Es war ein ungemütlicher und turbulenter Rosenmontag 2019 in Mainz, Sturm und Regen suchten die Narren beim 68. Mainzer Rosenmontagszug heim. Dabei hatte es zu Beginn noch richtig gut ausgesehen: Die Sonne kam heraus, Petrus schien mit den Narren mitzulachen, alles schien gut – doch das dicke Ende kam hinten raus. Ab etwa 14.00 Uhr brach ein wahres Unwetter über Mainz herein, es schüttete und windete immer wieder – der eisige Regen vertrieb die Narren am Ende in Scharen. Rund 450.000 Zuschauer kamen nach Angaben des Mainzer Carnevals-Vereine (MCV) nach Mainz, um den 117. Mainzer Rosenmontagszug zu sehen – den 68. nach dem Zweiten Weltkrieg. Das waren weniger als die Jahre zuvor, was womöglich am Wetter lag. Wegen der massiven Sturmwarnungen hatten die Verantwortlichen sogar eine Absage prüfen müssen – es kam Gott sei Dank nicht dazu. Mainz& hatte ohnehin einen besonderen Tag: Wir durften auf dem Aktivenwagen des Karneval Clubs Kastel (KCK) mitfahren – hier unsere Reportage.

Gute Stimmung auf dem KCK-Aktivenwagen mit Detlev Schönauer und dem „Deutschen Michel“ Bernhard Knab. – Foto: gik

„Kapp‘ fliegt!“ schallt der Warnruf durch den Wagen. Es ist kurz vor 12.00 Uhr, die Hände fliegen an die Kopfbedeckungen, die bangen Blicke gehen zum Himmel. Dort oben jagt Petrus gerade dunkle Wolken über den Mainzer Himmel, die Frage des Tages: hält das Wetter? Trotz Sturmwarnung entschloss sich der Mainzer Carnevals-Verein (MCV) am Sonntagabend, den großen Mainzer Rosenmontagszug nicht abzusagen. „Richtig“, finden die Aktiven hier beim Karneval Club Kastel (KCK), alle sind gut gerüstet mit warmen Jacken.

„Helau“ schallt es durch die Mainzer Neustadt, am Aufstellungsort in der Goethestraße herrscht reger Betrieb. Man kennt sich, man grüßt sich – die Fastnachter sind eine einzige große Familie. Direkt gegenüber steht der Gonsenheimer Carnevals-Verein, der GCV präsentiert stolz seinen neuen Wagen: Nachdem eine Brandstiftung in Mainz-Bischofsheim den alten Wagen der GCV-Technik vernichtet hatte, erwarben die Gonsenheimer den alten fastnachtswagen der Konfettis. Nun steht das alte Gefährt in neuem Farbenkleid da und strahlt in der Sonne – Ende gut.

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Da wartete die Zugente noch frohgemut auf ihren Einsatz – kurz nach ihrem Start machte sie allerdings wieder schlapp. – Foto: gik

Apropos Ende: Die Zugente steht zu diesem Zeitpunkt noch frohgemut am Eingang zur Boppstraße und wartet auf ihren Einsatz. Der VW-Käfer unter dem Entlein wurde runderneuert – dich Pustekuchen: Nach wenigen Hundert Metern gab das Innere auf, die Zugent(d)e wurde fortan schmerzlich vermisst. Was ein Malheur!

In der Goethestraße sammeln sich derweil die KCK-Aktiven um ein anderes Gefährt: Der Verein hat einen neuen Fastnachtswagen, der Nachthemdenwagen hatte an Fastnachtssamstag beim AKK-Umzug seinen Probelauf, nun steht die Jungfernfahrt bevor. Und eigens dafür ist der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf gekommen – der oberste Mainzer Hirte segnet den neuen Fastnachtswagen. „Herr und Gott, segne diesen Wagen, der den Menschen Freude bringen soll“, betet Kohlgraf inmitten des Trubels, „und beschütze alle vor Unglück und Schaden, die ihn lenken und darauf bei den Fastnachtsumzügen mitfahren.“

Bischof Peter Kohlgraf segnet den KCK-Nachthemdenwagen. – Foto: gik

Und der Bischof findet genau die richtigen Worte für den Anlass: Gerade an einem Tage, wo das Wetter den Narren Kummer bereite, „spüren wir wie gut es ist, um den Segen Gottes zu bitten“, sagt Kohlgraf. Und dann betete er noch den Psalm 91, in dem es heißt: „Der Herr ist Deine Zuflucht, Du hast Dir den Höchsten als Schutz erwählt. Dir begegnet kein Unheil, kein Unglück naht Deinem Zelt.“ Es war ein fast schon prophetischer Spruch. Bischof Kohlgraf hatte sich aber nicht nur für die Segnung des Wagens ins Narrentreiben gestürzt, er fuhr auch auf dem Komiteewagen des KCK mit – und überwachte das bunte Treiben von höchster Warte aus sozusagen.

Sonne strahlt, Narren lachen, da war der Rosenmontagszug noch eine große Party – es freuten sich die Altrheinstromer Andreas Mayer, Uwe Hager und Thomas Wucher. – Foto: gik

„Wir fahren!“ ruft einer auf dem Aktivenwagen – tatsächlich: Es geht los! Vor uns in den Seitentaschen des Wagens liegt tonnenweise Wurfmaterial, Verpflegung ist auch reichlich an Bord. „Wenn’s rollt, winken wir, wenn wir stehen, trinken wir“, erklärt Uwe Hager, einer der drei Altrheinstromer, mit einem Augenzwinkern. Es ist eine gute Regel, denn das Trinken ist tatsächlich nötig: das viele Rufen und Winken macht die Kehle trocken, da ist Flüssigkeit hochwillkommen – und das durchaus auch jenseits des Alkohols. Schon in der Goethestraße donnern die Helaus, der Zug beginnt schon vor dem Zug – hier jubeln die Aktiven der anderen rund 8.600 Teilnehmer einfach sich gegenseitig zu.

Für die Altrheinstromer Uwe, Hager, Thomas Wucher und Andreas Mayer ist es ohnehin ein Festtag. Seit 27 Jahren steht das Gesangstrio schon gemeinsam auf der Fastnachtsbühne, ihr Markenzeichen sind die fantastischen Kostüme und natürlich gute Musik. Bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ waren sie dieses Jahr nicht dabei, macht ihnen das was aus? „Ach was“, sagt Andreas Mayer, „wir hatten so eine sensationelle Kampagne, waren schon 16 Mal im Fernsehen.“ Die Fahrt auf dem Aktivenwagen an Rosenmontag, neben der Bühne ein weiteres Highlight: „Wenn die da unten winken, Deinen Namen rufen, Deine Lieder singen – das ist das Höchste“, sagt Andreas.

Es lacht der Himmel, „Moguntia“ Johannes Bersch grüßt das Narrenvolk. – Foto: gik

Der Wagen rollt, die erste Kurve ist da – und schon hier sind die Straßen voller Menschen. Narren drängen sich, Arme strecken sich uns entgegen, das Helau will nicht enden. Die Süßigkeiten fliegen zick-zack, der Wind kommt in Böen, ein kleiner Ast landet zu unseren Füßen. „Die Sonne kommt raus, ich fass es nicht!“, ruft Andreas. Rund um die Christuskirche ist Narrenzeit pur, die Stimmung am Siedepunkt. Hinter uns die Guggemusik, vor uns rollt Angela Merkel mit dem lahmen GroKo-Gaul – jetzt ist Rosenmontag, Fassenacht in Mainz! „Geil“, sagt Fabian, der 14-Jöhrige ist zum ersten Mal dabei und half in der Kampagne beim Bühnenaufbau mit, „einfach nur geil.“

Das Vergnügen hält bis zum Dom: Ausgerechnet auf der Ludwigsstraße, direkt vor Fernsehkameras und Ehrentribüne, geht ein eisiger Schauer nieder, in Windeseile sind alle nass bis auf die Knochen. „Bäh“, sagt einer, „das hätte ich jetzt nicht gebraucht.“ Schlapp machen gilt nicht, unten stehen die Narren und jubeln uns zu, obwohl der Regen jetzt in dichten Schüben kommt. Die Jacken sind durchnässt, unten fliehen die Narren unter alles, was ein Dach hat – egal. Werfen, Winken, Werfen, Helau rufen. Nach dem Dom fliegen wir durch Rheinallee und die Altstadt-Tangente entlang, der Zug stockt jetzt nicht mehr, alles wird ein Rausch, ein Fliegen, ein Jubeln.

Am Ende trüben dunkle Wolken und viel Regen das Vergnügen – aber ach was: Fastnacht ist nur einmal im Jahr! – Foto: gik

Das Wetter, es wird nicht richtig besser. Dunkle Wolken am Himmel, patschnasse Straßen und Narren unten vor dem Wagen – wie schade. Keine Pferde, keine Fahnen hatte der MCV schon am Vortag aus Sicherheitsgründen beschlossen, am Ende blieben auch die Schwellköppe im Depot. Doch der Zug rollt, die Motivwagen halten Stand, die Narren feiern, trotz allem. „Es war richtig gut“, zog MCV-Sprecher Michael Bonewitz am frühen Nachmittag schon einmal Bilanz, „wir haben die Lage richtig eingeschätzt.“

Nass sei es gewesen, manchmal auch böig, doch es gab weder Unfälle noch große Windprobleme. Eine kurze Schrecksekunde ganz am Anfang, für die der Zug kurz gestoppt wurde, entpuppte sich als flatternde Plane – die Nachricht von einem herabgestürzten Dachziegel sie falsch gewesen, berichtete die Mainzer Polizei hinterher.

Großer Spaß, tolles Erlebnis: Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein durfte die KCK-Aktiven durch den Rosenmontagszug begleiten, hier mit Johannes Bersch. – Foto: gik

So blieb es zumindest während des Zuges vergleichbar ruhig, vielleicht lag auch das am Regen. Ab 15.00 Uhr vertrieben weitere eisige Schauer die Narren zunehmend vom Zugrand, auch die Ehrentribüne am Theater war leer gefegt. „Was für ein Wechselspiel“, seufzt ein KCK-Aktiver, die Nachbarin zuckt nur mit den Schultern: „Typisch Rosenmontag.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum 68. Mainzer Rosenmontagszug lest Ihr hier bei Mainz&, alles zu den Mainzer Motivwagen 2019 könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Ein Video von der Segnung des Nachthemdenwagens durch Bischof Kohlgraf haben wir hier auf unserer Facebookseite gepostet.

 

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