Was Terror und Frauen-Übergriffe von Köln nicht geschafft haben, hat nun das Wetter hinbekommen: Der Mainzer Rosenmontagszug ist abgesagt. Es ist unfassbar – noch nie wurde ein Fastnachtsumzug in Mainz wegen einer Wetterlage abgesagt. Die bisher einzige Absage gab es 1991 – wegen des Golfkriegs. Entsprechend groß war die Enttäuschung beim MCV: „Das hätte ich nie gedacht“, sagte Kay-Uwe Schreiber von der Zugleitung mit kalkweißem Gesicht. „Es tut mir in der Seele weh“, sagte MCV-Präsident Richard Wagner: „Aber wir haben entschieden, dass wir den Rosenmontagszug unter diesen Bedingungen auf keinen Fall stattfinden lassen können.“

Und die Schwellkopp-Parade - Foto: gik
Keine Schwellkopp-Parade, kein Umzug: Rosenmontagszug in Mainz 2016 abgesagt – Foto: gik

Diese Bedingungen – das ist eine massive Sturmwarnung der Wetterdienste. Am Montag werde eine Kaltfront von Nordwesten hereinziehen, die Sturmböen mit Orkanstärke mit sich bringe, angesagt ist Windstärke 8 bis 10. Windstärke 8 – das ist genau die Schwelle, ab der in der Sicherheitskonzepten steht: Alles abbauen. „Nach Windstärke 8 zwingend vorgeschrieben: kein Pferd, keine Tribüne, kein Dixieklo mehr“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) – „und angesagt ist Stärke 10.“

Absage eines Rosenmontagszuges nur 1991 wegen Golfkrieg

Und so trafen die Verantwortlichen von Stadt und MCV eine einmalige Entscheidung in der Geschichte des Rosenmontagszuges: Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde noch nie ein Rosenmontagszug wegen schlechten Wetters abgesagt. 1991, als kurz vor Fastnacht der Golfkrieg begann, und die Amerikaner im Irak Bomben abwarfen, trafen die Mainzer die Entscheidung, den Zug abzusagen – es war das erste und einzige Mal.

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Seither schien man das auch immer bedauert zu haben: Es gebe ständig auf der Welt Krieg, wenn man bei jedem den Zug absagen würde, man käme ja zu nichts mehr, hieß es seither. Als 1988 ein Kind während des Rosenmontagszuges von einem Wagen überfahren wurde, war das schlimm – eine Absage rechtfertigte das nicht. Auch was das Wetter anging, zeigten sich die Narren sattelfest: Schneestürme, Regen, Glatteis – der Zug rollte.

Der Rosenmontagszug 2014. In kleiner und auch fein gibt es das ganze bei den Straßenfastnachten der Ortsteile. - Foto: gik
Ob Konfettiregen oder andere Stürme – bisher rollte der Rosenmontagszug in Mainz stets – Foto: gik

„1990 wurde in Düsseldorf der Zug wegen Sturms abgesagt, da sind wir gefahren“, erinnerte sich MCV-Zugleiter Kay-Uwe Schreiber am Sonntagabend, „da waren wir im Eiltempo durch die Augustinerstraße.“ Und einmal, so erzählte es Ebling, sei ein Rosenmontagszug wegen des schlechten Wetters am Ende stark ausgedünnt gewesen – die Teilnehmer flohen vor dem Unwetter in Turnhallen und feste Gebäude.

Aber Absagen?

„Um 17.00 Uhr dachte ich noch, wir ziehen das durch“

„Um 17.00 Uhr habe ich noch gedacht, wir ziehen das durch“, sagte der Mainzer Polizeichef Achim Zahn Mainz&. Das ganze Wochenende über hatten MCV, Polizei, Feuerwehr und Stadt die Wetterberichte verfolgt, doch stets hieß es, Nein, eine Absage sei kein Thema. „Gestern ging es noch darum, nehmen wir was raus oder fangen wir später an?“, berichtete ein Organisator Mainz&. Keine Schwellköppe und Fahnenträger, ein Zug ohne Pferde, oder auch eine Verschiebung nach hinten – sogar ein Nachtumzug wurde diskutiert. Das wär‘ doch mal was gewesen 😉

Fahnenmeer auf der LU - Foto: gik
Rosenmontag ohne Motivwagen, Pferde, Fahnen – was bleibt dann noch? – Foto: gik

Das Problem: „Wenn Du Pferde, Wagen und all das rausnimmst – was bleibt denn dann noch?“, fragten sich die MCV-Verantwortlichen. Dazu kam: Bei Windstärke acht müssen die Tribünen geräumt werden, es dürfen keine Essensstände mehr auf sein, die Fahrgeschäfte müssen schließen. „Und wir bauen aktuell schon die Dixie-Toiletten ab“, sagte MCV-Sprecher Michael Bonewitz – die Plastik-Toilettenhäuschen dürfen ab Windstärke 8 nicht mehr betrieben werden.

Sonntag, 18.30 Uhr: Fallwinde und ganztägiger Sturm

Am Sonntag dann trat ein Krisenstab zusammen, um 18.30 Uhr gab es noch einmal ein Wetterupdate, eine Simulation des Sturms. „Wir gehen davon aus, dass schon am Vormittag mit Windstärken 7 bis 8 zu rechnen ist“, berichtete der stellvertretende Mainzer Feuerwehrleiter Björn Patzke. Das Schlimme aber: Von einer Entspannung um die Mittagszeit, von der ursprünglich mal die Rede war, nun keine Spur mehr. „Zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr wird es sich weiter ausbreiten, im Laufe des Nachmittags wird mit Wind von 75 bis 80 Kilometer pro Stunde gerechnet.“

Zugaufstellung Mainzer Neustadt 2010
Zugaufstellung in der Mainzer Neustadt: Alles voll mit Bäumen… – Foto: gik

„Wenn es dann im Laufe des Nachmittags zu Schauern kommen sollte, kann es zu Böen bis Windstärke 10 kommen“, berichtete Patzke. Es seien unberechenbare Fallwinde angesagt, am Nachmittag zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr werde mit dem größten Risiko gerechnet. Also genau dann, wenn der Zug auf dem Höhepunkt ist – und wenn die meisten Menschen in Mainz sind. Bis zu 500.000 Menschen kommen in der Regel nach Mainz, um den Umzug zu bestaunen – das Risiko war dem MCV letztlich zu hoch.

Angst vor Astbruch und umherfliegenden Gegenständen

„Wenn nur ein Ziegel runterfällt, dann möchte ich nicht dabei sein“, betonte Wagner. Es sei zu befürchten, dass während des Zuges Gegenstände in die Menge fallen könnten. Und es gehe ja auch nicht nur um den Zug selbst – auch die An- und Abfahrt müsse sicher sein. Dazu kommt die stundenlange Aufstellung der Zugteilnehmer in der Mainzer Neustadt, ein großer Teil des Zuges steht da in der Goethestraße – unter Bäumen. Es sei mit Astbruch zu rechnen, warnten die Wetterdienste. „Da marschieren auch viele Kinder mit“, sagte Wagner, „wer möchte da die Verantwortung übernehmen?“

Und so entschieden sich MCV und Stadt, nicht bis zur letzten Sekunde zu warten und das Chaos einer kurzfristigen Absage am Rosenmontagfrüh zu vermeiden. „Nur eine sichere Veranstaltung ist eine schöne Veranstaltung“, betonte Schreiber, „wir bedauern es sehr, diese Entscheidung treffen zu müssen. Aber nach Abwägung aller Informationen war es angezeigt, eine solche Entscheidung treffen zu müssen.“

Rosenmondnacht und der Dom - Helau! - Foto: gik
Die Rosenmondnachtsparty soll eventuell trotzdem stattfinden – wenn sich der Wind gelegt hat – Foto: gik

„Das ist nicht das Ende der Fastnacht“

OB Ebling, der im Komitteeterfrack zur Pressekonferenz erschienen war, brachte es auf den Punkt: „Das ist Mist. Das ist schade und mehr als schade.“ Aber betonte Ebling auch: „Es ist nicht die Fastnacht abgesagt, das ist nicht das Ende der Fröhlichkeit in Mainz. Mainz geht deshalb nicht unter.“

Denn gefeiert werden soll nun nämlich trotzdem – einfach in den Kneipen und Sälen der Stadt. Die Rosenmondnacht, die große Freiluftparty nach dem Rosenmontagszug, könne möglicherweise stattfinden – sofern sich bis dahin der Wind gelegt habe. Ob die Open-Air-Party durchgeführt wird, wollen die Verantwortlichen morgen kurzfristig entscheiden. „Wir möchten das“, betonte Rainer Steppich, „die Mainzer Narren sind hart im Nehmen.“

Polizei am Montag präsent, Rückzugsräume für Frauen offen

Die Polizei, betonte Zahn unterdessen, werde trotzdem präsent sein und für Sicherheit sorgen: „Die Leute sind ja trotzdem in der Stadt.“ Auch die Rückzugsräume für die Frauen, eingerichtet in öffentlichen Gebäuden entlang der Zugstrecke, wird es weiter geben. „Aber wir müssen heute Nacht noch umstrukturieren“, stöhnte Zahn, und betonte, er sei „mega-enttäuscht.“ Die Vorbereitungen auf die Kampagne seien so intensiv gewesen wie nie, „wir sind da über die Belastungsgrenze gegangen“, sagte Zahn, „und jetzt war das alles für die Katz‘.“

Die Pegida-Hexe reitet auf dem braunen Mob - Foto: gik
Wird nicht durch die Straßen rollen: Pegida-Hexe auf dem braunen Mob – Foto: gik

Die ganze, kurze Kampagne sei enorm angespannt gewesen, sagte auch Schreiber: Terrorgefahr, die Sicherheitslage, „da wurde nichts ausgelassen.“ Und alle Fastnachter hätten sich „an den Strohhalm Rosenmontag geklammert, und jetzt mit diesem Ende…“ Es sei doch „eigentlich eine Farce“, sinnierte auch Claus Augenbacher, Sprecher der Zugleitung: „Da machen wir uns wegen Terrorgefahr Gedanken und dann wegen der Frauen in Köln – und jetzt kommt ein Wetterereignis…“

Wird der Zug nachgeholt? Möglich…

Bleibt noch die Frage: Wird der Zug nachgeholt? Die Düsseldorfer Narren taten das nach ihrer Absage 1990 – und feierten an Pfingsten einen rauschenden Karneval. Einen Nachholtermin wollten die Mainzer Verantwortlichen am Sonntag ausdrücklich nicht ausschließen. „Wir werden das prüfen“, sagte Ebling. Nur an Fastnachtsdienstag, da werde das nicht gehen: Der Zug werde von Tausenden Ehrenamtlichen getragen, die seien nicht einfach so an einem anderen Tag zu organisieren. Dazu komme die Wettervorhersage für Dienstag, sagte Ebling: „Es soll in Kübeln schütten.“

Wir hätten da ja einen Vorschlag: Im Rahmen des Jubiläums 200 Jahre Rheinhessen gibt es ja am 8. Juli den Festakt in Mainz – da wäre doch drum herum so ein Umzug richtig schee….

Und wir haben da ganz aktuell noch ein Foto für Euch: So reagierte eine Userin auf Facebook auf die Absage-Meldung von Mainz&:

Reaktion Userin Facebook Absage Rosenmontagszug

Info& auf Mainz&: Wegen der Absage des Rosenmontagszuges ändern die Mainzer Verkehrsbetriebe ihren Fahrplan – es gilt morgen der reguläre Sonntagsfahrplan ohne durchgehenden Nachtverkehr, jedoch mit den Umleitungen wegen Sperrung der Ludwigsstraße. Weil dieFahrplanauskunftssysteme so kurzfristig nicht angepasst werden können, gebt in Euren Apps zur Verbindungsauskunft (bspw. des RMV, RNN und der DB) bitte als Datum den 14. Februar 2016 ein, sagt die MVG. Die Fahrtzeiten stimmen mit dem morgigen Tag überein. Den regulären Sonntagsfahrplan könnt Ihr auch auf der MVG Homepage unter Routen & Fahrpläne einsehen. Die Homepage der MVG findet Ihr hier.

 

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