Aus dem Trio im Mainzer Oberbürgermeister-Wahlkampf ist ein Quartett geworden: Der Mainzer Rechtsanwalt Martin Malcherek geht für die Linke ins Rennen um den Oberbürgermeister-Sessel am 27. Oktober. Mehr Sozialwohnungen, ein autofreies Mainz, ein 365-Euro-Ticket sowie generell mehr Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gesundheit nannte Malcherek bei seiner Vorstellung vergangene Woche als seine Ziele. Mainz müsse den Stillstand beenden und seine Zukunft in die Hand nehmen, er wolle den Mainzer ein „dezidiert linkes Angebot“ machen, betonte der 46-Jährige. Die Stadt müsse wieder den menschen gehören, es brauche eine solidarisch-sozialistischen Ansatz – und die rechtsrheinischen Vororte Amöneburg, Kastel und Kostheim müssten endlich nach Mainz zurückkehren.
Erst Mitte August offenbarte die Linke, mit einem eigenen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl antreten zu wollen, anstatt einen der bisherigen drei Kandidaten von SPD oder Grünen unterstützen zu wollen – oder gar den parteilosen Kandidaten Nino Haase, der für CDU, ÖDP und Freie Wähler ins Rennen geht. „Wir haben uns den OB- Wahlkampf relativ lange angeguckt und festgestellt: keiner der Kandidaten bietet eine Angebot, hinter das sich die Linke stellen kann“, begründete Linken-Chef Tupac Orellana die Entscheidung für einen eigenen Kandidaten: „Wir treten an, um ein dezidiert linkes Angebot zu machen, das aus unserer Sicht von SPD und Grünen ignoriert, und von Haase natürlicherweise nicht abgedeckt wird.“
Malcherek habe sich parteiintern gegen zwei weitere Kandidaten durchgesetzt, der Anwalt für Verwaltungsrecht sei der richtige Kandidat für die Linke, unterstrich Orellana: „Er bringt die richtigen Voraussetzungen mit.“ Malcherek kandidierte schon für die Linken bei der Bundestagswahl 2017 als Mainzer Direktkandidat, im Mai wurde er bei der Kommunalwahl für die Linken in den Mainzer Stadtrat gewählt. Malcherek wurde 1973 in München geboren und wuchs im rechtsrheinischen Mainz-Kostheim auf, der überzeugte Waldorfschüler studierte erst Philosophie, Geschichte und Literatur in Frankfurt/Main, Berlin und Dornach in der Schweiz, und dann Jura in Mainz.
Konsequenterweise fordert Malcherek nun: die rechtsrheinischen AKK-Vororte, die seit dem zweiten Weltkrieg zu Wiesbaden gehören, müssten wieder zu Mainz zurückkehren. „Das meine ich jetzt nicht als Satire“, betonte Malcherek, „für die Mainzer dort ist das ein echtes Problem.“ In den drei Vororten fühle man sich weiterhin zu Mainz zugehörig, für jeden Behördengang müsse man aber ins entfernte Wiesbaden – das sei ein Problem.
Vor allem aber setzt Malcherek mit seiner Kandidatur auf ein solidarischeres, sozialeres Mainz: „Auch in Mainz gibt es linke Wähler, und die werden momentan einfach nicht bedient“, begründete Malcherek seine Kandidatur. In Mainz habe es in den vergangenen Jahren „in vielen wichtigen Bereichen Stillstand gegeben“, die „großen Probleme“ hätten die bislang Handelndenden „nicht in den Griff bekommen.“ Mit seiner Kandidatur wolle er die Mainzer dazu aufrufen, „einen Denkzettel zu verteilen, dass es nicht weiter so geht.“
Als Hauptproblemfelder nannte Malcherek die Themen Wohnen, Verkehr, Stärkung des ÖPNV und die Förderung der (Sub-)Kultur in Mainz. „Wohnraum ist das drängendste Problem in Mainz“, betonte Malcherek, und genau hierbei „haben die handelnden Akteure versagt“, kritisierte er. Inzwischen würden die Menschen schon aus der Innenstadt in die Stadtteil verdrängt, und selbst da werde der Wohnraum immer teurer. „Die Stadt muss komplett auf Verkauf von Grundstücken verzichten“, forderte Malcherek, „im Prinzip darf es für Wohnen gar keinen Markt geben.“ Stattdessen müsse die Kommune selbst mehr Wohnraum schaffen, und zwar Sozialwohnungen, die dürften aus der Preisbindung gar nicht mehr entlassen werden.
„Man darf nicht davor zurückschrecken, Investitionen zu tätigen“, sagte Malcherek. Grundstücksverkauf sorge nur dafür, „das Tafelsilber zu verscherbeln“ – den Gewinn machten damit aber nur die Investoren. Die Spielräume der Stadt seien „noch lange nciht ausgeschöpft“, sagte Malcherek, es müsse auch nach unkonventionellen Wegen gesucht werden. „In Preston, England, hat man Wohnungen gebaut mit den Pensionsrücklagen der eigenen Mitarbeiter“, nannte Malcherek ein Beispiel. Auch Enteignungen seien ein gangbarer Weg dort, wo es längeren Leerstand gebe. „Für uns ist das Eigentum keine heilige Kuh, sondern dient den Menschen“, betonte er.
Auch eine andere „heilige Kuh“ will die Linke schlachten: „Wir sind nicht der Meinung, dass die ‚Schwarze Null‘ als Glaubenssatz noch weiter Geltung haben kann“, sagte Malcherek, gerade angesichts der derzeitigen Niedrigzinspolitik seien Investitionen möglich. „Wer den Zustand der Mainzer Straßen und Schulen kennt, weiß, wir müssen hier in die Tasche greifen“, betonte er – das ökonomische Vorbild dabei sei niemand anderes als der singende Dachdeckermeister Ernst Neger: Der habe einst gesungen, „Bei uns wird das Geld nicht schimmelig“, sagte Malcherek: „Wir müssen Investitionen tätigen, um eine Stadt für alle zu schaffen.“
Dazu gehören für den Linken vor allem auch Investitionen in den Radverkehr und eine besseren Öffentlichen Nahverkehr. Die Taktung und die Streckenverbindungen müssten verbessert, der ÖPNV billiger werden, forderte Malcherek: „Langfristig sollte der ÖPNV ganz ticketfrei sein, das 365-Euro-Ticket stellen wir uns als Übergangszeit vor.“ Das Angebot müsse so attraktiv sein, dass die Leute auf den ÖPNV umstiegen. Das Ziel sei „eine autofreie Stadt, in dem wir den Autoverkehr überflüssig machen“, betonte Malcherek: „Autos machen uns die Stadt kaputt.“ Wenn SUVs parkten, bräuchten sie „einen Platz, den mancher für sein Kinderzimmer nicht hat“, schimpfte er.
Parkplätze sollten zu Grünanlagen werden, eine Spur der Kaiserstraße zum Radweg. „Dafür muss man Leuten auf die Füße treten, und da haben die anderen Kandidaten Angst vor“, betonte er. Gegen den Bau einer weiteren Rheinbrücke sperre er sich grundsätzlich nicht, sagte Malcherek zudem, das sei immer eine Frage der Analyse: „Ist das notwendig, ist das sinnvoll, wem nützt es?“
Dasselbe gelte für Investitionsprojekte wie etwa die Ludwigsstraße in Mainz, auch ein Einkaufszentrum dort müsse sich am Bedarf orientieren. „Wir brauchen wahrscheinlich in Mainz keine neue Mall“, sagte Malcherek, wichtiger sei, die Aufenthaltsqualität zu verbessern. „Wir müssen mit dem Raum in der Stadt anders umgehen“, betonte er, „wegkommen von einer Bauweise, die zu einer weiteren Erwärmung führt.“ Wenn bedarf für weitere Einkaufsmöglichkeiten da sei, „muss man die einrichten“, sagte Malcherek, „ein Mall, die die Stadt weiter aufheizt, halten wir für Quatsch.“
Und schließlich will sich der Linken-Kandidat für die Stärkung des kulturellen Angebots einsetzen: „Wir haben hier eine aktive und spannende Szene, die aber nicht in ausreichendem Maße gefördert wird“, sagte Malcherek. Ein Forum für nicht-kommerzielle Kultur gebe es bis heute nicht, ihm schwebe ein Angebot vor, wo Bands auftreten und Künstler ausstellen können. „Wir brauchen mehr Engagement für Ateliers, Proberäume, Ausstellungs- und Aufführungsorte“, sagte Malcherek, der selbst in mehreren Bands spielt und Punk-Musik macht. „Mainz rocken – das ist meine Mission“, betont er in seinem Programm.
Er wolle als Linker „eine solidarische Stadt schaffen“, dazu gehöre auch, „dass die Mitarbeit bei der Stadt gewertschätzt werden muss“, sagte der 46-Jährige weiter: Die Arbeitsbedingungen müssten verbessert, Erzieherinnen besser bezahlt werden. Als Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpuntk Arbeitsrecht „glaube ich, ich bin gut gerüstet, diese Tätigkeit als OB auszufüllen.“ Und auf die Frage, ob sein Programm nicht doch auch sehr dem der anderen Kandidaten ähnele, sagte Malcherek noch: „Wenn wir etwas ändern wollen, ist das glaubwürdig. Wenn die anderen etwas ändern wollen, müssen sie mal sagen, warum sie das nicht längst getan haben.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Person Martin Malcherek und seinen politischen Positionen lest Ihr in diesem Artikel zur Bundestagswahl 2017. Mehr zum Programm der Linken bei der Kommunalwahl im Mai 2019 lest Ihr hier bei Mainz&. Die Homepage von Martin Malcherek im OB-Wahlkampf findet Ihr hier im Internet. Zur OB-Wahl 2019 haben wir im Übrigen eine eigene Kategorie auf Mainz& erstellt: Unter „OB-Wahl Mainz 2019“ findet Ihr alle Berichte zu allen OB-Kandidaten, Porträts, Programme und viele Zusatznachrichten. Und ja, wir wissen, dass es auch einen fünften Kandidaten gibt – nur: Der Kandidat der „Partei“ antwortete auf unsere Anfrage, er werde sich „irgendwann“ bei uns melden. Nun, wir werden dann „irgendwann“ auch über Martin Erhardt berichten.