Die Reaktionen auf die Kandidatur des parteilosen Nino Haase als OB-Kandidat für die Mainzer CDU fallen erwartungsgemäß kontrovers aus. Während die einen darin eine ausgebrannte CDU sahen, sprachen andere von einem mutigen oder interessanten Schritt. Auffällig war: Die Ampel-Fraktionen im Stadtrat hielten sich großflächig zurück, die FDP meldete sich etwa gar nicht zu Wort. Man nehme Haases Kandidatur „zur Kenntnis“ und stelle sich gerne „dem demokratischen Wettbewerb mit Herrn Haase und den zu erwartenden weiteren Bewerbern“, sagte der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher. Die SPD hat bisher ebensowenig ihren Kandidaten offiziell nominiert wie die Mainzer Grünen. Unterstützung erfährt Haases OB-Kandidatur derweil schon mal von den Freien Wählern, auch seine eigene Bürgerinitiative Gutenberg Museum äußerte sich begeistert.
Der amtierende Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hat bereits parteiintern angekündigt, bei der OB-Wahl am 28. Oktober wieder antreten zu wollen, seine offizielle Nominierung soll aber erst nach der Kommunalwahl am 26. Mai erfolgen. „Unser Hauptaugenmerk liegt in den kommenden Wochen und Monaten allerdings ganz eindeutig auf den Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai“, sagte der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher auf Mainz&-Anfrage. Die SPD wolle „unsere Position als DIE führende politische Kraft im Mainzer Stadtrat und in den Stadtteilen bestätigen und weiter ausbauen.“ Ansonsten freue man sich auf den demokratischen Wettbewerb bei der OB-Wahl gegen alle dann antretenden Kandidaten und freue sich „auf einen fairen und sachlichen Wahlkampf.“
Deutlicher fiel die Kritik dagegen bei der Grünen-Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner aus: „Mit der Aufstellung eines parteilosen Kandidaten für die OB-Wahl zeigt die Mainzer CDU, dass sie entweder total zerstritten ist und niemand aus den eigenen Reihen eine Mehrheit hinter sich hat oder dass sie nicht daran glaubt, die Wahl gegen Ebling gewinnen zu können“, schrieb Rößner auf Twitter. Rößner ist seit Kurzem wieder Mitglied der Stadtratsfraktion der Grünen, über die 52-Jährige wird spekuliert, sie könne selbst als Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt antreten. Auch die Grünen wollen ihren Kandidaten (oder Kandidatin) erst nach der Kommunalwahl nominieren.
Der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner konterte Rößners Tweet postwendend mit dem Gegentweet: „Wie sagte schon Konrad Adenauer: ‚Das wichtigste aber ist der Mut.'“ Er sei stolz auf seine CDU und auf Nino Haase. In den vergangenen Wochen und Monaten sei viel gegenseitiger Respekt und Vertrauen gewachsen, „daraus kann Gutes werden für Mainz“, betonte Schreiner.
Die CDU hatte am Montag Haase als ihren Kandidaten für die OB-Wahl am 28. Oktober präsentiert,. obwohl Haase kein CDU-Mitglied ist und explizit als Unabhängiger ins Rennen gehen will. Haase solle ein Bürgerkandidat wirken und ein Zeichen gegen den Mainzer Parteienfilz setzen, man wolle eine Allianz auch mit anderen Parteien schmieden, sagte die CDU-Chefin Sabine Flegel. Unterstützung dafür kam umgehend von den Freien Wählern: „Die Freien Wähler unterstützen die Kandidatur von Nino Haase voll und ganz“, kündigten Gregor Knapp und Erwin Stufler, Spitzenkandidaten der Freien Wähler für den Stadtrat an. Haase sei „jung, engagiert, unabhängig im Denken und bürgernah“, er vereine damit die Leitgedanken der Freien Wähler in Person.
„Mainz braucht einen Oberbürgermeister, dem kein Parteistaub anhaftet“, betonten Knapp und Stufler weiter. Der Erfolg der Bürgerinitiative unter anderem beim Bibelturm zeige: „Die Mainzer wollen einen Wechsel in der politischen Kultur, sie wollen eine moderne Stadtspitze.“ Haase habe deswegen gute Chancen, „er kann frischen Wind in die Rathausflure bringen und lässt sich nicht von irgendeiner Fraktionsdisziplin an die Kandare nehmen“, betonte Kurt Mehler, Stadtratsmitglied der Freien Wähler zudem. Parteilose OB-Kandidaten seien längst ein bundesweiter Trend.
Die Unterstützung der Freien Wähler kommt wenig überraschend: Haase ist Sprecher der Bürgerinitiative Gutenberg Museum, mit Gregor Knapp kürten die FW ein weiteres Mitglied der BI zu ihrem Spitzenkandidaten. Die BI erzwang bekanntlich mit der Sammlung von rund 13.500 Unterschriften den Bürgerentscheid zum Bibelturm am Gutenberg-Museum, bei dem 77,3 Prozent der Mainzer den Erweiterungsbau am Dom deutlich ablehnten. Das Votum wurde auch als Misstrauensvotum gegen die amtierende Stadtpolitik gewertet. Mainz müsse mehr auf seine Bürger hören, lautete der Tenor.
Der Begründer der BI, Thomas Mann, kandidiert derweil für die ÖDP für den Ortsbeirat in Weisenau. Die BI werde die Kandidatur Haases „mit allen Kräften unterstützen“, teilte Mann denn auch mit: „Mit Nino Haase haben die Mainzer endlich einen OB-Kandidaten, der frischen Wind in das Rathaus bringen wird. Bürgerschaftliches Engagement bekommt jetzt den Stellenwert, der von uns seit langem gefordert wird“, sagte Mann. Haase wolle auch die Ortsbeiräte sowie die Bürgerinitiativen stärker einbinden, er begreife „den Bürgerwillen nicht als Störung seines Handelns.“ Ebling hingegen habe auch nach der Bibelturm-Abstimmung das Verhältnis zu den Bürgern nicht korrigiert.
Die entscheidende Frage aber wird natürlich sein: Wie sehen die Mainzer die Kandidatur des gerade 35 Jahre jungen Chemikers Haase? „Ich glaube, ich bewerbe mich auch – Erfahrung oder Qualifikation für ein solches Amt muss man wohl nicht viel mitbringen“, schrieb ein Mainz&-Leser auf Facebook. Andere hingegen sprachen von einem guten oder interessanten Vorschlag – es wird in jedem Fall ein spannendes Jahr in Mainz.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Vorschlag von Nino Haase durch die Mainzer CDU und den ausführlichen Begründungen dazu findet Ihr hier bei Mainz&.