Das macht nur noch fassungslos: Die Lokführergewerkschaft GDL kündigt erneut einen Streik an – und dieses Mal soll der Ausstand fast sechs (!) ganze Tage dauern. Ab dem heutigen Montag geht es um 15.00 Uhr mit dem Güterverkehr los, am Dienstagfrüh um 2.00 Uhr soll der Personenverkehr folgen. Die GDL spricht quasi von Notwehr, die Deutsche Bahn nennt das nur noch „maßlos“. Die GDL will die Bahn offenbar unter allen Umständen zum Abschluss eines Tarifvertrags zwingen und wirft dem Unternehmen vor, wegen des neuen Tarifgesetzes auf Zeit zu spielen. Am Montag will die GDL ihre Gründe in einer Pressekonferenz in Berlin erläutern.

S-Bahn im Mainzer Hauptbahnhof
Sie fährt, sie fährt nicht: S-Bahn im Mainzer Hauptbahnhof – Foto: gik

Wir fragen uns ja inzwischen: Wann laufen der GDL eigentlich ihre Mitglieder, die Lokführer, weg? Bröckelt da nicht langsam etwas? Als Kunde kann man sich ja nur noch fassungslos an den Kopf greifen und fragen: Dürfen die das eigentlich? Die Antwort lautet: Ja – solange ihre Mitglieder das mittragen, was sie ja offenbar immer noch und immer wieder tun. So werden also auch in dieser Woche Bahnkunden auf Bahnsteigen nach Zügen Ausschau halten und hoffen, dass der eine wenigstens fährt…

DB: Streik „unangemessen und maßlos“

„Dieser Streik ist absolut unangemessen und maßlos“, sagt die Deutsche Bahn, und weist darauf hin, dass dies immerhin der achte (!) Streik ist. Die GDL schade damit „nicht nur massiv den Bahnkunden, der DB und ihren Mitarbeitern, sondern auch der deutschen Wirtschaft und der Sozialpartnerschaft.“ In der Tat: Der Streik der GDL ist maßgeblich für die Änderung des Tarifrechts verantwortlich, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Rekordgeschwindigkeit auf den Weg brachte.

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Das neue Tarifeinheitsgesetz soll genau dies tun: die Tarifeinheit in Unternehmen wiederherstellen auch, wenn es mehrere Gewerkschaften gibt. Künftig soll dann nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die zum Zeitpunkt des jüngsten Abschlusses im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Im Fall der Deutschen Bahn ist das eindeutig die Eisenbahnergewerkschaft EVP – und nicht die GDL. Die fürchtet deshalb nicht ganz zu Unrecht ihre Entmachtung – und wirft der Deutschen Bahn vor, das Ergebnis der Verhandlungen mit der GDL bewusst so lange zu verzögern, bis das neue Tarifeinheitsgesetz in Kraft tritt. „Sie wollen uns das Genick brechen“, klagte GDL-Chef Claus Weselsky kürzlich laut Tagesschau.de.

Die S-Bahn schickt zusätzliche und längere Züge nach Mainz - Foto: gik
S-Bahn auf dem Weg nach Mainz – Foto: gik

GDL: Bahn verlangt „Unterwerfung“

Regierung und Politik kontern, es könne nicht sein, dass ein Einzelner das gesamte Land lahm legen könnte – was die GDL ja nun schon seit Monaten regelmäßig tut. Der Bundestag hat bereits im März in erster Lesung über das Gesetz beraten, noch vor dem Sommer sollen die zweite Lesung und die Verabschiedung folgen. Das sind nur noch wenige Wochen. Und die Vertreter der Bahn betonten zwar „unisono, über alles und jeden mit der GDL zu verhandeln, lehnen aber seit Monaten jegliche Festschreibung eindeutiger tariflicher Regelungen
für die Mitglieder der GDL ab“, klagt die Gewerkschaft.

Immer wieder verlange die DB gleichlautende Tarifverträge mit der EVG und „somit die Unterwerfung der GDL unter die Tarifregelungen der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft“, behauptet die GDL. Das aber sei gegen die grundgesetzlich geschützten Rechte der GDL-Mitglieder, die „mit Füßen getreten“ würden. Ganz deutlich werde die Bahn-Taktik, als man versucht habe, „die schlechteren Arbeitszeit- und Einkommensbedingungen der Lokrangierführer in die Tarifverträge der GDL zu diktieren.“ Damit beweise die DB „eindeutig, dass in den Verhandlungen keinerlei Ergebnisse erzielt werden sollen.“ Hm.

Verzögert Bahn Abschluss bis zum neuen Tarifeinheitsgesetz?

Ganz unlogisch erscheint uns das nicht, die DB könnte tatsächlich versucht sein, die wenigen Wochen bis zum Gesetz-in-Wirkung auch noch zu überstehen – genug Routine beim Aufstellen von Ersatzfahrplänen hat man ja. Und beim letzten Streik vor wenigen Tagen setzte die Bahn auch noch zahlreiche extrem freundliche Fahrplanberater in den Bahnhöfen ein. Der Kunde konnte sehen: die sind die Guten… Das Misstrauen gegenüber der Bahn ist also möglicherweise angebracht, dennoch bleibt die Tatsache, dass die GDL mit ihrer sturen Haltung das Rad pro Gesetz erst ins Rollen gebracht hat.

Leere Gleise und Bahnsteig Hauptbahnhof Mainz
Leere Gleise im Mainzer Hauptbahnhof gibt’s ab Dienstag wieder – Foto: gik

Die Bahn beschränkt sich denn auch darauf, ganz nüchtern mitzuteilen, man habe der GDL erst am 29. April ein neues Angebot vorgelegt, und über das sei bisher gar nicht verhandelt worden. Am Samstag habe man die Gewerkschaft zudem aufgefordert, in eine Schlichtung zu gehen – die GDL sei darauf bisher nicht eingegangen. Gleichzeitig betont man, man werde „alles unternehmen“, um die Auswirkungen für die Kunden so gering wie möglich zu halten. Dennoch müsse mit starken Beeinträchtigungen des Zugverkehrs gerechnet werden. „Die DB bedauert dies außerordentlich und verweist ausdrücklich auf die alleinige Verantwortung der GDL für die zu erwartenden Unannehmlichkeiten“, heißt es weiter. Wirklich klug, diese DB-Öffentlichkeitsarbeit.

Auch andere Gewerkschaften erwägen Klage gegen das neue Gesetz

Indes regt sich auch bei anderen Gewerkschaften Widerstand gegen das neue Gesetz. Ausgerechnet die Mega-Gewerkschaft Ver.di kündigte nun an, gegen das Gesetz vors Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Offenbar wird selbst den Mitglieder starken Gewerkschaften langsam mulmig vor dem zu erwartenden Eingriff ins Streikrecht.

Gleise mit Stellwerk Hauptbahnhof Mainz
Wann stellt jemand ein rotes Signal für die GDL auf? – Foto: gik

Und der Präsident der Bundesärztekammer und frühere Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank-Ulrich Montgomery, warnt heute in der Bild-Zeitung vor der Entstehung „undemokratischer Einheitsgewerkschaften“. Die Ärzte würden sich das nicht bieten und sich nicht wieder „unter das Joch einer Einheitsgewerkschaft zwingen lassen“, zitiert die Bild den Ärztevertreter. Das könnte noch spannend werden.

Im Bundestag findet heute eine Anhörung zum neuen Tariftreuegesetz statt, das ist durchaus üblich zwischen zwei Lesungen im Bundestag. Mal sehen, ob es danach Änderungen am Gesetzentwurf gibt.

Den Bahnkunden nützt all‘ das natürlich gar nichts. Der wohl längste Streik der Bahngeschichte steht bevor… Kleiner Hoffnungsschimmer: Die Privatbahnen wie etwa Vlexx werden wohl auch dieses Mal wieder nicht streiken. Vielleicht halten sich ja die Auswirkungen auf Mainz in Grenzen. Haltet durch!

Info& auf Mainz&: Informationen zum Bahnstreik gibt es wie immer auf www.bahn.de. Hier findet Ihr auch die Kulanzregeln für die kostenfreie Rückerstattung von Fahrkarten.

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