Nun also doch nicht: Das politische Jugendkulturfestival in Mainz, das Open Ohr, wird in diesem Jahr nun doch nicht als Präsenzfestival stattfinden. Angesichts der erneut rasant steigenden Corona-Infektionszahlen sagte die Freie Projektgruppe eine Festival in Präsenzform auf der Mainzer Zitadelle ab. Ausfallen soll das traditionsreiche Pfingst-Event trotzdem nicht: Man wolle trotz Pandemie „Diskurs, Bewegung, Freude und Erkenntnisse anstoßen“ und Kunst und Kultur eine Bühne zurückgeben – das Open Ohr soll deshalb als Livestream-Festival in die Wohnzimmer kommen, passend zum diesjährigen Thema: Familienbande.
Noch im Januar hatten die Macher des einzigen politischen Jugendkulturfestivals der Republik frohgemut verkündet: das Open Ohr Festival werde auch 2021 stattfinden, und zwar als Hybrid-Festival vom 21. bis zum 24. Mai 2021. Mit Zuschauern und in Präsenz wollte man an Pfingsten auf der Mainzer Zitadelle feiern, diskutieren und Musik genießen – doch daraus wird in dieser Form zumindest nun nichts: „Die Infektionszahlen sind in letzter Zeit aber wieder so sehr gestiegen“, sagte Projektgruppenmitglied Konrad Herfurth, „dass wir es nicht verantworten können, ein Festival mit Besuchern auf dem Gelände stattfinden zu lassen, so sehr wir es uns auch wünschen.“
Die vergangenen Wochen seien für die Freie Projektgruppe des 47. Open Ohr Festivals „ein ständiges Auf und Ab“ gewesen, berichtete Herfurth weiter: „Konzepte wurden geschmiedet, Ideen wieder verworfen, hoffnungsfrohe Ausblicke auf das Open Ohr 2021 immer und immer wieder mit der pandemischen Realität und all ihren Unsicherheiten konfrontiert.“ Nun ließ die anrollende dritte Corona-Welle, den Planern keine Chance: Die Pläne für ein Hybrid-Festival mussten wieder verworfen werden, „schweren Herzens“, betont die Projektgruppe: „Ein fröhliches Zusammenkommen mit der ganzen OPEN OHR-Familie auf der Zitadelle ist zu Pfingsten 2021 nicht möglich. Und das nun das zweite Jahr in Folge – das tut unglaublich weh!“
Doch ganz ausfallen soll das Open Ohr 2021 dennoch nicht – das Festival wandert, wie so viele Kulturevents, in die digitale Welt des Livestreams. Man wolle die Open Ohr Familie „nach dieser langen Zeit mit Kulturlockdown und Kontaktbeschränkungen endlich wieder zusammenbringen“, heißt es weiter: „Wir wollen zusammen mit allen Freunden des Festivals einen Diskurs, Bewegung, Freude und Erkenntnisse anstoßen“, sagte Projektgruppenmitglied Laura Acksteiner – und man wolle unbedingt der Kunst und Kultur eine Bühne zurückgeben.
„Deshalb haben sich die Projektgruppenmitglieder entschieden: 2021 kommt das Open Ohr in den Kreis der Familie!“ Familienbande sind nämlich das diesjährige Festivalthema, unter dem Motto „Lasst uns bunte Banden bilden“ will das Festival näher beleuchten, wer oder was Familie eigentlich ist und wie sich gesellschaftliche Vorstellungen und Bilder von Familie gewandelt haben. „Familie prägt und begleitet uns mehr oder weniger unser gesamtes Leben lang“, heißt es im Thesenpapier zum Thema: „In Familien werden wir hineingeboren, adoptiert, aufgenommen, sie kann Halt geben oder auch eine Last sein.“ Und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sei die Familie wieder stärker in den gesellschaftlichen Fokus gerückt.
An Pfingsten soll sich deshalb nun zwei Tage lang im Livestream von der Zitadelle alles um dieses Thema drehen, und zwar wie gewohnt in Wort, Musik und allerlei anderen Kunstformen. Thematisch eröffnet wird das Festival mit dem Podium „Bunte Banden ‒ Familienbilder im Wandel“, das Podium werde sich mit der Frage beschäftigen, was Familie eigentlich ausmacht, wie durch Bilder von Familie diskriminiert wird und welche Familienmodelle es neben Vater-Mutter-Kind noch gibt. Geschlechter(un)gerechtigkeiten und Kontroversen dazu, wie Zuschreibungen im Zusammenhang mit Geschlecht Gesellschaft und Familienleben prägen, sollen im Podium „Carearbeit und Doing Gender“ thematisiert werden.
Wenn es um Familie gehe, dürften die Kinder natürlich nicht vergessen werden, so die Projektgruppe weiter, das diesjährige Jugendpodium thematisiert deshalb unter dem Motto „‚Ich will aber!‛ ‒ Kinder- und Jugendrechte in Deutschland“ in der Familie und will gemeinsam mit den Zuschauern Forderungen an die Politik formulieren. Zu guter Letzt werde man im Podium „Halt dich da raus! Oder lieber nicht?“ die Einmischung des Staates und der Gesellschaft in die Familie thematisieren und die Frage stellen, wann diese Einmischung notwendig ist, wann sie aber auch zu viel und unerwünscht sei.
Über eine Kommentarfunktion erhalten die Zuschauer die Möglichkeit, sich live am Programm zu beteiligen. Fragen, Diskussionsbeiträge, Kritik und Lob werden von der Moderation aufgegriffen und direkt an die Podiumsteilnehmer, Workshop-Leitungen und Künstler weitergeleitet. Über den Livestream hinaus sollen außerdem Workshops, ein Kinderprogramm und Theater über zum Teil interaktive Videokonferenzen und -formate angeboten werden.
Doch auf dem digitalen Festival soll nicht nur diskutiert werden, zu sehen und zu hören werden unter anderem Sam Vance Law, das WishmobTheater, Fee Badenius & Stefan Ebert, Mariama, Teresa Reichl, Vincent Doddema/Staatstheater Mainz und Stereo Naked sein – für Einzelheiten zu den Künstlern konsultiert Ihr bitte die Festivalseite des Open Ohr hier im Internet. Das nicht-kommerzielle Festival bangt in diesem Jahr natürlich ganz besonders um seine Refinanzierung. „1.000 bis 1.500 verkaufte Tickets würden uns enorm helfen“, sagte Laura Acksteiner: „Wir zählen auf die unerschütterliche Unterstützung der OPEN OHR-Fans.“ Dafür werde man auch „alles geben, um den Zuschauern das Open Ohr-Erlebnis nach Hause zu bringen: mit einem abwechslungsreichen Programm, spannenden Diskussionsrunden und mit Möglichkeiten für alle, sich zu beteiligen!“
Die Zuschauer erwerben ein Ticket und erhalten damit Zugang zum gesamten Streaming-Programm an beiden Festivaltagen. Und damit sowohl Menschen mit geringerem Einkommen am Festival teilnehmen können, aber auch Menschen mit mehr finanziellen Möglichkeiten die Option erhalten, das Festival solidarisch zu unterstützen, hat sich die Freie Projektgruppe gleich eine ganze Variante neuer Ticketmodelle ausgedacht: Das Einzelkind-Ticket für 15 Euro ist schlicht das Basis-Ticket für alle Einzelpersonen, „auch gemeinsame Watch-Partys können aus lauter solidarischen Einzelkindern bestehen“, heißt es weiter.
Für Familiengemeinschaften gibt es das „Banden-Ticket“ ab zwei Personen für 25 Euro: „Wenn die bunten Familienbanden schon nicht auf die Zitadelle kommen können, sollen sie wenigstens zusammen vor den Bildschirmen vereint sein“, schriebt die Projektgruppe, das Ticket sei für Gruppen ab zwei Personen mit kleinem Geldbeutel gedacht. Doch es gebe dann ja auch noch die, „die es einfach haben“ – sie können mit dem „Mein Haus, Mein Auto, Mein Ticket“ Soli-Ticket für 35 Euro teilnehmen und das Festival unterstützen. Und schließlich gibt es ebenfalls für 15 Euro noch das „Noch Platz Am Tisch-Ticket“: „Familie bedeutet auch, denjenigen einen Platz am Familientisch anzubieten, die weniger haben.“, heißt es weiter. Deshalb sei dieses Ticket für alle die gedacht, die anderen, unbekannten Menschen ein Ticket schenken möchten.
Info& auf Mainz&: Das 47. Open Ohr-Festival findet nun vom Samstag, den 22. Mai 2021, 15.45 Uhr bis Sonntag, den 23. Mai 2021, 22.00 Uhr statt. Tickets können über den Ticketanbieter AD Ticket erworben werden, der Vorverkauf soll voraussichtlich Ende April oder Anfang Mai starten – Infos dazu werden auf der Internetseite des Festivals hier im Internet bekanntgegeben. Auf der Internetseite findet Ihr auch das ausführliche Thesenpapier sowie weitere Infos zum Programm – unseren Vorbericht vom Januar zum Thema Familie könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.