstands der Uniklinik Mainz am Mittwoch. - Foto: gik
Befreiungsschlag: Die Vorstellung des designierten neuen Vorstands der Uniklinik Mainz am Mittwoch. – Foto: gik

Die Mainzer Universitätsmedizin ist mit mit 60 Kliniken, rund 1.500 Betten, etwa 320.000 Patienten im Jahr und mehr als 8.700 Mitarbeitern eines der größten Krankenhäuser der Republik – und seit Jahren in heftigen Turbulenzen. Zu einer permanenten Unterfinanzierung und tiefroten Zahlen kamen zuletzt aber immer mehr hausgemachte Probleme: Zwischen Unimedizin-Vorstand und den Leitern der Kliniken kam es immer häufiger zu Streit und Ärger, es herrschten Misstrauen und Misskommunikation, sogar über „Maulkörbe“ wurde geklagt.

Im Frühjahr und Sommer dieses Jahres kam es zum Eklat: In gleich zwei Brandbriefen warfen mehr als 40 Klinikdirektoren der Mainzer Unimedizin dem Aufsichtsrat der Unimedizin nichts weniger als „Misswirtschaft, Mangelverwaltung und Ignoranz“ vor. Im Zentrum der Kritik stand vor allem der seit 2019 in Mainz wirkende Kaufmännische Vorstand Christian Elsner, er habe „so gut wie alle Reformziele verfehlt“, die wirtschaftliche Lage zu einer prekären gemacht sowie weder die überfällige Verwaltungsreform noch den Abschluss von Bauprojekten hingekriegt, hieß es in einem zweiten Brandbrief im Juni.

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Nach Brandbriefen: Kaufmännischer Vorstand Elsner muss gehen

Schlimmer noch: Das Verhältnis zwischen Klinikdirektoren und Vorstand war offenbar so zerrüttet, dass die Direktoren sogar eine Mediation mit Elsner ablehnten. Reformen könnten nur „in einem vertrauensvollen Miteinander“ und „geprägt von gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und redlichem Verhalten“ zum Erfolg geführt werden, – das sei derzeit aber nicht gegeben. Die CDU-Opposition im Landtag hatte daraufhin die sofortige Entlassung von Elsner gefordert – Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) lehnte das vehement ab.

Der umstrittene Kaufmännische Vorstand der Mainzer Unimedizin, Christian Elsner, muss gehen. - Foto: rlp.de
Der umstrittene Kaufmännische Vorstand der Mainzer Unimedizin, Christian Elsner, muss gehen. – Foto: rlp.de

Nun kommt es doch so weit: Elsner muss zum Jahresende gehen, seine Nachfolgerin kommt bereits zum 1. November 2023. „Wir haben uns einvernehmlich auf die Auflösung geeinigt“, sagte der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende, Staatssekretär Denis Alt, am Mittwoch in Mainz, und räumte auf Nachfrage aber auch ein: Im Ministerium habe man sich „über den Sommer hinweg“ die Frage gestellt, ob die Zusammenarbeit weiter gehen könne. „Wir sind dann zu der Überzeugung gekommen, dass es besser ist, die Zusammenarbeit zu beenden“, sagte Alt weiter, das sei „im Einvernehmen“ und schließlich auch „auf eigenen Wunsch“ Elsners geschehen.

Das Problem: Elsner hatte noch eine Vertrag bis 2026, der zudem erst kurz vor dem Eklat verlängert worden war, schon das war umstritten gewesen. Nun darf sich Elsner trotz seiner vorzeitigen Entlassung über eine Abfindung in Höhe von rund 500.000 Euro freuen, wie Alt einräumte. Elsner Führungsstil wurde auch angelastet, dass eine ganze Reihe von Klinikleitungen unbesetzt geblieben waren. „Die Abfindung ergibt sich daraus, dass Herr Elsner einen laufenden Vertrag hat“, sagte Alt zur Begründung nur äußerst schmallippig.

Kanzlerin der JGU wird neue Kaufmännische Leiterin

Seine Nachfolge als Kaufmännische Leiterin tritt nun zum 1. November 2023 die bisherige Kanzlerin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Waltraud Kreutz-Gers an. Er lasse seine Kanzlerin „mit einem lachenden und einem weinenden Auge ziehen“, bekannte Uni-Präsident Georg Krausch. Kreutz-Gers war zehn Jahre lang Kanzlerin der JGU, sie habe in dieser Zeit unter anderem das Kontrolling und die Datenbasierte Steuerung sowie die Verwaltung restrukturiert.

Die bisherige Kanzlerin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Waltraud Kreutz-Gers, wird neue Kaufmännische Leiterin der Mainzer Unimedizin. - Foto: MWG
Die bisherige Kanzlerin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Waltraud Kreutz-Gers, wird neue Kaufmännische Leiterin der Mainzer Unimedizin. – Foto: MWG

„Sie ist eine in der Wolle gefärbte Verwaltungsfachfrau mit gutem Gespür für Forschung und Lehre“, betonte Krausch. Zudem habe Kreutz-Gers aber auch reichlich Erfahrung in Sachen Universitätskliniken: Sie sei zehn Jahre lang in Nordrhein-Westfalen für alle Universitätsklinika zuständig gewesen und sitze seit zehn Jahren im Aufsichtsrat der Mainzer Unimedizin. Das habe ihr die notwendige Einblicke für die vor ihr liegende Aufgabe ermöglicht.

Ein Paukenschlag ist aber zudem der Wechsel an der Spitze des Uniklinikums: Der Bisherige Vorstandschef Norbert Pfeiffer hätte eigentlich noch bis Ende März 2024 einen vertrag gehabt, nun wird er drei Monate vor Ablauf seiner Amtszeit entmachtet. Bereits zum 1. Januar 2024 übernimmt der Wiesbadener Internist Ralf Kisslich als neuer Medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender Pfeiffers Job.

Pfeiffer vorzeitig abgelöst, neuer Vorstandschef: Ralf Kiesslich

Pfeiffer sei 14 Jahre lang „das Gesicht der Mainzer Universitätsmedizin gewesen“, die neue Lösung sei „natürlich mit ihm abgesprochen“, sagte Alt. Pfeiffer werde noch bis Ende März 2024 beratend zur Verfügung stehen. Dass Kiesslich aber schon zum 1. Januar kommt, dazu sagte Alt: „Oft ist es gut, wenn man etwas schneller eine Klarheit herstellen kann.“ offenbar waren zuletzt immer mehr Zweifel an der Führungsfähigkeiten des Vorstandschefs gewachsen, während des heftigen Streits der Klinikdirektoren war Pfeiffer weitgehend abgetaucht gewesen. Auch eine Kommunikation nach außen fand si gut wie nicht mehr statt.

Der bisherige Wiesbadener Chef der HSK-Kliniken, Ralf Kiesslich, wird neuer Chef der Mainzer Uniklinik. - Foto: MWG
Der bisherige Wiesbadener Chef der HSK-Kliniken, Ralf Kiesslich, wird neuer Chef der Mainzer Uniklinik. – Foto: MWG

Mit Ralf Kiesslich übernimmt nun ein ausgewiesener Krankenhausmanager den Spitzenjob in Mainz: Der ausgewiesene Experte für gastrointestinale Endoskopie ist seit 2014 bei den Helios Kliniken in Wiesbaden tätig und leitete zuletzt als Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer die Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK). Die Mainzer Unimedizin kennt Kiesslich gut: Kiesslich studierte in Mainz und hat bis zum Wechsel nach Wiesbaden einen Großteil seines Berufslebens an der Unimedizin in Mainz verbracht.

Kiesslich habe sich „als sehr aufmerksamer Zuhörer, aber auch als Mensch mit hoher Entscheidungsfreude präsentiert“, betonte Alt. Kiesslich selbst unterstrich, es sei ihm „eine große Freude, an die Unimedizin zurückzukehren.“ Die Entscheidung habe er sehr bewusst und im Wissen um die großen Herausforderungen getroffen, sagte der Internist weiter. Es gebe „eine gewisse Stockung im Dialog, die gilt es zu überwinden“, sagte er diplomatisch, und betonte zugleich: „Ich werde mich bemühen, dass das gelingt und dass die Mitarbeiter auch spüren, dass hier etwas Neues entsteht.“

Neuer Vorstand muss große Probleme lösen: Dialog, Personal, Defizite

Auch Kreutz-Gers unterstrich, sie sei sich „sehr bewusst, dass das keine einfache Situation ist.“ Ihr Ziel sei es aber, „gemeinsam mit dem Aufsichtsrat, aber auch der Belegschaft dafür zu sorgen, dass die Zufriedenheit in der Administration und mit der Administration zunimmt.“ Sie wolle die ersten Wochen viel mit den Führungskräften sprechen, und dann nach einer Bestandsaufnahme gemeinsam mit dem Vorstand überlegen, „wie wir das gewuppt kriegen“ – gerne dann auch mit klaren Ansagen.

Auch Staatssekretär Denis Alt (ganz rechts) muss seinen Posten als Aufsichtsratschef der Mainzer Unimedizin räumen - es übernimmt Minister Clemens Hoch (SPD, Mitte). - Foto: gik
Auch Staatssekretär Denis Alt (ganz rechts) muss seinen Posten als Aufsichtsratschef der Mainzer Unimedizin räumen – es übernimmt Minister Clemens Hoch (SPD, Mitte). – Foto: gik

Der Aufsichtsrat wiederum wird sich ebenfalls an einen neuen Vorsitzenden gewöhnen müssen: Wissenschaftsminister Clemens Hoch kündigte an, fortan den Vorsitz selbst übernehmen zu wollen. Damit löst er seinen Staatssekretär Denis Alt nach fünf Jahren an der Spitze des Gremiums ab – Alt galt nicht als jemand, der die anstehenden Probleme kompetent zu lösen in der Lage war. „Ich freue mich sehr, dass ein personeller Neustart gelingt, dass sich da auch ein echtes Team finden kann“, betonte Hoch. Seine Erwartung für die Zukunft sei, „dass die Uniklinik so gemanagt werden kann, wie sie gemanaged werden muss.“

Zu der Neuordnung soll zudem auch eine noch ausstehende Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger beitragen, das Team wird indes auch auf einer weiteren Position ausgetauscht: Neuer wissenschaftlicher Vorstand der Unimedizin soll Thomas Kamradt kommen, der den planmäßig ausscheidenden Ulrich Förstermann ersetzen soll. Kamradt ist Immunologe und derzeit als Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan am Universitätsklinikum in Jena tätig. Kamradt wird dem Fachbereichsrat der Unimedizin Mainz vorgeschlagen, der ihn wählen muss, sein neues Amt soll er dann zum 1. April 2024 antreten.

Ruppiger Umgang mit Brandbrief, Kritik der Opposition

Der neue Vorstand kann sich zudem über ordentliche Gehälter freuen: Kiesslich als Vorstandschef wird 530.000 Euro pro Jahr verdienen, die Position von Kreutz-Gers wird mit 340.000 Euro vergütet. Die Pflegevorständin Marion Hahn erhält eine Vergütung von 145.000 Euro, ihr Vertrag wurde um ein Jahr bis Ende Januar 2024 verlängert. Nach Angaben von Alt gab es nach den Ausschreibungen rund zwei Dutzend Bewerbungen für die beiden Spitzenpositionen.

Müssen nun die Probleme der Mainzer Unimedizin lösen: Ralf Kiesslich (Mitte) als neuer Vorstandschef, und Waltraud Kreutz-Gers. - Foto: gik
Müssen nun die Probleme der Mainzer Unimedizin lösen: Ralf Kiesslich (Mitte) als neuer Vorstandschef, und Waltraud Kreutz-Gers. – Foto: gik

„Ich freue mich sehr, dass ein personeller Neustart gelingt, dass sich da auch ein echtes Team finden kann“, betonte Minister Hoch. Die Mainzer Unimedizin sei zwar eine hervorragende Einrichtung. „Wir sind auch davon überzeugt: da ist noch Luft nach oben“, fügte Hoch hinzu. Man habe den Anspruch, das modernste und beste Uniklinikum zu werden. Ob die Kommunikationsprobleme mit den Direktoren damit beendet ist, muss abgewartet werden – Minister Hoch hatte sich jedenfalls in der Sonderausschusssitzung des Landtags im Juni wenig konziliant gezeigt.

Die Klinikdirektoren wiederum hatten in ihrem Brandbrief auch geklagt, Vorstand und Kaufmännischer Leiter zeichneten nach außen ein völlig schöngefärbtes Bild vom wahren Zustand der Mainzer Unimedizin – und das Ministerium trage dies mit. Auf den ersten Brandbrief, in dem Zusammenarbeit und Kooperation angeboten worden sei, habe es aus dem Ministerium überhaupt keine Antwort gegeben, man nehme „mit großer Sorge und Verwunderung zur Kenntnis, wie gelassen und wenig entschlossen  der Aufsichtsrat (…) und das zuständige Ministerium (…) hierauf regiert haben“, hieß es wörtlich.

„Ich bin ein großer Fan von Dienstwegen“, hatte Hoch damals als Reaktion zurückgeschossen. Man kommuniziere auf Dienstwegen und nicht via offenen Briefen, schimpfte Hoch. Und fügte in durchaus emotionaler Weise in Richtung Klinikdirektoren hinzu: „Es gibt eine alte Regel: Wer Probleme lösen will, redet, wer nur Recht haben will, schreibt.“

Opposition: Aufsichtsrat und Vorstand „kläglich gescheitert“

„Wir hoffen, dass durch die Personaländerungen jetzt Ruhe einkehrt und die Unimedizin nun gut gerüstet ist, die enormen – nicht nur – medizinischen Herausforderungen zu meistern“, hieß es am Nachmittag von den Freien Wählern. Neues Personal an der Spitze, neue Strukturen, neue Chancen – diese müssen nun genutzt werden.

Der bisherige Aufsichtsrat und Vorstand seien „kläglich gescheitert“, Hoch habe „offensichtlich die Reißleine ziehen müssen“, konstatierte der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner: „Das war längst überfällig, denn das Vertrauen in und die Qualität der Uni-Medizin stehen auf dem Spiel.“ Die Mainzer Universitätsmedizin stehe aber „schon seit Jahren am Abgrund: baulich, personell, organisatorisch“, kritisierte der Gesundheitsexperte der CDU im Landtag, Christoph Gensch – daran sei aber vor allem die unzureichenden Finanzierung durch die Landesregierung Schuld.

„Unser Anspruch ist es – und eigentlich müsste es auch der Anspruch der Landesregierung sein – dass die einzige Universitätsmedizin in Rheinland-Pfalz eine Keimzelle des medizinischen Fortschritts ist und weltweit führend in der Biotechnologie wird“, betonte Gensch. Die Wirklichkeit aber sehe anders aus – da schiebe die Mainzer Uni-Medizin noch immer „einen Schuldenberg in dreistelliger Millionenhöhe vor sich her, der immer größer wird.“ Und für diese Misere trügen vor allem das Land und der Aufsichtsrat die Verantwortung.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Brandbriefen an der Mainzer Unimedizin, ihrem Inhalt und den Hintergründen lest Ihr hier auf Mainz&.