Wenn Ihr heute Abend auf der Kaiserstraße einen Hörnerzug mit 70 Gewandeten vor der Christuskirche stehen seht – nun, dann willkommen an der Schwelle zur frühen Neuzeit. Die Gewandeten verkörpern nämlich das frühe 16. Jahrhundert, die Zeit Luthers und der Reformation. Und genau zu diesem Thema wird am Mittwochabend eine große Ausstellung im Landesmuseum eröffnet: „Ritter! Tod! Teufel?“ widmet sich dem ungewöhnlichen Thema von Rittertum und Reformation am Beispiel des Franz von Sickingen.
Sickingen galt in vielerlei Hinsicht als „der letzte Ritter“, der 1482 auf der Ebernburg bei Bad Münster am Stein an der Nahe geborene Recke galt als kühn und unbeugsam. Tatsächlich war Sickingen ein Unternehmer in Sachen Fehden: Trotz des seit 1495 geltenden „Ewigen Landfriedens“, der die Auseinandersetzungen zwischen den Reichsrittern unterbinden sollte, führte Sickingen munter Fehde um Fehde: Gegen die Reichsstadt Worms, gegen Lothringen, Metz die Reichsstadt Frankfurt und die Landgrafschaft Hessen.
Fehden zur Machterweiterung, wechselnde Seiten
Sickingen benutzte die Fehden zur Machterweiterung und zur Beschaffung von Geld und Gütern, der Mann wurde reich dadurch – und er wechselte die Seiten, wie es gerade opportun war, berichtet Wolfgang Breul, Professor für Kirchengeschichte an der Uni Mainz und Mit-Ausrichter der Ausstellung. Von Sickingen focht erst für Kaiser Maximilian I., wurde aber von diesem 1515 im Zuge der Fehde Sickingens gegen Worms geächtet.
Sickingen trat prompt in die Dienste des französischen Königs Franz I., um sein Überleben zu sichern. Kurz vor seinem Tod zog Maximilian I. den Ritter wieder zurück in sein Lager – dort war Sickingen ungefährlicher. Doch die frühe Neuzeit war die Zeit des Niedergangs des Rittertums, die Kriegstechnik mit Kanonen und Söldnerheeren – den Landsknechten – ging über die stolzen Einzelkämpfer hinweg. Sickingen wurde in dieser Situation zum Stolz des niederen Adels, einer, der ihren Stand verteidigte und ihm noch einmal Größe gab.
Ebernburg als „Herber der Gerechtigkeit“, Zuflucht für Reformatoren
Die Reformation am Beginn des 16. Jahrhunderts wiederum veränderte Gesellschaft und Land so tiefgreifend wie kaum eine Bewegung zuvor. Der Thesenanschlag von Martin Luther an der Kirchentür von Wittemberg löste eine Revolution aus. Sickingen lernte 1519 den Humanisten Ulrich von Hutten kennen, mit dem ihm fortan eine enge Freundschaft verband. Sickingen wurde zum Anhänger der Reformation – und ihr Verteidiger: Luther bot er Schutz auf der Ebernburg an, der Reformator kam zwar nicht, aber andere nahmen den Schutz gerne an.
1521/22 sammelte sich eine ganze Reihe bedeutender Köpfe der Reformation auf Sickingens Ebernburg: Neben von Hutten waren das die Theologen Martin Bucer und Johannes Oekolampad, sie konnten auf der Ebernburg wirken, schreiben und das neue Abendmahl in beiderlei Gestalt feiern. Die Ebernburg erhielt so den Beinamen „Herberge der Gerechtigkeit“ belegt.
Symbolbild der Ausstellung: Dürers „Der Ritter“ mit Tod und Teufel
Die Ausstellung in Mainz zeichnet nun die faszinierende Verbindung zwischen Rittertum und der beginnenden Reformation nach. Zu Beginn erwartet den Besucher gleich ein symbolträchtiges, berühmtes Bild: Albrecht Dürers berühmter Kupferstich „Der Ritter“. Ins Riesige vergrößert verkörpert das Wandbild genau, worum es in der Ausstellung geht: Ein Ritter reitet durch eine finstere Schlucht, flankiert von Tod und Teufel. Ist es ein christlicher Ritter, der unbeirrt von Tod und Teufel seinen Glauben verteidigt? Oder handelt es sich um einen finsteren Raubritter, einen Geisterreiter gar?
Die Gelehrten sind sich nicht einig, doch über Jahrhunderte hinweg wurde in dem Ritter niemand anderes als Franz von Sickingen gesehen – ein „S“ in der Signatur Dürers schien darauf hinzuweisen. Den Kupferstich gibt es natürlich auch im winzigen Original zu sehen, dazu Bilder von Sickingen persönlich, von Götz von Berlichingen, der ihn gegen Worms unterstützte. Sogar eine Nachbildung der legendären eisernen Hand von Berlichingens ist zu sehen – sie stammt aus der Sammlung der Nachfahren des legendären Ritters mit der eisernen Faust.
Ritterrüstungen im Kampf, Originalstiche, Quellen, Bücher
Überhaupt verbindet die Ausstellung auf neue Weise historische Stücke wie Rüstungen, Schwerter und Kanonen mit kulturhistorischen Stücken wie mehreren Stichen Dürers und Gemälden des Malers Lukas Cranach des Älteren. Letzterer fertigte etwa den berühmten Kupferstich, der Luther als Augustinermönch zeigte.
An Rüstungen sind etwa die Originalrüstungen des Landgrafs Philipp von Hessen zu sehen, des erbittertsten Gegners Sickingens, der ihn schließlich auch in die Knie zwang. Aber die Rüstungen stehen nicht nur in Vitrinen: In mehreren Szenen sind Rüstungen zu Kampfsituationen arrangiert, in einem Fall zu einem erbitterten Zweikampf zu Fuß. Da wird Geschichte wahrhaft lebendig, man meint das Scheppern und Schreien förmlich zu hören.
Originalurkunde des Wormser Edikts von 1521
Flankiert wird das von riesigen Blow-Ups zeitgenössischer Stiche, die dem Raum Rahmen und Atmosphäre geben: von Turnieren, vom Reichstag in Worms, auf dem Luther sein berühmtes „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ sprach. Begleitet wird das durch beeindruckende Original-Dokumente und Schriften – auch eine Originalurkunde des Wormser Edikts von 1521 ist dabei, mit dem Luther, seine Anhänger und seine Schriften von Karl V. in Bann und Acht getan wurden. Das sind große Zeugnisse aus der Geschichte unserer Region.
Auch eine Gutenberg-Druckerpresse ist mit in der Ausstellung dabei, denn es war die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern aus Mainz, die Luther erst zu seiner weiten Durchschlagskraft verhalf – und die Reformation zum Medienereignis machte. Zehntausend Flugblätter wurden zwischen 1500 und 1530 gedruckt, weiß Breul zu berichten.
Nachwirkungen: der romantische Ritter, ein Comic und Theaterstücke
Die Gutenberg-Presse ist denn auch die einzige örtliche Verbindung der Ausstellung zu Mainz – Sickingen selbst hatte außer der Ebernburg Burgen in der Pfalz. Auf Burg Nanstein bei Kaiserslautern starb er schließlich auch 1523 bei der Belagerung durch seine Feinde. Die Ausstellung aber zeigt auch das Nachwirken von Sickingens, denn der letzte der großen Ritter wurde im 19. Jahrhundert, in der Romantik, idealisiert und verehrt. Ziemlich kitschig zum Teil 😉
Doch der Ritter und sein Mythos lebten fort – selbst der Sozialist und Vorkämpfer der Republik auf deutschem Boden, Ferdinand Lassalle, schrieb ein schwülstiges Theaterstück über Franz von Sickingen. Und noch immer erscheinen Bücher über den unbeugsamen Reichsritter – zuletzt ein Comic im Jahr 2011. Übrigens hat das Landesmuseum sich dieses Mal auch etwas für die Kinder einfallen lassen: Eine kleine Mitmach-Ausstellung in einem Sonderraum bietet Ritterkostüme zum Verkleiden und zwei kleine Pferde, mit denen man wirklich Turnier spielen kann. Das ist ausbaufähig, aber ein guter Anfang!
Netter noch ist die Ritterschule im Innenhof des Landesmuseums: Wo die bunten Zelte stehen, können die Kinder alles über Rittertum, höfisches Benehmen und den Umgang mit Lanze und Schwert lernen. Feine Sache in der Mainzer Museumsnacht am 30. Mai!
Info& auf Mainz&: Ausstellung „Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation“ im Mainzer Landesmuseum vom 21. Mai bis zum 25. Oktober. Öffnungszeiten: Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Montag zu. Eintritt: Grundpreis 6,- Euro, ermäßigt 5,- Euro. Kinder bis 6 Jahre frei, Kinder über 6 Jahre 3,- Euro. Alle Informationen auf der Homepage des Landesmuseums, hier. Zur Ausstellung gibt es übrigens einen großen Katalog in Buchform, das lohnt sich! Die Ausstellung wird heute Abend, am 20. Mai, von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr eröffnet. Start ist in der Christuskirche, von dort geht’s ins Landesmuseum.