Was für eine Party: Der Gonsenheimer Carneval-Verein (GCV) hatte zur „Stehung, die 11.“ geladen – und 3.000 kamen, feierten und rockten die neu sanierte Rheingoldhalle. Es war ein Abend zum Staunen. Atemrauben, Abfeiern und für jede Menge Gänsehaut-Momente, und er zeigte: Mainz kann inzwischen (längst) nicht nur Fastnachts-Musik, sondern auch richtig große Fastnachtskonzerte mit einer lebendigen und spritzigen Musikszene. Das ist durchaus auch das Verdienst der „Stehung“: In elf Jahren von Neuland zum Kultevent. Am Freitagabend ließen die Gäste bei der Jubiläumsausgabe mehr als vier Stunden lang die Rheingoldhalle beben.

Stehung in der alten Gonsenheimer Turnhalle 2015 mit Dirty Glamour. - Foto: gik
Stehung in der alten Gonsenheimer Turnhalle 2015 mit Dirty Glamour. – Foto: gik

Es war 2011, als der Gonsenheimer Carneval-Verein (GCV) ein Experiment wagte: Statt sechs Stunden Sitzung mit Vorträgen im Saal, vier bis fünf Stunden reine Fastnachtsmusik mit ein bisschen Comedy dazwischen, und das als reines Konzert – die „Stehung“ war geboren. Die Idee dazu hatten zwei Gonsenheimer GCV-Aktive: Thomas Becker, heute Programmchef des GCV, und Andreas Burkard – und sie entstand natürlich bei einem Bier.

„Die Sitzungen waren damals ja seeehr Reden-lastig, Musik eher Beiwerk“, berichtete Thomas Becker gegenüber Mainz&. Es habe in den langen Sitzungen damals kaum Gesang gegeben, und schon gar keine rockigen Musiknummern. „Irgendwie kreisten die Gedanken um das Ziel einer fastnachtlichen Veranstaltung mit mehr Schwung, Elan und Stimmung – gerade auch für ein jüngeres Publikum“, erzählt Becker, also sei die Idee entstanden, das Verhältnis von Reden und Musik einfach umzudrehen. Die Konsequenz: „Wenn es musikalischer wird, wollen die Leute beim Feiern auch Tanzen, also braucht es keine Tische und Stühle – sondern …. eine STEHUNG.“

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Werbung

Rock und Rap in der Meenzer Fastnacht Dank junger Akteure

Elf Jahre später hat sich das Verhältnis der Mainzer Fastnacht zur Musik gründlich geändert: Auf einmal enterten neue, junge Musikgruppen die Fastnachtsbühnen, inzwischen sind in den Mainzer Sitzungsälen schwungvolle und höchst moderne Klänge nicht mehr wegzudenken. Die Akteure sind die neuen Stars und rocken auch außerhalb der Kampagne Bühnen und Plätze – wie etwa am Rheinland-Pfalz-Tag im Sommer 2022.

Rot Rock Rapper am Freitag bei der Jubiläumsausgabe der "Stehung". - Foto: gik
Rot Rock Rapper am Freitag bei der Jubiläumsausgabe der „Stehung“. – Foto: gik

Die Riege der Akteure reicht inzwischen von fast schon altgedienten Sängern wie Oliver Mager, den „Humbas“ und der Spaßmacher Company bis hin zu jungen Formationen wie „Handkäs‘ und sei Mussigg“, und ständig entstehen neue Bands.

Und längst wird in der Mainzer Fastnacht nicht nur gerockt, sondern auch gerappt – die Bockius-Brüder alias „Dobbelbock“, und dann vor allem die „Rot Rock Rapper“ der Prinzengarde setzten hier Maßstäbe, die andere Gruppen gerne aufgriffen: Der „Deutsche Michel“ alias Rüdiger Schlesinger beschließt seinen Vortrag mit einer Rap-Einlage, und selbst die Mainzer Hofsänger wagten sich an Rock und Rap in ihren Medleys – frenetisch dafür gefeiert vom Publikum.

Werbung

Erinnerungen an „Kölle goes Mainz“ werden wach

„Die Stehung hat da bestimmt einen Akzent gesetzt, und zu dieser Entwicklung beigetragen“, glaubt Becker, denn tatsächlich: Mit der Stehung kreierten die Gonsenheimer erstmals in Mainz ein Format allein für die Fastnachts-Musikszene – bis dahin kannte die Welt nur die Kölsche Musikszene, die Anfang der 2000-er Jahre mit „Kölle goes Meenz“ viel bestaunte Ableger in die zweite große Fastnachtshochburg am Rhein schickte.

Stehung, die Elfte in der Mainzer Rheingoldhalle. - Foto: gik
Stehung, die Elfte in der Mainzer Rheingoldhalle. – Foto: gik

Am Freitagabend zeigte sich in der Mainzer Rheingoldhalle: Die Mainzer müssen den Vergleich mit dem großen Vorbild Köln inzwischen nicht mehr scheuen. Zum 11. Mal hatte der GCV zur Stehung geladen, eigentlich hätte die Jubiläumsshow natürlich 2022 stattfinden sollen – Corona kam dazwischen. So konnte „Stehung, die 11.“ aber gleich in der völlig neu sanierten Rheingoldhalle stattfinden, und das zahlte sich aus: Gerade Licht- und Tontechnik machten die Jubiläumsausgabe zu einem Highlight, das einen staunen ließ.

Die Lichttechnik spielte auf allen Regler, und verwandelte den großen Saal in eine pulsierende Welt aus Blau oder Rot, die Tonanlage hingegen füllte – trotz gelegentlicher Mikrofon-Aussetzer – den Saal bis in die hintersten Ränge mit wummernden Bässen und satten Klangspielen. Tatsächlich war der Sound ganz hinten auf den obersten Stufen am besten, wer sich im Saal in den hinteren Stehend-Regionen kurz vor den ersten Stufen aufhielt, bekam eher Klangbrei als Hörgenuss.

Werbung

Ska, Dudelsäcke und die Musiktruppe aus Künzell

Den Zuschauern war das ganz offensichtlich egal: Gleich zu Beginn des Stehung um 19.33 Uhr drängte sich die Menge im Saal, die Besucher wollten vor allem eins: Party. Und die Stehung lieferte: Praktisch vom ersten Ton an herrschte eine gigantische Stimmung im Saal, und spätestens bei der Spaßmacher Company bebte die Rheingoldhalle in ihren Fundamenten.

Stehungsbanner im Foyer der Rheingoldhalle: Längst gibt es von der "Stehung" T-Shirts - und in diesem Jahr sogar den Kampagnenorden des GCV. - Foto: gik
Stehungsbanner im Foyer der Rheingoldhalle: Längst gibt es von der „Stehung“ T-Shirts – und in diesem Jahr sogar den Kampagnenorden des GCV. – Foto: gik

„Im allerersten Jahr waren 700 Gäste da, die Veranstaltung direkt ein Erfolg“, erinnerte sich Becker – und wer es verpasst hatte, wollte es unbedingt im nächsten Jahr erleben. Im zweiten Jahr kamen schon mehr als 1.000 Teilnehmer zur Stehung in die Gonsenheimer Turnhalle, ab der vierten Saison gab es dann zwei Stehungen hintereinander – anders war die Nachfrage gar nicht mehr zu bewältigen. 2022 wurde in der Corona-Pandemie gar aus der Stehung der „Stehung Vision Contest SSC“, der so gut ankam, dass er auch zur Dauereinrichtung zu werden verspricht.

„Es gab immer wieder auch Experimente oder Überraschungen“, erinnert sich Becker schmunzelnd: „Es trat bereits eine Ska-Band auf, die Schnorreswackler sogar mit Drums & Pipes, also Dudelsackbläsern – und die Musiktruppe aus Künzell war eine Idee, die zur Serie wurde.“ Eine besondere Überraschung war der damalige erste Auftritt der Mainzer Hofsänger, die unter jungen Leuten als eher steif geltende Gesangsgruppe wurde gleichwohl vom Stehungs-Publikum euphorisch gefeiert – so auch am Freitagabend.

Werbung

Margit Sponheimer frenetisch auf der Stehung gefeiert

Ein Stehungs-Highlight war auch der Überraschungsauftritt von Margit Sponheimer: Die Fastnachts-Ikone traute sich 2015 nur mit großer Nervosität vor das junge Publikum, doch „Es Margittche“ hätte sich keine Sorge machen müssen – der Saal lag ihr bei alten Hits wie „Wähle 06131“ schlicht zu Füßen. Die Fusion von klassischer Fastnacht und modernen Sounds funktionierte auch am Freitag hervorragend, und das zeigten nicht nur die Hofsänger, sondern auch Akteure wie die Altrheinstromer, die gemeinsam mit den Fleischworschtathleten den Saal zum beben brachten – oder am gerockten „Heile Gänsje“ der Spaßmacher Company.

Lightshow vom Feinsten: Stehung,. die Elfte, in der Mainzer Rheingoldhalle. - Foto: gik
Lightshow vom Feinsten: Stehung,. die Elfte, in der Mainzer Rheingoldhalle. – Foto: gik

Das Publikum reicht derweil von 20 bis weit in die älteren Semester. „Der älteste „Steher“ war bis 2020 ein über 80-jähriger Herr, der mit viel Freude dabei war und ausgelassen am Abend getanzt und gefeiert hat“, erinnert sich Thomas Becker – einmal sei der Senioren gar auf die Bühne getanzt. „Das zeigt, dass die STEHUNG eine Veranstaltung ist, die für alle da ist, die Spass an de Freud‘ haben und Mainzer Fastnacht auch mit viel Musik feiern wollen“, sagt Becker.

Und genau das taten die Mainzer am Freitag ausgelassen wie nie: Von „Olé Fiesta“ bei Fassenacht in Meenz, vom umjubelten Auftritt der Schnorreswackler bis hin zur ausgelassenen Party mit Dobbelbock und „Se Bummtschaks“ – die „Stehung, die 11.“ setzte wahrhaft Maßstäbe. „Du sollst nicht sitzen!“ rief Ko-Moderator Christoph Seib ins Publikum. Wie denn auch, bei so viel Musik in den Beinen? Und so viel Gänsehaut-Momenten, wie eben dieser: Der hommage

Info& auf Mainz&: Diese Jubiläums-Stehung musste man erlebt haben – und deshalb haben wir Euch eine ganze Reihe Videos mitgebracht, Ihr findet sie auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal. Ihr wollte mehr Fastnacht? Aber gerne doch: Checkt mal unsere Rubrik „Narretei&“ aus – genau hier auf Mainz&. Und ja, wir haben auch eine klitzekleine Fotogalerie für Euch von „Stehung, die Elfte“: